Siegen/Düsseldorf. Öffnungen mit Schnelltestregime, Perspektive für Menschen: Siegener Landrat und Bürgermeister fordern neue Corona-Strategien und mehr Impfstoff.
Landrat Andreas Müller und Siegens Bürgermeister Steffen Mues fordern von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet neue Wege im Umgang mit der Pandemie. Vor dem Hintergrund erheblicher Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bevölkerung und durchaus vorhandener Alternativen – Schnelltests, digitale Kontaktnachverfolgung – soll Siegen-Wittgenstein Modellregion werden. Das hatte das Land in Aussicht gestellt. Entscheidend ist dabei ein Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Kommunen eine Art lokale Kompetenz zugestanden hatte, so etwas selbst vor Ort zu entscheiden.
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Mehr Öffnungen in Siegen-Wittgenstein ermöglichen
Landrat Andreas Müller bezieht sich dabei auch auf die Aussage Angela Merkels: „Wir sind ein föderaler Staat. Keinem Bürgermeister ist verwehrt, das zu tun, was in Tübingen passiert.“ Die grün regierte Stadt knüpft Öffnungen unter anderem an Schnelltests.
Für die jüngsten Lockdown-Verschärfungen hatte sich der Kreis noch grünes Licht in Düsseldorf eingeholt. Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen verschärften Lockdowns brauche es eine Perspektive für die Bevölkerung, um sie zu ermutigen, die Regeln einzuhalten. Das könnten weitgehende Öffnungen sein, die im Gegenzug auf einem strengen Schnelltest-Regime basieren, so Müller in einem Brief an Laschet. Siegen-Wittgenstein soll dazu Modellkommune werden, bittet Müller zusammen mit Steffen Mues. Und falls das Land dem nicht entspreche, so der Landrat, bitte man um Erlaubnis, vor Ort selbst Regelungen zu treffen, auch wenn das womöglich von der aktuell geltenden NRW-Coronaschutzverordnung abweichen würde.
Siegen-Wittgenstein will in der Corona-Krise auf Schnelltests und die Luca-App setzen
Man müsse zwingend in eine neue Phase im Umgang mit der Pandemie eintreten, so Müller weiter: Gravierende Eingriffe in die Grundrechte der Bevölkerung seien nur zu rechtfertigen, solange es keine Alternativen gebe. „Doch die gibt es jetzt: durch Schnelltests und eine digitale Kontaktnachverfolgung“, so Müller, der davon ausgeht, dass die Gerichte die harten Einschnitte nicht mehr lange mittragen werden. Außer Lockdown ist Bund und Land in der Tat bisher nicht viel eingefallen, um das Infektionsgeschehen zu beherrschen.
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Die Landesregierung habe etwa den Vorschlag, Gottesdienstbesuche an einen negativen Schnelltest zu koppeln, nicht mitgetragen – nur eines von vielen Beispielen. Siegen-Wittgenstein solle Modellregion für die „Öffnung des öffentlichen Lebens unter den Bedingungen der Corona-Pandemie mit Schnelltest- und digitalem Nachverfolgungskonzept“ werden, sobald es die örtliche 7-Tage-Inzidenz verantwortungsvoll zulasse. Einzelhandel und Gastronomie sollten dann dringend für Personen mit aktuellem negativen Schnelltest geöffnet werden, um ein Wiederaufleben wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen. Das gelte auch für kleinere Veranstaltungen. „Unser Kreisgesundheitsamt ist jederzeit in der Lage, die Luca-App einzubinden, die wir zur digitalen Kontaktverfolgung nutzen möchten“, schreibt Müller.
Es brauche jetzt Klarheit und Perspektiven, auch mittelfristig. Freibäder müssten die Gewissheit erhalten, unter Auflagen im Sommer öffnen zu können, sonst würden sie Kosten und Mühen zur Vorbereitung scheuen. Gleiches gelte für Veranstalter. „Und es ist auch wenig sinnvoll, touristische Übernachtungen weiter zu unterbinden, wenn während eines Aufenthalts tägliche Schnelltests erfolgen können.“
Landrat Andreas Müller bittet um mehr Impfstoff für Siegen-Wittgenstein
Andreas Müller bittet Ministerpräsident Armin Laschet „ganz offiziell dringend“, dem Kreis zusätzliche Impfstoff-Kontingente zur Verfügung zu stellen. Siegen-Wittgenstein gehöre, so Müller in dem Brief an Laschet, zu den Kreisen mit den höchsten Inzidenzwerten. Zudem sei Siegen Oberzentrum, die umliegenden Kreise in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen hätten ebenfalls hohe 7-Tages-Inzidenzen und und die Mobilität auch über Landesgrenzen hinweg sei trotz Lockdowns groß: „Das wird bis auf weiteres Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben.“
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Müller verweist auf den Modellversuch im Nachbarkreis Altenkirchen, der zusätzlichen Impfstoff erhalten hatte. Er sei verwundert, so der Landrat, dass andere NRW-Kommunen die Impfung der über 80-Jährigen bereits beendet hätten, während dies in Siegen-Wittgenstein nach derzeitigem Stand frühestens Ende April der Fall sei. Einziger Engpass sei der vom Land zur Verfügung gestellte Impfstoff, „das kann ich nicht nachvollziehen.“ Es mangele lediglich an Impfdosen, man wolle sehr zeitnah mit der Impfung der über 70-Jährigen beginnen, so das Land denn mehr Biontech oder Moderna zur Verfügung stelle.