Bad Berleburg. Die Diagnose Demenz verändert das Leben in der gesamten Familie.
Die Diagnose Demenz verändert das Leben in der gesamten Familie. Für den Erkrankten bedeutet es Angst, Scham und Traurigkeit. Die Angehörigen erleben das Gleiche, sind als pflegende Angehörige aber schnell am Ende ihrer Kräfte. Und trotzdem macht der Vortrag von Birgitt Braun Hoffnung. Für die Volkshochschule Siegen-Wittgenstein hat die Mitarbeiterin des Demenz-Servicezentrums Südwestfalen aus Wilnsdorf viele Fakten und zwei klare Botschaften: Ein Leben mit Demenz ist lebenswert. Und pflegende Angehörige können die Last nicht allein tragen.
Krankheitsformen
„Es gibt nicht die Demenz“, sagt Birgitt Braun. Es gebe vielmehr hunderte verschiedener Arten – und jeder Krankheitsfall sei individuell zu betrachten. Die Krankheitsformen werden auch nach ihrer Ursache unterschieden.
Primäre Demenz: Primär bedeutet, dass sie ihren Ursprung im Gehirn hat: Dazu zählen die Alzheimer-Demenz und die Vaskuläre Demenz, verursacht durch Durchblutungsstörungen. Sie machen insgesamt 90 Prozent der Erkrankungen aus und sind nach wie vor nicht heilbar.
Sekundäre Demenz: Sie tritt infolge einer anderen Erkrankung, einer Depression, Schilddrüsenerkrankung oder eines Schädel-Hirn-Traumas auf.
Symptome
Birgitt Braun Mitarbeiterin des Demenz-Servicezentrums Südwestfalen in Wilnsdorf.
Foto:
Lars-Peter Dickel
Gedächtnisstörungen: Man muss zwischen dem normalen Vergessen zum Beispiel durch Stress und einer Demenz unterscheiden. Wenn Sie einen Termin vergessen, er Ihnen abends aber wieder einfällt, oder sie den Schlüssel verlegen und dann wiederfinden, hat das noch nichts mit einer Demenz zu tun. Fehlen aber komplette Erinnerungen an einen Termin, oder erkennen sie später Freunde und selbst Familienangehörige nicht mehr, ist das typisch für Demenz.
Orientierungslosigkeit: Wenn Sie sich an ihnen bekannten Orten nicht mehr zurechtfinden, ist das ein Warnsignal. Oder wenn die zeitliche Orientierung nicht mehr funktioniert – Datum, Wochentage oder sogar die Tageszeit – sind das deutliche Symptome. Der Tag-Nacht-Rhythmus kann auch gestört sein.
Rückzug aus der Gesellschaft: Demenzkranke können oft Gesprächen in größerer Runde nicht mehr folgen und ziehen sich in sich selbst zurück. Auch liebgewonnenen Hobbys werden vernachlässigt, weil sie ihrer Lieblingsfernsehserie nicht mehr folgen können.
Wesensveränderungen: Demenzkranke leiden häufig unter Stress und Angst, weil sie fühlen, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können oder Menschen nicht mehr erkennen und desorientiert sind. Wenn sie Schlüssel oder Geldbeutel verlegen, dann beschuldigen sie andere, diese gestohlen zu haben.
Bewegungsdrang: Demenzkranke haben, wenn sie körperlich noch fit sind, einen erhöhten Bewegungsdrang mit dem möglicherweise auch Ängste und Fluchtreflexe befriedigt werden. Deshalb ist der Kalorienverbrauch oft deutlich erhöht.
Was Angehörige brauchen
Um nicht zu verzweifeln, brauchen pflegende Angehörige vom Demenzkranken drei Dinge: starke Nerven, eine große Portion Humor sowie Unterstützung von Verwandten und ausgebildeten Profis. Es gibt über das Pflegegeld finanzielle Unterstützung – und es gibt viele Angebote von Pflegediensten und sozialen Trägern oder Vereinen zur Unterstützung und Entlastung.
Was Erkrankte brauchen
„Demenzkranke spüren, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können“, sagt Birgitt Braun. Deshalb ist es wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, wertvoll zu sein. Auch wenn betroffene den Namen von Angehörigen nicht mehr wissen: „Die Gefühle sind noch da. Die werden sogar sensibler. Sie spüren: Das sind vertraute Menschen.“ Umso wichtiger werden Berührungen und Verständnis. Es bringt nichts, mit den Erkrankten zu diskutieren. Sie leben in ihrer Welt, haben eine eigene Wahrnehmung und Erfahrungen und deshalb immer recht. Mit Logik und Erklärungen ist dem nicht beizukommen. Wichtig ist auch, sie bei Gesprächen anzuschauen, einfache Sätze zu bilden und nur Fragen mit einfachen Ja-oder-Nein-Antworten zu stellen.
1,6
Millonen Demenzkranke gibt es aktuell in Deutschland. Allein rund 300 000 sollen es in NRW sein und rund 4200 im gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein. Weil wir Menschen immer älter werden und das Risiko einer Demenz-Erkrankung mit zunehmendem Lebensalter steigt. Bei den Über-90-Jährigen leidet jeder dritte an dieser Erkrankung. Bei Menschen jenseits der 85 ist es jeder Vierte. Schätzungen gehen davon aus, dass es im Jahr 2050 etwa drei Millionen sein werden. Menschen.
75
Prozent werden zuhause und von Angehörigen gepflegt – nur 25 Prozent in stationären Einrichtungen. „Die Menschen wollen zuhause alt werden, und die Politik hat darauf reagiert“, sagt Brigitt Braun vom Demenz-Servicezentrum Südwestfalen.