Hilchenbach. Das Pflegehotel Addeberg über der Hilchenbaćher Siedlung ist startklar. Einer erster Rundgang durch das ehemalige Richard-Martin-Haus.

Die Magnetwand im Büro von Irina Riedel könnte auch in einer Hotel-Rezeption angebracht sein. 26 Zimmer, ein Kalender und farbige Kärtchen, mit denen Reservierungen markiert werden. Viele für sechs oder zehn Tage, manche für zwei oder drei Wochen. Der erste Gast will am 10. März ankommen. Und das wird er auch, wenn der Kreis Siegen-Wittgenstein den Frühstart des Pflegehotels Addeberg zum 6. März genehmigt, so wie ihn Guido Fuhrmann beantragt hat.

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Schon gebucht: Gäste kommen aus ganz Deutschland

Insgesamt 16 Buchungen sind schon notiert. Viele haben keine weite Anreise, kommen aus Kreuztal, Hilchenbach und anderen Kommunen des Kreisgebietes. Manche aber auch aus Düsseldorf, Kassel, Ulm oder Karlsruhe. „Dabei haben wir noch gar keine Werbung gemacht“, sagt Guido Fuhrmann. Es ist nicht nur die Lust auf Urlaub über den Tälern von Hilchenbach, die die Gäste in das umgebaute Richard-Martin-Haus lockt. Sondern auch die Not. Denn in diesem besonderen Hotel werden Gäste gepflegt, wenn ihre Angehörigen, die sonst zu Hause für sie sorgen, einmal ausfallen, zum Beispiel, weil sie selbst einmal Ferien brauchen. Kurzzeitpflegeplätze in Pflegeheimen sind aber nun einmal knapp.

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Guido Fuhrmann; zu Gast "Initiative Zukunft im Alter" mit Gudrun Roth und Gisela Glaubitz

© Steffen Schwab | Steffen Schwab

Nicht teurer als ein „normales“ Hotel

Ein sanftes, dunkles Rot, nahe am Bordeaux-Rot, ist die Grundfarbe, die sich in den Zimmern und Aufenthaltsräumen immer wieder findet, auf den Bezügen von Sesseln ebenso wie auf den Tischdecken. Im großen Saal, mit Tischen und Stühlen, Sesseln und Klavier, Kaffeebar und Kuchentheke schon fertig eingerichteten Saal hat Besuch Platz genommen: die Hilchenbacher „Initiative Zukunft im Alter“, kurz: IZA, in der sich vor knapp einem Jahr ältere Bürgerinnen und Bürger zusammengefunden haben, um in der Stadt mitzumischen. Die Themen Wohnen und Pflege stehen ziemlich weit oben auf der Agenda.

Das ist IZA

Die Idee zu der Initiative Zukunft Alter (IZA) kam Gudrun Roth bei einem Besuch des Müsener Männer-Frühstückstreffs. Gut zehn Seniorinnen und Senioren treffen sich seit einem Jahr regelmäßig, um ihrer Altersgruppe, wie sie selbst sagen, „in der Öffentlichkeit und im politischen Raum eine Stimme zu geben“. Ihr Ziel: gutes Wohnen und Leben im Alter in Hilchenbach.Eines der ersten Themen war die anstehende Neugestaltung des Hilchenbacher Marktplatzes. Die Gruppe hat Vorschläge für Querungshilfen mit Rollator und Rollstuhl und eine farbliche Kennzeichnung der Auto-Fahrspur gemacht. Die nächsten Treffen finden am 6. März, 24. April, 25. September und 27. November jeweils um 15 Uhr im Sitzungszimmer des Rathauses statt.

Irina Riedel spricht über Voll- und Halbpension für Angehörige, die im Pflegehotel ebenso willkommen sind, und über die Krankengymnastik, die sie für einen im Sommer angekündigten Gast bereits organisiert hat. „Wir können alles“, sagt Guido Fuhrmann. Irina Riedel und David Blechert, die das Haus leiten werden, kommen aus der Altenpflege, gehörten zum Team des Helberhausener „Abendfrieden“, als es noch von Guido Fuhrmann betrieben wurde. Das Pflegehotel ist Kurzzeit- und Tagespflege in einem, der Aufenthalt wird so weit aus verschiedenen Budgets der Pflegeversicherung finanziert, dass ein Eigenbeitrag zwischen 45 Euro pro Tag für ein kleineres Zimmer und 70 Euro für die Zwei-Betten-Suite übrig bleibt. „In der Urlaubszeit wird das etwas teurer“, sagt Guido Fuhrmann, „wie im richtigen Leben.“ Und in einem richtigen Hotel.

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Apropos richtig: Hannelore Schnurr, einst im Abendfrieden-Sozialdienst und inzwischen selbst in Rente, ist Garantin dafür, dass das mit dem Urlaub auch wirklich hinhaut. Da gibt es eben nicht, wie zu Hause und im Pflegeheim gern nachempfunden, gemeinsames Kochen. Sondern gemeinsame Ausflüge. „Das geht auch mit Gästen, die erhebliche Einschränkungen haben.“ Und Bingo. Und Quiz. Und Kino. „Wir haben auch eine richtige Leinwand mit Beamer.“ Hannelore Schnurr wird das Betreuungsteam so fit machen, dass alle Gäste ihren Urlaub so genießen können, wie es ihnen gut tut.

