Siegen. Ein Fass ohne Boden: Trendsport-Spielfeld sollte eine Attraktion für Familien werden, aber das Projekt läuft völlig aus dem Ruder. Siegen stoppt es nun.
Seit drei Jahren versucht die Stadt Siegen, eine Discgolf-Anlage zu bauen. Eine solche Sport- und Freizeitanlage zu errichten, ausdrücklich als Attraktion für Familien, sah zunächst nach einer recht simplen Aufgabe aus. Und wurde dann immer komplizierter. So kompliziert, dass die Verwaltung nun die Reißleine zieht: Aufwand und vor allem Kosten stehen in keinem Verhältnis mehr, heißt es von der Sport- und Bäderabteilung. Sie empfiehlt, von der Umsetzung dieses Projekts abzusehen.
+++ Immer auf dem Laufenden mit WhatsApp: Hier geht‘s zum Kanal der Lokalredaktion Siegen +++
Angestoßen hatte das Vorhaben die Volt-Fraktion: Beim Discgolf wird eine Frisbee-Scheibe in Basketball-ähnliche Körbe geworfen, das Spielprinzip ähnelt dem Golf. Es handle sich um eine kostengünstige, barrierearme und familienfreundliche Sportart. Im Grunde, so das Argument, brauche es nur eine freie Fläche und die robusten Körbe, die einmal gekauft werden müssen. Der Sport- und Bäderausschuss stimmte Ende 2021 zu, um das Freizeitangebot im öffentlichen Raum in Siegen zu verbessern, die Verwaltung wurde beauftragt, nach geeigneten Flächen zu suchen.
Siegen: Discgolf-Feld braucht Platz - die Bahnen sind lang, so viel Fläche gibt‘s kaum
Schon damit wurde es kompliziert. Mehrere Monate wurde gesucht, heißt es in der Vorlage für den Sport- und Bäderausschuss am Mittwoch, 27. November - geeignete Flächen fanden sich nicht, das Spielfeld sei „nur schwierig ins Stadtgebiet zu integrieren“. Denn die Länge der einzelnen Bahnen ist durchaus beachtlich - ähnlich wie bei einem normalen Golfplatz. So viel Platz gibt es in den Zentren schonmal nicht. Dann ergab sich allerdings die Chance, das Discgolf-Spielfeld auf dem Erfahrungsfeld „Schön und Gut“ auf dem Fischbacherberg anzulegen. Das ist zwar alles andere als zentral und gut erreichbar, das Gelände aber bereits ein beliebtes Naherholungsgebiet. Die Stadt begann mit der Planung.
Dabei zeigte sich dann auch, dass es doch ziemlicher Aufwand ist, eine Discgolf-Anlage zu bauen, auch in finanzieller Hinsicht. Eine erste Schätzung kam noch auf rund 18.200 Euro - unter der Annahme, dass keine größeren Baumaßnahmen wie Erdarbeiten erforderlich sind und die Anlage mehr oder weniger auf einer vorhandenen Fläche hergestellt werden kann. Im April wurde dann eine Begehung mit einem Planungsbüro durchgeführt. Ergebnis: Grundsätzlich ist das Erfahrungsfeld geeignet; bis zu neun Bahnen könnten dort angelegt werden - sechs für Familien und Anfänger, drei für Fortgeschrittene. Das Büro erhielt den Auftrag, eine genauere Kalkulation vorzulegen.
