Burgholdinghausen/Detmold. . Stück für Stück setzen die Experten das Fachwerkgebäude aus Burgholdinghausen wieder zusammen. Ziel: Möglichst viele Originalteile benutzen.

Seit mehr als 50 Jahren liegen tausende Einzelteile des ehemaligen Haus Stöcker im Lager. Bald werden sie wieder zusammengefügt: In akribischer Kleinarbeit werden die hölzernen Bestandteile des über 200 Jahre alten Fachwerkgebäudes im LWL-Freilichtmuseum Detmold restauriert. Umfangreiche Vorarbeiten sind bereits geleistet, die ersten Mauerteile stehen bereits im Siegerländer Weiler, der ebenfalls umgebaut werden musste.

Forschung im Bereich Baudenkmalpflege

Ein Grundsatz im Aufbaukonzept des LWL-Freilichtmuseums Detmold ist es, historische Originalbauten zu zeigen. Um sie im Museum aussagekräftig zu präsentieren, müssen die Gebäude zuvor gründlich erforscht werden.

Dazu dienen verschiedene Methoden der historischen Bauforschung. Um die Originalbauten auf Dauer zu erhalten, werden spezielle Behandlungsweisen und Techniken eingesetzt. Bei Themen wie Bautenschutz, Holzschutz oder Klimatechnik ist das Freilichtmuseum als Initiator und Partner der Forschung aktiv.

Um diese Kenntnisse zu vertiefen und weiterzureichen, kooperiert das Museum mit der Fachschule für Baudenkmalpflege und Altbauunterhaltung in Detmold. Darüber hinaus steht das Museum mit Universitäten und Forschungseinrichtungen in Verbindung, um unmittelbar von den neuesten Erkenntnissen der Baudenkmalpflege zu profitieren.

1. Das Dorf. Der Siegerländer Weiler soll die 1960er Jahre zeigen. Bislang sind dort die Tankstelle aus Niederschelden (1951) und die Kapellschule aus Werthenbach zu sehen. Mit dem Haus Stöcker wird das erste Wohngebäude der Baugruppe aufgebaut.

2. Die Geschichte. 1797 erwarb der Jude Benjamin Moses in Burgholdinghausen ein Stück Land, baute dort ein für die damalige Zeit sehr modernes Wohnhaus. Es stand vollständig auf einem hohen Bruchsteinsockel, war damit besser vor Bodenfeuchte geschützt – von Vorteil für die Wohnverhältnisse. Moses war Kaufmann, er benötigte also keine befahrbare Diele mit Einfahrtstor wie ein Bauer. Als Zugang genügte eine Haustür. Der Name „Stöcker“ tauchte erst mit einem Besitzerwechsel um 1860 auf. Die Familie Stöcker bewohnte das Gebäude bis 1959, wenig später wurde es abgerissen. Seit 1965 liegt es in Einzelteilen beim LWL.

 
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3. Die Straße. Die Wege im Dorf müssen gebaut werden. Die Dorfstraße ist 175 Meter lang, etwa vier Meter breit und umfasst eine Fläche von rund 780 Quadratmetern. Das Haus Stöcker selbst hat eine Grundfläche von etwa 100 m². Insgesamt werden rund 1000 m² Fläche bearbeitet. Die Mitarbeiter des Freilichtmuseums haben als Vorbild für die Dorfplanung übrigens den untergegangenen Ort Obernau gewählt: Heute ist dort die Obernau-Talsperre, für deren Bau außerdem die Orte Nauholz und Teile Brauersdorfs aufgegeben werden mussten, insgesamt 365 Menschen wurden umgesiedelt.

 
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4. Die Baugrube. Schweres Gerät rückt an, die Bagger rollen, bewegen Erde für Straße und Fundament. Das Haus Stöcker hatte ursprünglich Streifenfundamente aus Bruchstein. Am neuen Standort ist das wieder so – allerdings aus Beton, um die Standsicherheit zu gewährleisten. Innerhalb einer Woche wurden die Gräben ausgehoben und drei Tonnen Bewehrungsstahl eingebaut. Schließlich rollten die Betonmischer an und verbauten in kürzester Zeit rund 35 Kubikmeter Beton.

 Möglichst viel von der Substanz soll erhalten bleiben.
 Möglichst viel von der Substanz soll erhalten bleiben. © LWL

5. Das Fachwerk-Puzzle. 2017 begannen die Vorbereitungen für den Aufbau von Haus Stöcker. Die einzelnen Hölzer des Fachwerks wurden gesichtet und Wand für Wand ausgelegt – im wahrsten Sinne des Wortes ein Puzzle. Bei der Demontage 1963 wurden Nummernpläne erstellt, die jeden Platz jedes Holzstücks zeigen. Wand für Wand digital erfasst und in eine Bauzeichnung am Computer übertragen. Hier ein Holznagel, dort eine Farbspur oder ein Abdruck.

6. Die Reparaturen. Alle Fachwerkteile werden auf Schäden begutachtet und möglichst restauriert. Ziel des Freilichtmuseums ist es, möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten. Holz wird nur dort ausgewechselt, wo die Substanz tatsächlich zerstört ist. Ist zum Beispiel nur ein Zapfenloch ausgebrochen, wird nur der beschädigte Bereich durch neues Holz ersetzt und zimmermannsmäßig eingefügt. Nach der vollständigen Restaurierung wird jede Wand wieder auseinandergebaut, eingelagert und die nächste Wand restauriert. Anhand der Nummernpläne werden sie später, wenn alle Teile restauriert sind, zum fertigen Haus Stöcker zusammengesetzt.

 
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7. Die Spuren. Holznägel, Farbreste oder Abdrücke verraten als Befunde auf den Konstruktionshölzern des Fachwerks etwas über Umbauten, die Gestaltung der Räume oder die Nutzung – und damit über die Geschichte. Die LWL-Fachleute suchen, zeichnen, fotografieren sie (Befundkartierung) – aber vor allem müssen sie sie verstehen: Die Spuren sind oft klein und unscheinbar. Erst die Betrachtung aller Befunde im Zusammenhang ergibt meist ein genaueres Gesamtbild und damit ein Verständnis früherer Zustände. So fanden sich etwa Zierschnitzereien.

8. Der Aufbau. Die Gebäuderestauratoren der Fachrichtung Stein haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt, sie legen den Bruchsteinsockel an. Vor Ort mischen sie Mörtel aus Trasszement, Sumpf- und Trasskalk, Weser- und Sennesand an und mauern die Wände. Der Stöcker-Sockel ist aus harter Grauwacke, der zwar sehr witterungsbeständig ist, sich aber nur schwer bearbeiten lässt, die Steine müssen also so verarbeitet werden, wie sie aus dem Steinbruch kommen.

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