Siegen. Licht, Akustik, Lüftung: Die Stadtbibliothek Siegen kommt in einer aktuellen Bewertung schlecht weg. Ein Neukonzept zeigt: Lösungen werden teuer.

Beleuchtung nervig, Belüftung mies, außerdem regnet es rein – und „für eine Großstadtbücherei haben wir ein recht kleines Angebot“: Die „Schwächen“-Liste der Stadtbibliothek Siegen, ein Element der „Bibliothekskonzeption 2030“, hat es in sich. Der Kulturausschuss wird sich am Dienstag, 20. August, nach einer Besichtigung der Räumlichkeiten mit den Ausführungen befassen.

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Eröffnet wurde die Stadtbibliothek im Krönchen-Center erst im Jahr 2007. Damit ist sie nach der – sehr beliebten – Stadtbibliothek Kreuztal die zweitneuste städtische Bücherei im Siegerland. Dass es trotzdem Luft nach oben gibt, ist schon seit Jahren immer wieder Thema. Die Neukonzeption, erstellt von der Beratung „Demographie lokal“ aus Minden und gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, soll nun aufzeigen, wie es besser werden kann. Während die Kritik an weiten Teilen des Ist-Zustands zunächst im Textfluss eher so mitschwingt (wenn auch oft ziemlich unverblümt), kommt es mit der Schwächen-Übersicht knüppeldick: Zu wenig Personal und zu wenig Fläche, Mobiliar mitunter unattraktiv, vereinzelt „mangelhaft“, zu hohe Lautstärke wegen schlechter Akustik, Beleuchtung „zu anstrengend für die Augen“, Belüftung „eine Katastrophe“, keine Möglichkeiten zur „Außenrückgabe“ von Medien.

Das Krönchen-Center am Markt in Siegen ist Sitz von Stadtbibliothek, Stadtarchiv und VHS. Die Bücherei soll laut einer Neukonzeption massiv aufgewertet werden – inklusive deutlich mehr Personal und viel mehr Platz. (Archivbild)
Das Krönchen-Center am Markt in Siegen ist Sitz von Stadtbibliothek, Stadtarchiv und VHS. Die Bücherei soll laut einer Neukonzeption massiv aufgewertet werden – inklusive deutlich mehr Personal und viel mehr Platz. (Archivbild) © WP | Florian Adam

Siegen: Stadtbibliothek mit „fehlerbehafteter Technik“ und unzuverlässigem WLAN

Eine „Stärken“-Liste gibt es natürlich auch. Dort werden ein engagiertes Team und „oft ein familiärer Umgang mit den Leserinnen und Lesern“ hervorgehoben, außerdem heißt es „die technische Ausstattung ist aktuell“ und „die Stadtbibliothek ist das Wohnzimmer der Stadt“. Eine Seite weiter, bei den Schwächen, steht allerdings zu lesen: „Teilweise gibt es mangelnde Offenheit für Veränderungen“, „fehlerbehaftete Technik und Programmabstürze“, Angebot und Bibliothek an sich „zu wenig bekannt“. Ebenfalls bemerkenswert: Die Stärkenliste lobt „offenes WLAN“ und die Schwächenübersicht charakterisiert dieses als „sehr unzuverlässig“.

Nutzerinnen und Nutzer gefragt

Im Jahr 2023 verfügte die Stadtbibliothek Siegen über 75.461 physische Medien. 23.305 davon waren „Non-Book-Medien“, also etwa DVDs, CDs oder Games. Die Zahl der Ausleihen insgesamt lag 2023 bei 268.904. Hinzu kommen digitale Inhalte und virtuelle Ausleihen. Es gab im vergangenen Jahr 3.545 aktive Nutzerinnen und Nutzer, 936 Neuanmeldungen und 74.327 Besucherinnen und Besucher, wie aus den Ausführungen der Neukonzeption hervorgeht.

Für das Zukunftskonzept wurden der Ist-Zustand betrachtet und verschiedene Beteiligungsverfahren ausgerichtet. Es gab „eine Reihe von Workshops mit dem Team“, darüber hinaus Online-Befragungen von Jugendlichen und Studierenden sowie „Interviews mit lokalen Schlüsselakteuren“, wie im Bericht erläutert ist. Zu letzteren zählten zum Beispiel Mitglieder von Ratsfraktionen sowie Vertreterinnen und Vertreter von Kooperationspartnern, Kitas und Schulen.

