Siegerland. 1966 und 1975 werden die Grenzen der heutigen Stadt Siegen neu gezogen. 1969 ist das Umland an der Reihe. Es hätte auch alles anders kommen können.

Das zweite Siegerlandgesetz, das am 1. Januar 1969 in Kraft trat, bedeutete das Ende der „Ämter“ im Siegener Umland. Die Amtsverwaltungen mit ehrenamtlichen Bürgermeistern und hauptamtlichen Amtsdirektoren hatten bis dahin all die Aufgaben übernommen, die die kleinen Gemeinden mit manchmal kaum 100 Einwohnern und ihre Gemeinderäte nicht stemmen konnten — die Kommunalpolitik passte da noch an einen Wirtshaustisch und wurde in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.

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Kreuztal geht aus dem ehemaligen Amt Ferndorf hervor, übernimmt aus dem Amt Freudenberg Mittel- und Oberhees, nachdem Meiswinkel auch noch bei Hüttental gelandet war und es somit keine direkte Anbindung an Freudenberg mehr gab. Der Zusammenschluss wurde von den Gemeinden des Amtes Ferndorf schon 1967 in einem Gebietsänderungsvertrag freiwillig verabredet. Den Stadtteil Kreuztal selbst gibt es unter diesem Namen übrigens erst seit 1928; vorher war das Ernsdorf. Bockenbach und Stendenbach waren bereits 1960 nach Eichen eingemeindet worden.

Kommunale Neugliederung
Mittelhees war einmal Teil von Freudenberg. Hans Müller wurde nach der Gebietsreform für viele Jahre Stadtverordneter im Kreuztaler Rat.  © Otmar Kuhn | oTMAR kUHN

Hilchenbach ist Nachfolger des Amtes Keppel, größter Stadtteil wird die bisher „amtsfreie“ Stadt Hilchenbach. Der Wunsch, auch noch Kredenbach mit seinem Gewebeflächen dazuzubekommen, bleibt unerfüllt - bis auf den Kredenbacher Ortsteil Neulohe.

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Netphen ist eine der neuen „Großgemeinden“. Allerdings sind von einst 32 Gemeinden nur noch 24 unter dem neuen Dach. Die vier Ortsteile im Weißtal (Anzhausen, Flammersbach, Gernsdorf und Rudersdorf) gehen nach Wilnsdorf, Feuersbach zur Stadt Siegen. Und auch die verbliebene Zahl verringert sich noch: Aus Nieder- und Obernetphen wird Netphen, Nauholz und Obernau weichen der neuen Talsperre, mit deren Bau 1968 begonnen wurde. Schon 1966 wollten sich die Dreis-Tiefenbacher lieber der Stadt Hüttental anschließen; der Innenminister kassierte allerdings den bereits unterzeichneten Beitrittsvertrag.

Am 28. Dezember 1968 tagt der alte Freudenberger Rat zum letzten Mal. Erst im März 1969 wird neu gewählt.
Am 28. Dezember 1968 tagt der alte Freudenberger Rat zum letzten Mal. Erst im März 1969 wird neu gewählt. © Archiv Heimatvereine Freudenberg | Archiv Heimatvereine Freudenberg

Freudenberg ist als Stadt Nachfolger des Amtes Freudenberg. Neben den Heestal-Gemeinden, die nach Kreuztal gehen, wird auch Meiswinkel neu orientiert — nun zu der drei Jahre zuvor neu gebildeten Stadt Hüttental, bei der auch schon Langenholdinghausen gelandet ist.

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Wilnsdorf geht als Großgemeinde aus dem Amt Wilnsdorf hervor, angereichert um die vorher zum Amt Netphen gehörenden Weißtal-Gemeinden. Hier war der Widerstand stark. Die vier Weißtal-Gemeinden wollten bei Netphen bleiben, Rinsdorf wollte zu Eiserfeld, Obersdorf zu Siegen, Wilden zu Neunkirchen. 1967 wurde in Netphen vorgeschlagen, die übrigen Ortschaften Netphen zuzuschlagen und auf eine Gemeinde Wilnsdorf ganz zu verzichten. Auch ein neues Amt „Weißtal“ war schon 1964 ins Gespräch gekommen, mit dem Hauptort Kaan-Marienborn, das auf diese Weise einer Eingemeindung nach Siegen entgehen wollte.

