Meschede/Paderborn. Drei Polizisten sind da, um sie zu schützen: Eine Frau aus Meschede hätte fast nicht überlebt: über ihre Ehe in der Hölle.

Wenn Ehen zum Thema vor Gericht werden, dann geht es entweder um Scheidung, Unterhalt oder – leider – Sexual- und Gewaltdelikte. Letztere sind Gegenstand einer Anklage gegen einen 46-jährigen Familienvater, der, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, seiner Ehefrau das Leben zur Hölle gemacht hat – über etliche Jahre in Meschede.

Fünf gemeinsame Kinder

Auf der Anklagebank sitzt ein Mann mit eisigem Gesichtsausdruck, der immer wieder finstere Blicke auf die Frau im Zeugenstand richtet. Dort sitzt seine Gattin, zehn Jahre jünger als er. Während er zu dem schweigt, was ihm die Staatsanwaltschaft Paderborn zur Last legt, gibt die 36-jährige Mutter von fünf gemeinsamen Kindern mit dem Angeklagten bereitwillig und offen Antwort auf jede der vielen Fragen, die an sie gerichtet werden. Eine junge Frau, die klar, strukturiert und in bewundernswert beherrschter Weise über eine Hölle berichtet, die vor 19 Jahren eigentlich der Himmel auf Erden hätte werden sollen – und es auch hätte sein können, wenn der Ehemann nicht schon nach wenigen Wochen ein Wesen offenbart hätte, das mit Haustyrann schmeichelnd umschrieben wäre.

Um Sexual- und Gewaltdelikte gegen seine Ehefrau geht es in diesem Prozess.
Um Sexual- und Gewaltdelikte gegen seine Ehefrau geht es in diesem Prozess. © picture alliance/dpa | Oliver Berg

Ein Wesen, das den Familienvater schließlich vor Gericht gebracht hat, weil er seine Frau mehrmals mit Gewalt zum Sex gezwungen haben soll, aber eben nicht nur das: Zwei gewalttätige Übergriffe im Sommer 2022 wirft die Staatsanwaltschaft dem 46-Jährigen ebenfalls vor, der die Mutter seiner Kinder die Treppe hinuntergestoßen und geschlagen haben soll – einmal so schwer, dass die Frau eine Verletzung an der Halswirbelsäule erlitt, aufgrund derer ihr bei einer Operation Wirbel versteift werden mussten.

Abwertung und Demütigung

Was angeklagt ist, soll in Paderborn geschehen sein. Hört man der 36-Jährigen aufmerksam zu, so könnte dies nur die Spitze eines Eisbergs gewesen sein – der Rest liegt unter der Oberfläche des Familienlebens, das in Meschede vor 19 Jahren begann. Dort lebte der Syrer mit deutschem Pass samt Frau und Kindern bis vor wenigen Jahren, dort spielte sich nach der 2005 erfolgten Heirat das Martyrium der 36-Jährigen ab, eines aus Beleidigungen, Handgreiflichkeiten, Kontrollsucht, Abwertung und Demütigung. Es könnte auch ein Teufelskreis sein, der in dem Kulturkreis, aus dem das Ehepaar stammt, immer wieder in einem Femizid endet – dem gewaltsamen Tod der Frau durch den Mann, der sie umbringt, weil sie seine kulturellen Vorstellungen von einer gehorsamen und unterwürfigen Ehefrau nicht erfüllt.

„„Immer solche Sachen, die nie stimmten.““

Zeugin
vor dem Landgericht

19 Jahre Ehe mit ihrem Mann hat die 36-Jährige überlebt – knapp, denn drei Mal habe sie nach eigenen Worten versucht, sich das Leben zu nehmen, um der Hölle zu entkommen. Bis sie sich trennte: Jetzt sitzen drei Polizisten in voller Montur im Gerichtssaal, um sie zu schützen. Eifersucht habe ihr Mann schon wenige Wochen nach der Heirat gezeigt, ihr vorgeworfen, sie – damals noch Schülerin – hätte eine Affäre mit ihrem Lehrer. Später war es der Fahrlehrer, dann der Nachbar. „Immer solche Sachen, die nie stimmten“, sagt die Zeugin, sie habe anfangs noch die Hoffnung gehabt, er würde sich mit der Zeit etwas zurücknehmen, aber die habe sich nie erfüllt.

Am Landgericht Paderborn findet das Verfahren gegen den früheren Mescheder statt.
Am Landgericht Paderborn findet das Verfahren gegen den früheren Mescheder statt. © dpa | Friso Gentsch

„Flittchen“ und „Schlampe“

Stattdessen: Ständige Beleidigungen als Flittchen und Schlampe, wenn sie etwas anders gemacht habe als er sich vorgestellt habe, Drohungen, Schubsereien, Schläge. Er habe erwartet, dass sie nur ihm zustimme, berichtet die 36-Jährigen, „deshalb habe ich 16 Jahre lang keinen Kontakt mehr zu meiner Familie gehabt, ich war nur noch seine Ehefrau, so wie er es wollte.“ Sie habe aus Angst vor dem Ehrverlust für ihre Familie nie aufbegehrt, ihr Mann habe schließlich jeden Raum im Haus und damit jede ihrer Bewegungen mit Kameras überwacht.

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Selbst ein angesehener Mann aus ihren Kreisen, „einer auf den alle hören“, habe es nicht vermocht, auf Bitten ihrer Eltern ihren Gatten zu einer Verhaltensänderung zu bewegen – der erfolglose Vermittler habe schließlich bei den Eltern als Zeichen des Abschieds einen Feigenbaum in den Garten gepflanzt und gesagt: „Ihr habt keine Chance, der ändert sich nicht.“

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

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