Siegen. Ukrainer, die in Siegen ankommen, benötigen Unterkunft und Verpflegung. Auf Basis von Spenden bekommen sie die vom Heimatverein Achenbach.
In kürzester Zeit hat der Heimatverein Achenbach ein Hilfsprojekt für Flüchtlinge aus der Ukraine aufgebaut, die in Siegen ankommen. Bis für diese ein Ort zum Wohnen gefunden ist, benötigen sie eine erste, kurzfristige Unterkunft. Die bietet der Heimatverein an und möchte für die Flüchtlinge auch über die die ersten Tage hinaus ein Anlaufpunkt sein.
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Geschätzt 150 Menschen sind in Achenbach bereits aufgenommen worden. „Wir wollen den Menschen eine Heimat auf Zeit geben“, sagt Günther Langer, erster Vorsitzender des Heimatvereins. „Das ist unser Grundmotto.“ Ein Fehler, der in Deutschland im Herbst 2015 gemacht worden sei, dürfe sich dieses Mal nicht wiederholen: „Die Flüchtlinge dürfen nicht in Massenunterkünften untergebracht werden. Die Kinder brauchen ein normales Umfeld, das ist für sie ganz wichtig.“ Die Schlafplätze, die der Heimatverein in Achenbach Verfügung stellt, dürften daher nur als Übergangslösung dienen, bevor die Flüchtlinge privaten Wohnraum beziehen.
Das wird geleistet
Geht ein Anruf ein, muss es schnell gehen. Wenn Flüchtlinge aus der Ukraine in Siegen eintreffen, meldet sich entweder die Stadt oder es rufen Privatleute an, die zum Beispiel ihre Familienangehörigen in Empfang genommen, aber keine Schlafgelegenheit für sie haben. Der Heimatverein bietet diesen Menschen einen vorübergehenden Schlafplatz, bis für sie eine langfristige Unterkunft gefunden ist. Insgesamt 17 Schlafplätze, fünf im Sozialkaufhaus an der Achenbacher Straße und zwölf im Heimathaus, hat der Heimatverein innerhalb kurzer Zeit in den eigenen Räumlichkeiten aufgebaut. Was im Sozialkaufhaus im unteren Stockwerk ein Gymnastikraum war, ist nun ein Raum mit Schlafmöglichkeiten für fünf Personen. Ebenso wurde das Museum im Heimathaus umfunktioniert.
Flüchtlingshilfe
Wer den Heimatverein Achenbach bei seiner Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine unterstützen will, kann sich melden unter 0271/23 41 93 62 oder tamara.schmidt@wgb-achenbach.de. Wer mit Spenden helfen möchte, kann diese beim Sozialkaufhaus Achenbach in der Achenbacher Straße 115 abgeben. Mehr Infos unter siegen-achenbach.de.
Wer neu angekommen ist, erhält zur Begrüßung eine Tüte unter anderem mit Hygieneartikeln oder, wenn benötigt, auch Windeln. Darüber hinaus, sagt Günther Langer, bekommen Flüchtlinge aus der Ukraine in den Sozialkaufhäusern alles, was sie benötigen, umsonst. Wenn sie die Unterkunft in Achenbach verlassen, dürfen sie, bis auf das Bett, alles mitnehmen: Kleidung, Bettwäsche. Ebenso kostenlos wird den Flüchtlingen sowohl im Sozialkaufhaus als auch im Heimathaus W-LAN angeboten. „Das ist für die Menschen ganz wichtig, sie wollen sich ja informieren“, betont Günther Langer. Das Restaurant „net(t)werk“ dient als Treffpunkt für die Flüchtlinge – auch denen, die bereits eine Unterkunft gefunden haben.
Das ist geplant
Was zunächst ein Freizeitraum für Jugendliche werden sollte, wird nun Raum für mehr Flüchtlinge aus der Ukraine. Geplant war auch nicht, den Bau so schnell voranzutreiben. Vor einigen Tagen erst hat Günther Langer zusammen mit Freiwilligen kurzfristig auf der Baustelle weitergearbeitet. Und sie sind weit gekommen: „Das ist Ende der Woche fertig“, verspricht Langer. Damit werden im Sozialkaufhaus Achenbach weitere 20 Flüchtlinge einen vorübergehenden Schlafplatz finden können.