Mit dem Stadtnamen „Kreuztal“ mochten sich die Ferndorfer nicht anfreunden.
Mit dem Stadtnamen „Kreuztal“ mochten sich die Ferndorfer nicht anfreunden. © Stadtarchiv Kreuztal

Neunkirchen war eigentlich erst gar nicht vorgesehen: Die sechs Ortsteile sollten bei Burbach bleiben. Sogar der „Spiegel“ hängt seine Geschichte über die Kommunalreform in Nordrhein-Westfalen am Kampf des Unteren Freien Grundes (Neunkirchen) gegen den Oberen Freien Grund (Burbach) auf: Die Rathäuser im „Untergrund“ treten in Streik, Rechnungen werden nicht mehr bezahlt. „Onkel Willis Gemeinde-Mordkommission“, so benannt nach dem Innenminister Willi Weyer, wird berühmt, der „Grund der freien Männer“ wird vom Spiegel zum „Haupt-Herd der Revolte“ geadelt. In Düsseldorf hat man irgendwann die Nase voll: Über „furchtbar viel Stunk und Ärger“ mit dem Siegerland, klagt ein entnervter Regierungsdirektor. Die Geldsammlung für die Klage beim Bundesverfassungsgericht ist nicht mehr nötig.

Burbach heißt die Gemeinde, für die die andere Hälfte des ehemaligen Amtes gleichen Namens übrig bleibt.

Der neue Kreis Siegen

Eher in Wittgenstein als im Siegerland schmerzte der Paragraf 38 des Sauerland-Paderborn-Gesetzes: Die zum 1. Januar 1975 neu gebildeten Städte Bad Laasphe, Bad Berleburg und die neue Gemeinde Erndtebrück wurden Teil des Kreises Siegen, der Kreis Wittgenstein verschwand von der Landkarte und kehrte dorthin erst 1984 mit dem Bindestrich-Namen Siegen-Wittgenstein und 1999 ins Kreiswappen zurück.

Unbehelligt blieb dagegen der Kreis Olpe als kleinster Landkreis Nordrhein-Westfalens, obwohl der nach dem Befinden des Innenministers in seinem Vorschlag von 1974 „in seinen gegenwärtigen Grenzen nicht erhalten werden kann“. Weder der Zusammenschluss mit Siegen-Wittgenstein noch die Aufteilung auf Siegen und Lüdenscheid waren politisch durchsetzbar.

Aus dem neuen Kreis Siegen wurde übrigens erst 1984 „Siegen-Wittgenstein“. Erst seit 1999 sind auch die Wittgensteiner Pfähle im Kreiswappen.

Mit dem Sauerland-Paderborn-Gesetz , das am 1. Januar 1975 in Kraft trat, endete die Neugliederung des Siegerlandes. Von einst 114 selbstständigen Gemeinden waren acht übrig geblieben. Weitere Neugliederungswünsche blieben unerfüllt. Längst vergessen sind „Berghain“, der von sechs späteren Freudenberger Stadtteilen angestrebte Zusammenschluss, „Obersieg“, der von Dreis-Tiefenbach favorisierte Namen für das unaussprechliche Netphen, und „Mükreda“, das Kunstwort aus Müsen, Kredenbach und Dahlbruch. Am längsten währte der Gram in Hilchenbach, wo der frühere Stadtdirektor Dr. Hans Christhard Mahrenholz auch 1999 noch den Zusammenschluss mit Kreuztal forderte — wenn Hilchenbach schon nicht Kredenbach mit seinem Industriegebiet bekommen sollte: „Nur, Kreuztal mag uns nicht, und Hilchenbach mag Kreuztal nicht.“

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