Siegen. Es passiere an einem Abend vor etwa genau zwei Jahren – oder auch nicht: Angeklagter und „das Mädchen“ haben unterschiedliche Erinnerungen.
. „Wenn ich gewusst hätte, was dabei herauskommt, wäre ich an dem Tag nie zu meiner Schwester gegangen“, lässt der junge Mann aus dem Kosovo übersetzen. Verständlich. Weil er dort auch die Schwester seines Schwagers traf und nun vor Gericht steht, weil er sie gegen ihren Willen vehement sexuell bedrängt haben soll.
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Frau klagt über Schlafstörungen und Ohnmachtsanfälle
Was der 21-Jährige B. allerdings vor der 2. Großen Strafkammer als Jugendkammer des Siegener Landgerichts entschieden bestreitet. Nach seiner Darstellung hatte er seine Schwester am 6. Mai 2020 direkt von der Arbeit kommend besucht und eigentlich gehen wollen, als die Schwägerin samt kleinem Bruder ebenfalls vorbeischaute. Er sei aber von seinem angeblichen Opfer gebeten worden, zu bleiben. Nach 22 Uhr kam auch sein Schwager von der Arbeit, es sei gemeinsam gegessen und dann gespielt worden. Irgendwann ging der Schwager ins Bett, der Angeklagte selbst will sich auch müde auf die Couch zum kleinen Bruder der mutmaßlich Geschädigten gelegt haben, der bereits früher nicht mehr hätte wach bleiben können. „Das Mädchen“, wie er seine ein Jahr ältere Schwägerin durchgehend bezeichnet, sei im Laufe des Abends schon einmal eine halbe Stunde weggewesen und dann wiederum aus der Wohnung verschwunden, „als ich im Halbschlaf war“. Mehr gebe es nicht zu erzählen.
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Nach ihrer Anzeige hingegen will sie mit ihrem kleinen Bruder und dem B. eine Zeitlang allein auf der Couch gewesen sein. Er habe sich die Hose ausgezogen, sie genötigt, mit ihm aufreizende Videos zu schauen, und bedrängt. Die junge Frau hat nach der Anklage zwischenzeitlich einmal das Bad aufsuchen können und von dort Freunde angerufen. Schließlich gelang ihr die Flucht aus der Wohnung. In der Folge will sie Schlafstörungen und mehrere Ohnmachtsanfälle gehabt haben.
Eifersucht als Motiv?
Vielleicht habe ihm „das Mädchen“ Probleme machen wollen, weil er mit einer anderen verlobt sei, überlegt B. auf die Frage des Gerichts nach Gründen für die Anzeige. Nach der Heirat seiner Schwester mit ihrem Bruder habe die Schwägerin seinen Vater gefragt, ob er sie nicht heiraten könne. Das gehöre sich nicht, „mein Vater hat nur gelacht“. Überhaupt stehe „das Mädchen“ im Ruf, ungewöhnlich offen mit Beziehungen und Jungs zu sein, gelte als Freigeist. Einmal habe sie beim Flaschendrehen Geschichten über ihr „erstes Mal“ erzählt: „Ich habe mich geschämt.“
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Als die Anschuldigungen erstmals publik wurden, sei ihm von ihrem Vater versichert worden, „ich glaube Dir und nicht meiner Tochter“. Er selbst liebe seine Verlobte, die im Kosovo lebe, von ihm aber oft besucht werde. Das hätte er nie für eine wie „das Mädchen“ riskiert. Er könne notfalls auch heimlich andere Etablissements aufsuchen, wenn er denn solche Gelüste bekäme. Er werde aber nicht „die Ehre der Familie schädigen und Dinge tun, für die ich mich schämen muss“.
Zweifel an Darstellung des Angeklagten
Das mutmaßliche Opfer wird erst am 30. Mai gehört. Allerdings sind Gericht, Staatsanwältin und Nebenklagevertreterin nicht ganz zufrieden mit dem, was der 21-Jährige erzählt. Es gibt diverse Widersprüche zu seiner ersten Vernehmung 2021 bei der Polizei. Da hatte B. zum Beispiel behauptet, bereits seit eineinhalb Jahren verlobt zu sein. Tatsächlich aber besteht die Verlobung erst seit Juli 2020. „Also nach der angeklagten Tat. Was war denn nun der Anlass für die Verlobung?“, fragt die Vorsitzende Richterin Sabine Metz-Horst kritisch. Er habe das so gesagt, weil die Beziehung ja schon länger bestanden habe, wehrt sich G. und beruft sich zugleich auf seine Aufregung auch im Gericht. Er habe noch nie mit der Justiz zu tun gehabt, weder im Kosovo noch in Deutschland, wo er seit 2017 mit seiner Familie lebt.
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Staatsanwältin Jahan Memarian-Gerlach ist irritiert, dass G. immer nur vom „Mädchen“ spreche, und allein bei ihr nie den Namen benutze. Das sei unbewusst, umgangssprachlich, antwortet der Angeklagte, ohne bei seinem Gegenüber große Überzeugung zu ernten.
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