Heringhausen. Boris und Nora Adler kommen, wenn der Haushalt zum Horror wird. Bei dieser Geschichte musste sich sogar der Profi schütteln.
Viel schlimmer und schneller kann der Alltag nach der Rückkehr aus einem entspannten Urlaub wohl nicht einkehren. Wenn Boris Adler aus Heringhausen diese Geschichte erzählt, muss sogar er sich schütteln. Dabei ist er als Schädlingsbekämpfer, der bereits seit 20 Jahren selbstständig im Geschäft ist, eigentlich deutlich Schlimmeres gewohnt. „Der Kunde ist nach Hause kommen, hat den Toilettendeckel geöffnet und im Wasser lag eine tote Ratte“, erzählt der 42-Jährige. Für die einen der Horror! Für Boris Adler und seine Frau Nora ein Auftrag – einer der schnelleren Sorte: Ein beherzter Griff ins Klo und das Problem war gelöst. „Aber schön war das trotzdem nicht“, sagt Adler und lächelt.
Winzige Motten flattern aus Schränken, Mehlkäfer krabbeln über den Küchenboden, massenweise kleine Fliegen surren durch die Wohnung. Boris Adler und seine Frau Nora kommen dann ins Spiel, wenn die Lage wirklich ernst ist und die Menschen daheim mit den eigenen Hausmittelchen nicht mehr weiterkommen. Backpulver bei Ameisen? Boris Adler fasst sich an den Kopf. „Bringt überhaupt nichts“, sagt er. Genauso wenig wie Chlor oder Essigessenz.
Man glaube gar nicht, was manch an einer anstelle, um zu versuchen, ungebetene Gäste wieder aus dem Haus zu bekommen. „Wir sind schon in Wohnungen gekommen, da haben uns direkt nach dem Betreten die Augen gebrannt, weil vorher mit allem experimentiert worden ist, was der private Chemiebaukasten so hergibt“, sagt Adler. Im ersten Moment seien die Tiere dann vielleicht weg, aber in aller Regel suchen sie sich danach einfach einen neuen Weg.
„Viele Menschen schämen sich, wenn sie einen Schädlingsbekämpfer anrufen müssen und zögern deswegen oft sehr lange“, weiß Nora Adler und stellt direkt klar, dass eine solche Scham völlig unangebracht ist. Denn: Wer glaubt, dass Schädlingsbekämpfer vor allem in heruntergekommenen und dreckigen Haushalten zum Einsatz kommen, der irrt gewaltig. Natürlich gebe es auch solche Fälle. „Aber die allermeisten unserer Einsätze finden in Wohnungen statt, die wirklich tip-top sind“, sagt Nora Adler.
Weil Adlers um die Scham vieler Kunden wissen, prangt auch keine Werbung auf dem Bulli. „Das ist so ein Sauerland-Ding“, erklärt Boris Adler und lacht. Im Ruhrgebiet fahren seine Kollegen mit fetten Schriftzügen auf dem Auto durch die Gegend. „Und hier wirst du am Telefon oft als erstes gefragt, ob man sieht, wenn wir kommen, weil es den Leuten peinlich ist, wenn die Nachbarn sehen, dass der Schädlingsbekämpfer vor der Tür steht.“
„Wir sind schon in Wohnungen gekommen, da haben uns direkt nach dem Betreten die Augen gebrannt, weil vorher mit allem experimentiert worden ist, was der private Chemiebaukasten so hergibt.“
Das wochen- und teils monatelange erfolglose Herumexperimentieren daheim, kann sich am Ende sogar rächen. Denn: „Der Faktor Zeit spielt bei der Schädlingsbekämpfung eine große Rolle“, macht der Experte deutlich. Ganz abgesehen davon, dass es nicht gesund sei, in einer Wohnung zu leben, in der es nach Chlor riecht oder nach Essigessenz stinkt. Am sinnvollsten sei es, frühzeitig einen der Schädlinge oder Lästlinge einzufangen und ihn bestimmen zu lassen. So lasse sich gezielt nach der Ursache suchen und eine mögliche Bekämpfung einleiten. Denn die erfolgt sehr gezielt und nicht mit der großen Chemiekeule. Man müsse sich immer klarmachen, dass alles, was gegen die Tiere wirkt, auch Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben kann, weiß der Schädlings-Experte. Nicht umsonst dauere die Ausbildung zum Schädlingsbekämpfer drei Jahre, in denen sich das meiste um Biologie, Chemie und Mathematik drehe.
