Heringhausen. Der Gasthof Nieder in Heringhausen findet neue Wege, um das Erbe von Wolfgang Nieder fortzuführen. Ein Familienbetrieb mit Herz und Geschichte.
Schon als Kind ist Andre Nieder gern durch den elterlichen Gasthof in Heringhausen geflitzt - hat die Teller der Gäste abgeräumt und sich über das Trinkgeld gefreut. Heute ist er 36 Jahre alt und führt den Gasthof zusammen mit seiner Lebensgefährtin Cindy Plotnick (35) in der vierten Generation. Und mit Söhnchen Thilo (2) saust inzwischen bereits die fünfte Generation durch den Gastraum.
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Es ist eine große und schmerzhafte Lücke, die das Jahr 2024 vor wenigen Wochen gerissen hat. Eine Lücke in der Familie. Eine Lücke im Gasthof. Eine Lücke im gesamten Dorf. Seit Vater, Opa, Ehemann und Gastwirt Wolfgang Nieder im Oktober mit 71 Jahren seinem Krebsleiden erlag, ist im Gasthof Nieder vieles nichts mehr wie es vorher war. „Man sagt zwar immer, jeder ist ersetzbar“, zitiert Cindy Plotnick ein bekanntes Sprichwort. „Aber das stimmt einfach nicht. Wolfgang ist nicht ersetzbar.“
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Wolfgang Nieder war der klassische Bilderbuch-Gastwirt und jahrzehntelang das Gesicht der Wirtschaft. „Wolfgang kannte seine Gäste und wusste viel über sie und ihre Geschichte. Teilweise sogar bis zu drei Generationen zurück“, sagt Cindy Plotnick. Er sei immer jemand gewesen, der den Kontakt zu seinen Gästen gesucht hat. Der sich gerne auch mal dazu gesetzt hat. „Genau deshalb war er so beliebt und bekannt wie ein bunter Hund“, berichtet sie und lächelt. Den Gasthof 14 Tage nach dem Schicksalsschlag wieder zu öffnen, sei nicht leicht gewesen. „Aber wenn es nach Wolfgang gegangen wäre“, da ist sich die Familie sicher, „dann hätten wir direkt am Tag danach schon wieder weitergemacht“. Ja, so sei er einfach gewesen, ergänzt Andre Nieder während Wolfgang Nieders Frau Gudrun (62) zustimmend nickt.

Inzwischen läuft bereits das Weihnachtsgeschäft in dem beliebten Landgasthof, der sich im Laufe der Jahrzehnte einen guten Ruf bis weit hinein ins Ruhrgebiet erarbeitet hat. Das Reservierungsbuch ist voll. Adventsfeiern. Weihnachtsfeiern. Und Gruppen aus dem Ruhrpott und vielen anderen Teilen Deutschlands, die eine weite Anreise in Kauf nehmen, um erst in den Tannenschonungen der Familie Nieder ihren Weihnachtsbaum zu schlagen, beim Glühwein zu entspannen und den Tag bei Kaffee und Kuchen oder einem herzhaften Essen gemütlich ausklingen lassen. Es ist wieder Alltag eingekehrt.

Als gelernter Koch steht Andre Nieder zwar gemeinsam mit Mutter Gudrun und Lebensgefährtin Cindy, die ebenfalls gelernte Köchin ist, die meiste Zeit in der Küche. Aktuell gilt es aber auch noch, Vater Wolfgang so gut es eben geht hinterm Tresen zu ersetzen. „Einen echten Masterplan für die Zukunft haben wir noch nicht so richtig“, sagt Andre Nieder. Aber es läuft aktuell auch ganz ohne einen solchen Plan glücklicherweise ziemlich rund. Die Familie hilft, wo sie kann. Und auch auf die Freunde ist Verlass - sei es hinterm Tresen, oder wenn es darum geht, sich im größten Stress um den kleinen Thilo zu kümmern. Man hält zusammen!

Ebenso wie für Wolfgang Nieder ist auch für Andre Nieder die Gastronomie mehr als nur ein Beruf. Es ist seine Leidenschaft. Es war der 7. Juli 2021 als er den Gasthof der Familie übernommen und ihn nach einem aufwändigen Umbau neu eröffnet hat: neue Möbel, neue Theke, neue sanitäre Anlagen. Fünf Monate hatte sich die Familie während der Corona-Einschränkungen Zeit genommen, um den Gasthof auf das nächste Level zu heben. Und dafür sorgen Andre Nieder, Cindy Plotnick und Gudrun Nieder auch in der Küche - mit viel Liebe und kreativen Ideen.
Legendäre Herrencreme und echtes Handwerk
„Hier gibt es keine 08/15-Schnitzel“, sagt Cindy Plotnick. In der Küche sei noch echtes Handwerk angesagt. Da werden die Schnitzel noch in Butterschmalz gebraten, die Soßen von Grund auf selbst herstellt und sogar die Brötchen für die Burger selbst gebacken. Vor allem, wenn es um Burger und ums Barbecue geht, experimentiert Andre Nieder mit großer Freude. Da liegt dann auch gerne mal eine geschmorte Rinderbrust oder ein Rippchen mit selbstgemachten Dips zwischen den Burgerbuns. Was der Renner auf der gut bürgerlichen Speisekarte ist? Da muss der 36-Jährige nicht lange überlegen: „Ganz klar die Steakpfanne“, sagt er. Und legendär ist bereits seit Ewigkeiten die Herrencreme aus dem Gasthof Nieder. Zuständig dafür ist in der Küche ausschließlich Mutter Gudrun.
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Von der reinen Dorfkneipe aus dem Jahr 1900 ist heute nicht mehr viel übrig. Auch, wenn es immer noch viele Stammtische, Kegelclubs und einen Sparclub gibt: Heute kommen die allermeisten Gäste zum Essen. Das klassische Feierabendbier an der Theke ist auch in Heringhausen inzwischen zur absoluten Ausnahme geworden. Erinnert wird sich allerdings immer noch gern an die verrückten Zeiten von einst - an die Momente, als nach einer verlorenen Wette mal eine Kuh vor der Theke stand, oder zu Karneval ein Pferd auf dem Flur. „Hier hat es wirklich schon alles gegeben“, sagt Andre Nieder. Es sei wirklich schade, dass die Wände nicht sprechen können.
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