Siegen: Die Bürokratie schlägt zu - Vergaberecht. Und: neue Erkenntnisse
Das macht es nicht umsonst: Das Angebot war zumindest teuer genug, dass laut Vergaberecht ein Preisvergleich durchgeführt werden muss - die Stadt holte demnach weitere Angebote ein, den Zuschlag erhielt dann ein anderes Planungsbüro. Es folgte ein weiterer Begehungstermin. Ergebnis: Ja, das geht tatsächlich - aber für Bau und dann folgende intensive Nutzung muss in größerem Umfang Gestrüpp auf dem Erfahrungsfeld zurückgeschnitten werden. Es folgten weitere Begehungen: Mit der Tiefbau- und der Grünflächenabteilung.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
Dabei stellte sich heraus, dass der auch Unterhaltungsaufwand enorm ist, jedenfalls größer als gedacht: Spielfeld und Nebenflächen ließen sich aufgrund der schieren Größe nur mit einer Mähraupe pflegen, heißt es weiter. Das Gelände ist hügelig - für das Spielfeld an sich wäre das kein Problem gewesen; im Gegenteil: Die Hügel sollten integriert werden. Aber an vielen Stellen sind sie zu steil für die Maschine - also doch abflachen und damit umfangreichere Erdbewegungen in Kauf nehmen?
Außerdem sprießt das Unkraut „Knöterich“ ausgiebig auf dem Erfahrungsfeld vor sich hin - auf dem gesamten Planungsgebiet, über Wege und Flächen. Eigentlich, so die Fachplaner, müsste das Gewächs ausgiebig beseitigt werden. Überwucherte Discgolf-Spielfelder, das zeige die Erfahrung in anderen Städten, würden nicht genutzt. Der Wildwuchs sei so unkontrolliert, dass sich die Pflegekosten gar nicht erst konkret kalkulieren ließen. Beseitigung hieße: Umfangreichere Erdarbeiten. Wenn das Erdreich nicht mit den Unkraut-Wurzeln nachhaltig entfernt werde, komme der Knöterich immer wieder.
Siegen: Von wegen vorhandene Wiese nutzen - umfangreiche Erdbewegungen notwendig
Es lief dann auf zwei Varianten hinaus, eine kleine und eine große. Klein heißt: Nur sechs Bahnen („ein deutlicher Verlust der Attraktivität der Anlage“), rund 11.400 Quadratmeter bebaute Fläche, Boden abtragen bis in einen Meter Tiefe, neuer Oberboden zehn Zentimeter stark, diesen einsäen. Das Erfahrungsfeld ist ehemaliges Militärgelände - hier war einst der Schießstand der belgischen Streitkräfte. Auf jeden Fall müsste der Untergrund auf Munitionsreste hin untersucht werden. Kosten insgesamt: 135.500 Euro brutto. Groß bedeutet: Neun Bahnen, 13.900 Quadratmeter bebaute Fläche, Erdarbeiten, neuer Oberboden, einsäen, Bodenproben - 225.500 Euro brutto.
„Das Projekt würde den städtischen Haushalt erheblich belasten und könnte in Konkurrenz zu anderen dringlichen Projekten treten, die für die Infrastruktur und das allgemeine Wohl der Stadt von höherer Priorität sind.“
Plus Folgekosten, für beide Varianten. Die Grünflächenabteilung hat nicht ausreichend Personal für eine so große Fläche, also müsste der Auftrag an ein Unternehmen vergeben werden. Marktüblicher Preis: 15 Cent je Quadratmeter, bei sechs Pflegedurchgängen jährlich 12.600 Euro - immerhin annähernd so viel, wie ursprünglich für den Bau der gesamten Anlage geschätzt worden war. Dazu kämen auch noch Wartungskosten. Weil die ermittelte Summe aber ohnehin schon durch die Decke gegangen war, wurden diese gar nicht mehr beziffert. Und weil all diese Berechnungen mittlerweile auch schon wieder ein paar Monate alt sind und die Planungen noch nicht abgeschlossen waren, würde es wahrscheinlich auch noch teurer.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
„Angesichts der aktuellen Haushaltslage und der Notwendigkeit, finanzielle Mittel auf andere vorrangige Infrastrukturprojekte zu konzentrieren, kann die Discgolf-Anlage unter den neuen Bedingungen nicht realisiert werden“, heißt es in der Vorlage. „Das Projekt würde den städtischen Haushalt erheblich belasten und könnte in Konkurrenz zu anderen dringlichen Projekten treten, die für die Infrastruktur und das allgemeine Wohl der Stadt von höherer Priorität sind.“