Wingeshausen. Eine Runde aus Studierenden und Experten hat den Ärztemangel auf dem Land ins Visier genommen – und dabei auch Lösungsansätze diskutiert.


Der heimische EU-Politiker Dr. Peter Liese (CDU) sprach in der Wisenthütte das aus, was wohl alle Teilnehmer der Diskussionsrunde schon wussten: „Wir müssen dringend etwas tun!“ „Wie kann medizinisches Personal für die ländliche Region gewonnen werden?“ So lautete das Thema zum Ende der Gesundheitswoche.

Dr. Liese weiß, wovon er spricht, hat er doch selbst von 1994 bis 2003 in einer Landarzt-Praxis praktiziert. Während dieser Zeit haben drei seiner Kollegen ihre Tätigkeit beendet, ohne Nachfolger zu finden. Aktuell seien 40 Prozent aller Mediziner über 60 Jahre alt. Ohne Ärzte aus Ost-, Südost- und Mitteleuropa könne der Betrieb oft nicht mehr aufrecht erhalten werden. Gleichzeitig hat der Christdemokrat festgestellt, dass immer mehr deutsche Ärzte aufgrund der besseren Bedingungen nach Skandinavien gehen.

Mediziner aus Griechenland

Präsenz zeigte in der von Hubertus Winterberg, Südwestfalen-Agentur, moderierten Runde auch der Präsident der Ärztekammer. Dr. Theodor Windhorst hat nach eigenen Angaben bereits eine Menge gegen den Ärztemangel getan, indem er 800 Mediziner aus Griechenland nach Deutschland geholt hat, die vorher arbeitslos waren. Das hat aber nicht ausgereicht. „8000 Ärzte in Nordrhein-Westfalen – das ist grenzwertig“, so der Präsident.

Das Dilemma brachte Ansgar von der Osten von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe folgendermaßen auf den Punkt: „Die Ärzte bringen Leistung ohne Ende und werden dann budgetiert entlohnt.“ Ein Patentrezept lieferte er gleich nach: „Man muss den Leuten den roten Teppich ausrollen, die ins Gesundheitssystem wollen“, lautete seine Forderung. Diese Worte dürften Maximilian Belz, Hans-Peter Grobbel, Clara Röhl und Rahel Hedrich gefallen haben. Die vier jungen Leute stammen aus der Region und studieren Medizin, so Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, der sich sicher war, dass die Diskussionsrunde neue Erkenntnisse bringen wird.

Nicht nur der Mangel steht im Fokus

Angeschnitten wurde dabei auch der sogenannte Klebe-Effekt: Studenten bauen sich am Studienort ein neues Netzwerk auf, lassen sich später dort nieder und fehlen dann im ländlichen Bereich. Diese These konnte Dr. Oliver Haas aus Erndtebrück aber nicht nachvollziehen. Der Allgemeinmediziner verwies auf das Umfeld der Stadt Marburg, wo es ebenfalls zu wenig Ärzte gebe.

Aber nicht nur der Mangel an Medizinern stand im Fokus. Thomas Dörr vom Diakonischen Werk war sich sicher, dass der Notstand bei den Pflegekräften länger anhalten werde als der Ärztemangel.

Studium in Heimatnähe

Was ist zu tun? Dr. Peter Liese kann sich mobile Praxen und den Ausbau der Telemedizin gut vorstellen. Ein Schritt ist schon gemacht: Jungen Leuten aus dem ländlichen Bereich soll ein Studium vor Ort ermöglicht werden. Es ist angedacht, einen Studiengang in Siegen einzurichten. Noch etwas wirkt sich auf die Zahl der Mediziner hemmend aus: Lieses Einschätzung nach wird zu sehr auf die Abitur-Note geschaut.

Und was ist für die angehenden Mediziner bei der Auswahl des Standortes ausschlaggebend? „Wichtig ist, dass man sich wohl fühlt“, so Hans-Peter Grobbel.