Die „Initiative Zukunft im Alter
Die „Initiative Zukunft im Alter" besucht das neue Pflegehotel. Das Café mit Kuchentheke könnte Ziel für einen Spaziergang werden. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Begehbare Kleiderschränke und gefüllte Minibars

Das Haus hat sich verändert. An die Rückseite sind zwei Außen-Treppenhäuser als Rettungswege angebaut, an der Vorderseite wird der Altan gebaut, ein großer Balkon mit Treppe in den Garten. In den oberen Etagen sind die Zimmer, erreichbar über das Treppenhaus mit den neu hinter doppeltes Glas gebrachten Zunft-Malereien, ein Erbe des Richard-Martin-Hauses, das vor fast hundert Jahren als evangelisches Arbeiter-Erholungsheim gebaut wurde. Hinauf geht es auch mit dem neu eingebauten Aufzug, in die Zimmer hinein mit widerstandsfrei zu öffnenden Türen, mit riesigen Bädern, die Suiten sogar mit begehbaren Kleiderschränken. Und Minibars, aus denen sich die Gäste auch mit Wein und Bier bedienen können, auf eigene Kosten. Ein richtiges Hotel eben.

Das ist das Haus

Das Pflegehotel Addeberg ist 1927 als Richard-Martin-Heim eröffnet worden, eine Stiftung des Hilchenbacher Leimfabrikanten Hugo Holdinghausen an den rheinisch-westfälischen Verband evangelischer Arbeitervereine. 2009 gab die Evangelische Arbeitnehmerbewegung (EAB) den Betrieb des Erholungsheims, das nach dem Krieg Lungenheilstätte des Kreises Siegen und von 1954 bis 1967 als Schülerwohnheim für das Jung-Stilling-Gymnasium genutzt wurde, auf. Guido Fuhrmann kaufte das Gebäude im Jahr 2010.

„Dass Pflegebetten so schön sein können“, freut sich Gudrun Roth, die auch am Bettaufbau den mittlerweile vertrauten Rot-Ton wiederentdeckt. Die städtische Ehrenamts-, Senioren- und Behindertenbeauftragte ist zusammen mit der IZA-Gruppe gekommen, die sich über Kosten, Tagesablauf, Hilfsmittel und Freizeitangebote informieren. Die Blicke bleiben hängen an den Fotos in den Fluren und in den Zimmern. Hilchenbach-Idyllen in Farbe, wie zum Beispiel den plätschernden Hadem-Bach. Und Geschichte in Schwarz-Weiß: Stadtansichten mit dem EAB-Heim noch allein oben auf dem Berg oder aus der Zeit, als das Haus als Schülerwohnheim für das Jung-Stilling-Gymnasium diente.

Das Team braucht noch Verstärkung

Nicht alle 26 Zimmer werden von Anfang an belegt werden können – es fehlt noch an Personal in allen Bereichen: Pflege, Betreuung, Hauswirtschaft, Küche, „Wir sind zwar gut aufgestellt, aber wir suchen auf jeden Fall Verstärkung“, sagt Guido Fuhrmann. Wer im Pflegehotel Addeberg arbeitet, wird nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst bezahlt und hat – für den Pflegebetrieb unüblich – Weihnachten und Silvester dienstfrei. Hinzu kommen, so wirbt Fuhrmann, „eine geile Location und ein innovatives Konzept“.

Es geht in den Keller, mit Küche, Räumen für die Tagespflege, Ruheraum und Personalräumen. Und dem technischen Highlight: einer Treppe, die die Ebenen im Untergeschoss verbindet, deren Stufen sich zu einer Plattform zusammenfalten können, die sich als Lift für Rollstuhl und Rollator in Bewegung setzt. So barrierefrei, dass die Frage der Gäste nach der holprigen Zufahrt aus der Siedlung kommen muss. „Um mir eine Straße leisten zu können, muss ich doch erst mal Geld verdienen“, gibt Guido Fuhrmann zu bedenken – an die drei Millionen Euro stecken immerhin schon in dem Umbau, der vor zweieinhalb Jahren begonnen hat.

Gudrun Roth auf der Treppe, die sich in einen Lift verwandelt.
Gudrun Roth auf der Treppe, die sich in einen Lift verwandelt. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Guido Fuhrmann führt auch in das Badezimmer mit der schönsten Aussicht auf die Stadt. „Da wird einem erst mal bewusst, wie reizvoll das hier ist“, sagt Gisela Glaubitz, die Sprecherin der Initiative Zukunft Alter. Guido Fuhrmann weiß das – er erzählt, wie er für das eigene Alter ein Stück vom oberen Flur als privaten Wohnbereich abtrennen will.

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Wie das denn eigentlich aussehe, wenn man länger bleiben wolle, fragt dann auch jemand. „Das möchten wir nicht“, antwortet der Hausherr, „wir wissen um die Not der Kurzzeitpflege.“ Damit diese Plätze nicht verloren gehen, würde auch ein Star wie Udo Lindenberg, der ein Hotel zu seinem festen Wohnsitz gemacht hat, hier nach zwei oder drei Wochen abreisen müssen. Zumindest ein regelmäßiger Cafébetrieb auch für Nicht-Hotelgäste müsse aber drin sein, fordert einer der Besucher. Das sei „alternativlos“. Guido Fuhrmann widerspricht nicht. Im Team ist sogar eine gelernte Konditorin.

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