Die Stadtbibliothek Siegen sei „ein Informations- und Kommunikationszentrum“, außerdem eine „außerschulische Bildungseinrichtung“, wird im Konzept einleitend betont. Bibliotheken unterlägen einem generellen Wandel, der angesichts der Digitalisierung, einer deutlich veränderten Mediennutzung und weiterer gesellschaftlicher Entwicklungen massiv vorangetrieben worden sei. Damit gehe eine viel stärkere Bedeutung als sogenannter Dritter Ort einher. War eine Bibliothek früher in erster Linie darüber definiert, dass Nutzerinnen und Nutzer dort Bücher lesen und ausleihen können, muss sie heute weit mehr bieten und schon für sich genommen ein Anziehungspunkt sein, an dem Menschen gerne Zeit verbringen. Wichtig sei dabei, wie im Konzept unterstrichen wird, dass dieses Angebot allen Bürgerinnen und Bürgern offensteht: „Zur zunehmenden Kommerzialisierung auch privater Lebensbereiche bildet die Stadtbibliothek als nichtkommerzieller Aufenthalts- und Begegnungsort ein Gegengewicht.“

Stadtbibliothek Siegen verbessern? Vorschlag: fast dreimal soviel Stellen und fünfmal soviel Fläche

Grundlage der Neukonzeption ist eine „Vision der Zukunft“, die ein Ziel für das Jahr 2030 formuliert. Demnach wäre die Stadtbibliothek Siegen zu diesem Zeitpunkt „ein offenes Haus für Alle. Als Wohlfühlort neben Zuhause und Arbeitsstätte dient unsere Bibliothek sowohl der Weiterbildung als auch der Freizeitgestaltung.“ Der Bericht bündelt „die wichtigsten inhaltlichen Erkenntnisse“, die für eine Verwirklichung dieser Vorstellung relevant sind. Zwei aus finanzieller Sicht schwergewichtige Punkte stehen dabei nicht an der Spitze, sondern sind in die Liste eingereiht: Der Personalbestand sei mit 13,05 Stellen „deutlich zu gering“, der Publikumsbereich mit 1200 Quadratmetern Fläche zu klein. Das Konzept verweist auf Richtlinien des Bundesverbands Bibliothek und Information Deutschland sowie eine „Handreichung zu Bau und Ausstattung öffentlicher Bibliotheken“ und schlägt für Siegen – ausgehend von einer Berechnungsgrundlage von 105.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – 34,65 Stellen und 6300 Quadratmeter Fläche vor. Außerdem erfordere eine Stärkung der „Grundfunktionen eines Dritten Ortes“ unter anderem eine Modernisierung des Lesecafés, neues und attraktiveres Mobiliar, eine bessere räumliche Trennung und Einteilung der unterschiedlichen Bereiche und die „Einrichtung eines eigenen, multi-funktionalen Veranstaltungsraumes mit moderner Veranstaltungstechnik“. Weitere Maßnahmen: „Schaffung einer Bibliothek der Dinge“, in der über Medien hinaus auch Gegenstände und Geräte „von der Slackline bis zur Eismaschine“ ausgeliehen werden können und eine automatisierte Außenrückgabe, die nach mehrfacher Prüfung allerdings im und am Krönchen-Center „unter den gegebenen gebäudetechnischen Rahmenbedingungen nicht möglich ist“.

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Während sich weitere Maßnahmen wie etwa eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen auch unabhängig von größeren baulichen Veränderungen umsetzen ließen, hält das Konzept fest, dass die Umsetzung aller vorgeschlagenen Aspekte „nur teilweise mit den zur Verfügung stehenden finanziellen, personellen und räumlichen Ressourcen“ machbar sei. Daraus werden drei „Grundsatzstrategien“ abgeleitet: eine „Basisstrategie“, die den Status Quo als „Basisangebot mit den aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen“ verfolgt, eine „Ausbaustrategie“ mit Flächenerweiterung im Krönchen-Center und „Umbau zu einem modernen und zeitgemäßen Bibliotheksstandort“ und eine „Neubaustrategie“ mit einem Gebäudeneubau für die Bibliothek „als zentrales Element der Stadtentwicklung Siegen“.

Angaben zu Kosten und Finanzierung enthält die Konzeption nicht. Die politischen Gremien werden sich mit den Inhalten beschäftigen.

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