21 Jahre war Boris Adler alt, als er sich mit seinem Unternehmen selbstständig gemacht hat. Inzwischen gibt es kaum mehr etwas, dass er in seinem Berufsalltag noch nicht erlebt hat. Gut erinnern kann er sich noch an einen Fall, in dem beim Kunden immer wieder Fliegen aus der Steckdose kamen. Die banale wie eklige Ursache: Der Elektriker, der die Steckdose installiert hatte, hatte zu tief in die Wand gebohrt und dabei minimal ein dahinter liegendes Kanalohr beschädigt, aus dem Tiere heraus durch die Steckdose in alle Räume geflogen sind.
Ein Schädlings-Klassiker in Privathaushalten sind überlagerte und falsch gelagerte Lebensmittel. Reiskäfer, Kornkäfer, Mehlmotten, Dörrobstmotten, Brotkäfer. Sie legen ihre Eier und vermehren sich. Weil Nora Adler in ihrem Berufsalltag schon viel gesehen hat, sind die Lebensmittel in der Küche des Hauses Adler weitgehend luftdicht gelagert: Kakao, Zucker, Müsli, Reis, Mehl, Nudeln - alles ist fein säuberlich beschriftet in einer großen Schublade in Gläsern verstaut. Sicher ist sicher!
Auf Nummer sicher gehen Adlers auch, wenn sie aus dem Urlaub zurückkehren: Um sich keine Bettwanzen ins Haus zu schleppen, werden die Koffer nach der Reise nur in der Waschküche geöffnet. Grundsätzlich seien Bettwanzen in der heimischen Region zwar eher kein großes Thema, weil das Klima für sie nicht geeignet sei. Hat man sie dann aber doch im Haus und gibt ihnen die Zeit sich zu vermehren, hat das in der Regel einen enormen Aufwand zu Folge.
„Viele Menschen schämen sich, wenn sie einen Schädlingsbekämpfer anrufen müssen und zögern deswegen oft sehr lange. Aber die allermeisten unserer Einsätze finden in Wohnungen statt, die wirklich tip-top sind.“
Gerade einmal einen einzigen Bettwanzen-Fall hatten die Adlers im vergangenen Jahr als Auftrag. Aber der hatte es in sich: Die Bewohnerin einer Gesundheitseinrichtung hatte die Tiere eingeschleppt. „Das ist natürlich der Worst Case in einem solchen Haus“, weiß Adler. Aufgrund strenger Hygienevorschriften in Deutschland haben die Schädlinge in derlei Einrichtungen zwar keine große Chance auf ein langes Leben. Aber erstmal müsse das besagte Zimmer ja schließlich wieder frei von Wanzen werden.
„Bettwanzen machen wirklich keinen Spaß, weil sie sich in den kleinsten Spalten und Nähten, hinter Bildern und sogar hinter Tapeten und in Steckdosen einnisten“, sagt Adler. Hysterisch müsse man bei dem Thema in Deutschland aber beim besten Willen nicht werden, ergänzt er und lacht, weil ihm in diesem Zusammenhang die Geschichte eines Bekannten einfällt. Der hatte sich ganz aufgeregt von einer Abschlussfahrt telefonisch aus einem Hotelzimmer bei ihm gemeldet. „Die hatten quasi die Koffer schon wieder gepackt und wollten abreisen, weil sie eine Wanze im Zimmer entdeckt hatten und es sie überall gejuckt hat“, erzählt der Schädlings-Experte, der sich daraufhin ganz unaufgeregt ein Foto des entdeckten Tieres hatte schicken lassen. Ergebnis: Es war keine Bettwanze, sondern eine Baumwanze, die sich ins Zimmer verirrt hatte. Und das Jucken der Abschlussfahrt-Teilnehmer kam von zahlreichen Mückenstichen.
Aber es gibt eben auch die echten Schädlingsfälle – und das sogar reichlich: Die eine Hälfte von Adlers Auftraggebern sind Privatkunden, die andere Hälfte bilden Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen. Hier sind Nora und Boris Adler vor allem auch präventiv unterwegs – damit es erst gar nicht erst zum Befall kommt. Nur in den seltensten Fällen verläuft eine für den Tag geplante Auftragstour so, wie sie ursprünglich vorgesehen war.
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„Wenn vom gerade entdeckten Wespennest im Kindergarten eine Gefahr ausgeht, in der Bäckerei eine Ratte gesehen wird oder irgendwas im Krankenhaus ist, ziehen wir das vor“, sagt Adler. „Die weniger dringenden Fälle werden dann am Abend drangehängt“, ergänzt er. Denn Boris und Nora Adler wissen ganz genau: Wer bei ihnen anruft, hat in der Regel ein ernsthaftes Problem. Und so groß die falsche und unnötige Scham der Kunden auch sein mag: Irgendwie sind sie am Ende dann doch alle glücklich und froh, wenn die Adlers bei ihnen klingeln.
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