Siegen. Das Bruchwerk im ehemaligen Hettlage-Haus ist - neben Apollo - Siegens zweites Theater. Wie es entstanden ist und was daraus werden soll.
Großer Bahnhof im Bruchwerk in der Siegbergstraße 1, mitten in der Siegener Oberstadt. Fünf Jahre Theatergeschichte werden gefeiert. Mit Landrat Andreas Müller und Bürgermeister Steffen Mues, beide aufgeschlossen für Kunst und Kultur und häufige Theaterbesucher, sind auch die politischen Spitzen von Kreis und Stadt mit Grußworten dabei und dazu viele andere, die aktiv das Kulturleben der Region unterstützen.
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Die Gala
Das Wesentliche aber kommt danach: Texte aus „Die Komplizen“ des Siegener Wortkünstlers Crauss, der von Beginn an eng verbunden mit dem Bruchwerk-Theater ist, Szenen mit den Schauspielern Jan Sabo und Valentin Stroh, die beide in mehrere Bruchwerk-Produktionen eingebunden waren, und mitreißende Musik: Freddy Mercurys „It’s a kind of magic“ mit der großartig klingenden Begleitung von Gitarre und Klarinette aus dem aktuellen Programm „Media Magica“ und mit einem weiteren Titel daraus: „Für die Unendlichkeit“, getextet vom Bruchwerk-Dramaturgen Pierre Stoltenfeldt und musikalisch präsentiert vom Bruchwerk-Musiker Marcel Rudert.
Natürlich kommt auch Milan Pešl zu Wort, seit Beginn 2019 Theaterleiter des Bruchwerk, der noch einmal die kurze, aber bewegte Geschichte „seines“ Theaters Revue passieren lässt. Dass die Gala mit etwa einer Stunde relativ kurz ausfällt, passt auch, denn im Mittelpunkt des Abends soll die Feier stehen: Erinnerungen, Meinungsaustausch und ein leckeres Büffet in den Bruchwerk-Fluren, von Milan Pešl und seinem Team liebevoll dekoriert: seiner Frau Teresa, die im Bruchwerk für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, sowie Dramaturg Pierre Stoltenfeldt. Und Tim Lechthaler, Geschäftsführer und Produktionsleiter, der wie auch Steffen Mues erst kurz vor Gala-Beginn dazu stoßen: Sie hatten noch eine Sitzung des Stadtrates: Mues als Bürgermeister, Lechthaler als SPD-Stadtverordneter. Dabei ging es vor allem um Geld – und damit auch um Kultur.
Stationen
Milan Pešl wird vor 50 Jahren in Gosenbach geboren, macht am Gymnasium auf der Morgenröthe 1994 Abitur, einer Schule, an der er vom Theatervirus infiziert wird. Durch Lothar Naumann und Dorothea Fuß, die ihren Schülerinnen und Schülern durch Literaturkurse und Theaterstücke die Liebe zur Sprache wecken. Für Milan zunächst Neuland, denn zunächst will er Musiker werden: Er spielt Gitarre, Banjo, Ukulele, Bass, erst in Teenagerbands, dann aber in der damals angesagten Heavy Metal-Formation „Accuser“.
Die Wende zum Theater kommt, als ihm sein Lehrer Lothar Naumann eine Rolle in „Außer Kontrolle“, einer englischen Boulevard-Komödie, gibt. Er spielt einen Kellner, der all die Verwirrungen der Handlung moderiert, bei der es natürlich auch eine Leiche gibt. Sechs Mal tritt er von je 500 Zuschauern in der gymnasialen Aula auf, sechs Mal Jubel. „Das hat gekracht“, sagt Pešl, „die Unmittelbarkeit des Theaters zwischen Bühne und Publikum packt mich bis heute.“ Er studiert Theaterwissenschaften in Hamburg, erhält am dortigen Thalia Theater sein erstes Engagement. Seine nächsten Stationen sind Karlsruhe, Bruchsal, Gießen. Am dortigen Theater lernt er auch seine Ehefrau Teresa kennen.
Für den Projektchor Schacht:Licht und Schacht:Finsternis, der unter der Leitung von Ute Debus steht, werden noch Sängerinnen und Sänger gesucht. Erstes Treffen: Montag, 17. Juni, 19.30 Uhr, im Bruchwerk.
Fragen an Milan Pešl
Was war Ihre Idee, in einer Stadt, die schon ein Theater hat, noch ein weiteres zu gründen?
Es war meine Unzufriedenheit mit dem Stadttheater-System, aus dem ich komme. Das Publikum wird immer älter, neues fühlt sich nicht angesprochen. Ich bin mir sicher, dass Theater außer zur Unterhaltung auch zu mehr Diskussion darüber führen muss.
Gab es Austausch oder Zusammenarbeit mit dem etablierten Apollo-Theater?
Nicht bis Werner Hahn zum Apollo kam, der einen offeneren Blick auf das Theater der Gegenwart hatte, vor allem die Jugend ansprechen wollte. Der war bis zu seinem so plötzlichen Tod oft zu Gast im Bruchwerk. Das klappt heute mit dem neuen Apollo-Intendanten Markus Steinwender, mit dem ich eine ähnliche Biografie habe, wesentlich besser. Wir machen gemeinsame Jugendtheater-Projekte, freuen uns auf die Produktion Schacht:Licht- Schacht:Finsternis im Rahmen der 800-Jahr-Feier unserer Stadt. Theater geht nur gemeinsam.
Was waren für Sie prägende Ereignisse in diesen fünf Jahren?
Das Ein-Personen-Stück, „All das Schöne“, in dem ich die Hauptrolle spielten durfte und Vincenz Türpe Regie führte. Es ging um Depressionen, ein Thema, das in meiner Familie vorkommt, aber auch in Künstlerkreisen verbreitet ist und gerne aber totgeschwiegen wird. Vor allem aber auch „Eiscafé Venezia“, unsere erste Studioentwicklung, die ich mit meinem Co-Regisseur konzipiert, geschrieben und Regie geführt habe.
„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ – gab es letztere auch?
Und wie! Vor allem in der Corona-Zeit, die uns, wir hatten gerade mal zwei Theaterstücke präsentieren können, voll erwischt hat. Wir mussten zwar das Bruchwerk nicht schließen, konnten mit neuen Formaten experimentieren, weil die Fördergelder weiterhin flossen. Doch wir sind uns als Team manchmal an die Gurgel gegangen, hätten aus Angst und Unsicherheit um die Bruchwerk-Zukunft fast alles hingeworfen.
Haben Sie Grund, sich auf die Zukunft zu freuen?
Aber sicher! Wir blicken gespannt auf Formate, die andere nicht haben: Die Impro-Werkstatt, die aus 40 Menschen im Alter von 20 bis 70 Jahren besteht. Elisabeth Nelhiebel vom Apollo-Theater hat ein Theaterprojekt für Menschen über 60 Jahren ins Leben gerufen, das im Juni 2025 erstmals Premiere feiern wird. Und: Im Jahr 2025 wollen wir „Bühne für Südwestfalen“ werden. Dann sollen Bruchwerk-Produktionen nach ihren Uraufführungen in Siegen auch in Lüdenscheid, Bad Laasphe, Hilchenbach und anderen Orten präsentiert werden können.
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