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Um den Kindern ein Stück Normalität zu bieten, plant der Heimatverein, ihnen Schulunterricht zu geben. Eine pensionierte Lehrerin, die ukrainisch spricht, werde das übernehmen, sagt Günther Langer. Die Hauptschule Achenbach möchte das Projekt begleiten: „Wir wollen ja schließlich, dass alle Vorgaben eingehalten werden“, sagt Langer. Es soll den Kindern dabei helfen, ihre Kriegserlebnisse zu vergessen.
Die Menschen
Im Gymnastikraum des Sozialkaufhauses ihr vorübergehendes Lager bezogen haben vier junge Männer aus Nigeria, die in einer Stadt nahe Kiew studiert haben. 40 Stunden waren sie unterwegs und haben Siegen nachts erreicht. Sie benötigen die Hilfe des Heimatvereins, der ihnen im Sozialkaufhaus eine erste Unterkunft bietet. Anyanwu Modest Ugochukwu hat bis vor Kurzem Medizin studiert: „Ich habe meinen Freund verloren, er wurde erschossen.“ Genau genommen, sagt Günther Langer, seien sie für die vier Nigerianer nicht zuständig, sie müssten Asyl beantragen. „Bei uns wird aber trotzdem niemand abgewiesen“, betont Langer. Der Plan ist, dass sie in Deutschland weiterstudieren können. Aus diesem Grund habe er bereits mit der Universität Siegen telefoniert. Damit das klappt, benötigen sie zuerst eine Aufenthaltserlaubnis.
Bereits eine Unterkunft bezogen hat eine Familie aus Dnjepropetrowsk und Odessa, sie sind in einem ehemaligen Studierendenwohnheim in Geisweid untergekommen. Sieben Frauen und acht Kinder haben Siegen in der Nacht auf Sonntag, 6. März, nach vier Tagen erreicht. Zunächst hatte der Heimatverein ihnen im Heimathaus in Achenbach einen ersten Schlafplatz geboten. Ihre Brüder, Väter und Ehemänner mussten die Familie in der Ukraine zurücklassen, weil Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren aus dem Land nicht ausreisen dürfen. „Alles, was wir aufgebaut haben, mussten wir zurücklassen“, erzählt die 59-jährige Großmutter der acht Kinder. „Aber wir sind total glücklich, dass wir hier aufgenommen wurden und uns so viel gegeben wurde.“
Kind möchte zurück in die Ukraine
Ella hat in Odessa in einem 16-stöckigen Haus direkt am Meer gewohnt. Die 30-Jährige ist aber umgezogen, „aus Angst, dass das Haus attackiert wird.“ Den Keller ihres Wohnhauses konnte sie zum Schutz nicht aufsuchen: „Der Keller ist zu klein für alle, die dort wohnen.“ Ella berichtet, sie habe in großer Entfernung beobachtet, wie ein Schiff zerstört wurde. In Odessa selbst sei aber nichts passiert.
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„Es ist schmerzhaft, dass wir alles zurücklassen mussten“, sagt Eugenia. Besondere Sorgen macht sich die 35-Jährige um die Kinder: „Wir haben Angst, dass sie durch die Erlebnisse psychische Probleme bekommen.“ Ein fünfjähriges Kind, berichtet Eugenia, habe die halbe Nacht geweint, weil es zurück in die Ukraine möchte. „Sie haben ihrem Kind gesagt, dass das zur Zeit nicht geht“, sagt die 35-Jährige.
Wenn die Mutter im Ausland arbeitet
Von besonders problematischen Fällen berichtet Tamara Schmidt, Beirätin des Heimatvereins Achenbach. Es gebe nicht wenige Familien, in denen die Mutter im Ausland arbeitet und das Kind beim Vater in der Heimat ist. In einem aktuellen Fall sei das fünf Jahre alte Kind mit seinen Großeltern nach Siegen gekommen. „Die Mutter, die in Frankreich arbeitet, wird bald hierher fahren und ihren Sohn abholen.
Das wird gebraucht
Das Wichtigste, sagt Günther Langer, ist privater Wohnraum: „Wenn Sie welchen zur Verfügung stellen können, melden Sie sich bitte bei der Kommune.“ Gebraucht werden außer Geld- auch Sachspenden. Insbesondere Reisebetten, Kopfkissen und Bettdecken, Hand- und Badetücher sowie Hygieneartikel besonders für Frauen und Kinder. Zudem werden Fahrer und Fahrzeuge für den Transport innerhalb von Siegen gesucht. Um bei Übersetzungen zu helfen, sucht der Heimatverein darüber hinaus Menschen, die ukrainisch oder russisch sprechen.
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