Netphen. Ergiebige „Schatzsuche“: Ideen von der Beachbar bis zur Picknickwiese. Und: Der Hufeisenplatz bringt einen Hauch Stadt aufs Land.
„Wir wollen Netphen schöner machen“, sagt Bürgermeister Paul Wagener, als er die große Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern zur „Schatzsuche“ begrüßt. „Nicht nur einkaufen, sondern wohlfühlen“ sollen sich Menschen in der Innenstadt. Nötig dafür sei „Ihr Blick für Schönes und weniger Schönes“, sagt der Bürgermeister: „Wir sind auf Ihre Ideen und Anregungen gespannt.“ Er wird nichts Überraschendes erfahren: Es sind vor allem viele Kleinigkeiten, die auf den Wunschzetteln der Schatzsucher stehen. Gegenüber den großen Würfen sind sie regelrecht skeptisch.
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Das Parkdeck: Beachbar Basketballfeld, Minigolfplatz
Das bekommt Stadtplanerin Christine Loth gleich oben auf dem dritten Parkdeck des Rewe-Markts zu spüren, wo die beiden Rundgänge durch Nieder- und Obernetphen beginnen. Geparkt wird hier nie – die Netphener finden offensichtlich zu ebener Erde genug Platz für ihre Autos. Wie es hier mit einem Basketball-Spielfeld wäre? Oder im Sommer mit einer Strandbar? „Das könnte man doch mal ausprobieren“, regt Christine Loth an, die in den nächsten Wochen ein „integriertes Stadtentwicklungskonzept“ für Netphen erarbeiten soll. „Von mir aus auch ein Minigolfplatz“, sagt CDU-Stadtverordnete Alexandra Wunderlich aus Salchendorf.
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„Hier ist am Wochenende ordentlich Randale“, berichtet eine Netphenerin über das dritte Parkdeck, und auch in den Etagen darunter sei „schwer was los“. Dass sich Freizeitanlagen hier oben lange halten, glauben eine Reihe von Schatzsuchern nicht. Christine Loth lenkt den Blick nach unten: auf die in eine Fußgängerzone übergehende Talstraße, auf den zugeparkten Hufeisenplatz. „Wenn man hier nicht auf Seite springt, wird gehupt“, berichtet ein Netphener, „der absolute Hammer.“
Die Tagesklinik: Kita, Jugendzentrum, Rathaus-Filiale
„Schön fängt mit sauber an“, fällt einer Schatzsucherin unten an der ehemaligen Tagesklinik ein. Das Gebäude gehört nun der Stadt. „Was wollen Sie?“, fragt die Stadtplanerin und wirft das Stichwort „Mehrgenerationenwohnen“ in die Runde. Klaus-Peter Wilhelm, Fraktionsvorsitzender der UWG, widerspricht: Die Stadt soll das Gebäude selbst nutzen, zum Beispiel für Verwaltungszwecke. „Echt, ist das Rathaus zu klein?“, staunt jemand. Eine Kita könnte dort hinein. Oder der Jugendtreff – dann könnte der Ratskeller wieder Kneipe werden. Denn an gastronomischen Angeboten, darüber ist sich die ganze Gruppe einig, mangelt es in Netphen-Mitte gewaltig. „Von der Restbrücke bis hier nur Dönerbuden.“ Und in der ehemaligen Marktschänke am Obernetpher Marktplatz keinen Alkohol.
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Obernetphen: Neue Ufer, Cafés und Kneipen
Unterwegs werden der Gruppe von der anderen Straßenseite Stichworte zugerufen. Kita! Spielplatz! Auch das wird auf den Bierdeckeln notiert. Radwege? Fragt Christine Loth nach. „Haben wir genug.“ An der Einmündung der Bahnhofstraße in die Lahnstraße merkt man der Siegenerin die Ortsfremdheit an: „Ich habe hier immer das Gefühl, ich käme nicht lebend über die Straße.“ Viel bedeutsamer ist der Blick auf die verschlossene Tür auf der anderen Straßenseite. „Bruchs Café gibt es nicht mehr“, bestätigt Ortsbürgermeisterin Dorothee Spies. Wieder einer weniger. Um mal auszugehen, „muss man sich ja ins Auto setzen“, klagt eine Netphenerin. „Oder den Bürgerbus nehmen“, schlägt Dorothee Spies vor. Dem fehlt es inzwischen nicht nur an ehrenamtlichen Fahrern, sondern auch an Fahrgästen.
Am Marktplatz in Obernetphen fällt der zuwachsende Obernaubach auf. Freischneiden? Sitzstufen anbrinen? Aber setzt sich dann auch jemand hin? Schafft der städtische Bauhof das alles? Auf dem Rückweg am Rathaus vorbei an die Sieg. „Nicht so schön wie in Siegen, aber hier fällt auch keine Studentin einen Baum“, meint Klaus-Peter Wilhelm. Auf der anderen Seite der Bahnhofstraße steht das verlassene Wohnhaus mit der Nummer 27. Es gehört, wie der Nachbar an der Talstraße, der Stadt. „Wenn die durchgreifende Idee kommt, können wir da mit dem Bagger durchfahren“, sagt Harald Zeeden, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung.
Die Promenade: Biergarten, Marktstände, Spielplatz
„Also, hört mir mal alle zu.“ An dieser Stelle lässt Christine Loth nicht locker „Das wäre eine Superpromenade.“ Von den Ufer-Stufen durch die beiden Gärten zum Hufeisenplatz. Mit einem Biergarten, Marktständen und einem Spielplatz. „Wenn sich herumspricht, dass es hier schön ist, gehen die Menschen auch in die Geschäfte“, sagt Harald Zeeden. Was ein Anreiz wäre, sich in Netphen niederzulassen –. derzeit sind die Immobilien im Einkaufszentrum derartige Ladenhüter, dass jetzt sogar Verkaufsflächen als Kellerboxen vermarktet werden. Die Promenaden-Idee scheint realistisch zu sein: Von der Idee, zwischen Rewe und Quartier Talstraße ein weiteres Wohn- und Bürohaus bauen zu lassen, verabschiedet sich die Stadt gerade – mangels interessierter Investoren.
Wenn zwischen Rewe und Ärztehaus die Promenade mit Aufenthaltsqualität entsteht, könnten auf dem Hufeisenplatz sogar ein paar Parkplätze bleiben. Allzusehr beruhigen sollte man diese wenig ansehnliche Fläche nicht, rät Christine Loth: „Hier treffen sich die Leute, weil sie sich sonst nirgendwo treffen.“ Und die vermeintlich lästigen umherkreisenden Autos seien ja auch, zumindest für junge Leute, ein Ersatz fürs Schaulaufen: „Das macht ja auch ein bisschen was Städtisches aus.“
Am Ziel: Siegbrücke, Picknickwiese, Urban Gardening
Díe beiden Schatzsuche-Gruppen treffen sich am Rande des Rathausplatzes. Dort, auf den Sitzstufen zur Lahnstraße und unter dem Zeltdach, hocken auch die jungen Netphener, nach deren Interessen die Schatzsucher sich unterwegs gelegentlich gefragt haben. Auf Leinen gespannt werden die Bierdeckel mit den ganzen Ideen von unterwegs: Ein Gründach über die Neumarkt-Passage kommt noch dazu, Trittsteine oder vielleicht sogar eine neue Brücke über die Sieg zur Braas, Liegebänke, Picknickwiese und Urban Gardening am Bahnhofstraßen-Ufer. Zwei Planungsworkshops im Juli und August werden nun folgen. Mitte September soll der neue Stadtmitte-Plan stehen
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