Siegen/Freudenberg. „Extrem heftige Anschuldigungen“: Ein Siegener soll seine Freundin massiv kontrolliert, ins Gesicht geschlagen und mehrfach vergewaltigt haben.
Eine von psychischer und körperlicher Gewalt geprägte „Liebesbeziehung“ verhandelt die 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Siegen seit Dienstag. „Ich war sehr verliebt und habe gedacht, dass alles gut wird. Ich habe versucht, das alles runterzuspielen“, sagt das mutmaßliche Opfer, eine Freudenbergerin (24).
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Auf der Anklagebank sitzt ein 27-jähriger Siegener, gegen den die Staatsanwaltschaft Siegen schwere Vorwürfe erhebt: Er soll seine Ex-Freundin, die auch als Nebenklägerin auftritt, in der Zeit von Juni 2019 bis Juli 2021 unter anderem mehrfach ins Gesicht geschlagen und mindestens drei Mal vergewaltigt haben.
Staatsanwaltschaft Siegen verliest elf Anklagepunkte – Opfer kämpft mit Tränen
Insgesamt elf Anklagepunkte verliest Staatsanwältin Katharina Burchert. Neben Körperverletzung und Vergewaltigung werden dem Beschuldigten Beleidigung, Sachbeschädigung und Verbreitung pornografischer Schriften vorgeworfen – in allen Fällen soll seine ehemalige Freundin die Geschädigte sein. Sie kämpft immer wieder mit den Tränen.
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Der Angeklagte schweigt, lediglich sein Verteidiger Carsten Marx gibt nach Verlesung der umfangreichen Anklageschrift eine kurze Erklärung ab: „Das sind extrem heftige Anschuldigungen. Das ist eine sehr einseitige Darstellung.“ Der Verteidiger spricht von einer „toxischen und intensiven Beziehung in beide Richtungen“, von einem „Hin und Her“. „Wem kann man was glauben?“, fragt Marx. Genau dieser Frage will die Kammer an den drei geplanten Verhandlungstagen auf den Grund gehen. Der Anwalt will Widersprüche in polizeilichen und gerichtlichen Aussagen der Nebenklägerin erkannt haben.
Nebenklägerin: Siegener forderte Beweisfotos und Live-Standorte – und drohte
Was die 24-jährige Nebenklägerin unter Tränen berichtet, klingt jedenfalls tragisch: „Man hat von Anfang an gemerkt, dass er sehr eifersüchtig ist. Er hat mich erniedrigt und mir Sachen unterstellt, die nie waren“, erinnert sie sich an die Anfänge der Beziehung. Der Angeklagte sie schon damals kontrolliert und etwa Beweisfotos und einen Live-Standort gefordert, um überwachen zu können, wo sie sich gerade aufhielt – und mit wem. Kam die junge Frau seinen Forderungen nicht nach, habe er ihr mit Schlägen gedroht oder in der gemeinsamen Wohnung randaliert.
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Es sei nicht viel Zeit vergangen, bis sich aus den anfänglichen Beleidigungen, Drohungen und Erniedrigungen rohe physische Gewalt entwickelt habe. Aus Angst und Liebe habe sie dies über etwa anderthalb Jahre über sich ergehen lassen — bis sie aus Verzweiflung schließlich ihre Familie einweihte und daraufhin Anzeige gegen ihren Ex-Freund erstattete. „Ich bin in eine Abhängigkeit gerutscht. Ich war nicht in der Lage dazu, es zu beenden“, so die 24-Jährige zu den Gründen, weshalb sie ihren damaligen Freund nicht schon früher verlassen hatte.
Mutter des mutmaßlichen Opfers: „Sie hat permanent Angst gehabt
Neben der 24-Jährigen wurde auch ihre Mutter als Zeugin gehört. „Sie hat permanent Angst gehabt“, sagt die 52-Jährige über ihre Tochter, die sich während der damaligen Beziehung zum Angeklagten stark verändert habe: „Sie hat Kontakte abgebrochen, sich aus sozialen Medien abgemeldet und ist zurückhaltender geworden.“ Außerdem habe die Freudenbergerin enorm an Gewicht verloren.
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Weil das Pärchen damals in demselben Haus wie die Mutter der 24-Jährigen lebte, habe diese des Öfteren lautstarke Auseinandersetzungen mitbekommen. „Ich habe gehört, dass er ganz furchtbar aggressiv war“, so die 52-Jährige, die von den angeklagten Straftaten damals noch nichts gewusst habe. Zwei Mal habe sie den Angeklagten in Vergangenheit wegen seines aggressiven Verhaltens gegenüber ihrer Tochter schon vor die Tür gesetzt.
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Ein Zeuge (57), seit 2015 wichtige Bezugsperson des Angeklagten, beschreibt diesen als höflich und hilfsbereit, wenngleich manchmal auch explosiv und verbal aggressiv. Laut Zeuge habe der Angeklagte einst berichtet, dass dessen Ex früher zu ihm gesagt habe: „Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, dann mit niemandem. Dann zeige ich dich an.“
Die Beweisaufnahme dauert an, Fortsetzungstermine: 13. und 20. Juli.