Schmallenberg. Die Ablehnung einer Stroke Unit ist ein herber Schlag für Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft. Warum das die Notfallmedizin verändert.
„Time is brain“ - Zeit ist Gehirn. Das ist der leitende Merksatz, unter dem (Notfall)Medizin mit einem Schlaganfall umgeht. Denn mit jeder Minute, in der ein Bereich des Gehirns nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, wird das Gehirn beschädigt; schon nach wenigen Minuten können die Schäden irreparabel sein.
Mittlerweile kann mit Schlaganfällen immer besser umgegangen werden, und in immer mehr Krankenhäusern gibt es so genannte Stroke Units (zu deutsch: Schlaganfall-Fachabteilungen), in denen die Patienten vollumpfänglich behandelt werden. „Es braucht Neurologen und Labor rund um die Uhr, genauso wie Radiologie mit CT, aber auch ausreichend Physio- und Ergotherapeuten für die Nachbehandlung“, zählt Dr. Hans-Georg Grobbel auf, ehemaliger Fredeburger Arzt und auch Notarzt aus Schmallenberg.
Kein Zuschlag für eine Stroke Unit - bevor es die überhaupt gibt
Auch in Schmallenberg sollte so eine Stroke Unit entstehen - das Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft hatte sich für eine Stroke Unit beworben, und den Zuschlag in der Krankenhausplanung nicht bekommen. „Die machen gute Erstbehandlung und sie haben einen sehr guten Neurologen angestellt. Aber es fehlen noch die Fachgebiete“, sagt Dr. Grobbel.
Doch viele der Mitarbeitenden sind Stroke-Unit-erfahren und die Lyseabteilung ist auch immer betriebsbereit, so Stefan Schumann, Geschäftsführer des Fachkrankenhauses, vor dem Stadtrat, sodass eine Stroke Unit in Grafschaft Sinn ergäbe.
Fakt ist: Die nächsten Stroke Units sind von Schmallenberg aus im Klinikum Siegen und im Karolinen-Hospital in Hüsten angesiedelt. Beide etwas unter einer Stunde Fahrt entfernt - über die Landstraße, bei passender Witterung und freier Fahrt. Das Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft war gerade im Aufbau einer neurologischen Abteilung und einer Stroke Unit, als jetzt die Absage durch das Land kam.
Über 270.000 Schlaganfälle in Deutschland pro Jahr
„Eigentlich bräuchten wir mehr Stroke Units“, sagt Dr. Grobbel. „Aber wir brauchen auch die Spezifikationen der Abteilungen des Karolinen-Hospitals und der Klinik Siegen.“ Denn ein Schlaganfall, der früher gern noch als halb so wild abgetan wurde, sei mittlerweile ebenso kritisch anzusehen wie ein Herzinfarkt. Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe geht von etwa 270.000 Betroffenen in Deutschland jährlich aus.
BE-FAST-Schema: Schlaganfall schnell erkennen
Bei einem Schlaganfall wird die Sauerstoffzufuhr in gewissen Bereichen des Gehirns abgeschnitten; dadurch kommt es zunächst zu sensomotorischen Auffälligkeiten bei der betroffenen Person, im schlimmsten Fall führt es zum Koma oder sogar zum Hirntod. Etwa vier von fünf Schlaganfälle werden durch einen Thrombus ausgelöst, ein Blutpfropf, der sich zum Beispiel im Bein, am Herzen oder auch in der Halsschlagader bildet, sich löst und dann in den feinen Blutbahnen im Hirn „stecken bleibt“ und damit die Blutzufuhr unterbricht.
Um einen Schlaganfall zu erkennen, ist das BE-FAST-Schema von großer Bedeutung:
Balance (Gleichgewicht): Bei einem Schlaganfall laufen die Betroffenen in der Regel geneigt, schräg, schief, und können die Balance nicht halten.
Eyes (Augen): Kann der Betroffene normal gucken oder hat er Sehstörungen oder gar einen Sehverlust?
Face (Gesicht): Beim Lächeln oder Stirnrunzeln bewegt sich üblicherweise eine Seite anders als die andere oder gar nicht; manchen tropft zum Beispiel auch ein Getränk oder Speichel aus dem Mundwinkel, weil sie den Mund nicht mehr komplett schließen können.
Arms (Arme): Betroffener soll beide Arme mit den Handflächen nach oben ausstrecken und die Augen schließen. Wenn sich ein Arm deutlich hebt oder senkt, ist das ein eindeutiges Zeichen für einen neurologischen Ausfall.
Speech (Sprache): Betroffene reden, als wären sie betrunken, nuscheln oder haben Sprachfindungsstörungen. Manche benutzen auch Worte in komplett falschem Kontext.
Time (Zeit): Wie lang herrscht der Zustand schon vor? Zeit ist Hirn!
Genau deswegen wäre es sogar wichtig, dass das Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft eine Stroke Unit bekommt - damit eben Schlaganfallpatienten vor Ort auch schnell und vollumfänglich versorgt werden können. Aktuell arbeitet das Frachkrankenhaus mit der Stroke Unit in Siegen zusammen, zu der die Patienten mittels Intensiv-Transport-Hubschrauber (ITH) verlegt werden, so Stefan Schumann; notfallmäßig werden sie die Patienten auch weiter erstbehandeln, auch wenn sie ohne die Spezifikation keine Zuschüsse zu der Behandlung bekommen.
Das Problem aber, so Stefan Schumann, könnte der Rettungsdienst werden: Wenn in Zukunft einen Schlaganfall festgestellt werde, werde man wahrscheinlich nicht daran denken, dass man die Patienten nach Grafschaft bringen könnte - man werde sie nach Hüsten oder Siegen transportieren.
Lesen Sie auch:
- Tourismus: Dieses Schmallenberger Hotel wurde zum 11. Mal ausgezeichnet
- Einzelhandel: „Steine in den Weg“: Ärger um Schmallenberger Automatenkiosk
- Politik: Stadtverband in Schmallenberg? Das sind die Pläne der AfD
Dabei könnte der Intensiv-Transport-Hubschrauber der Firma Hagelstein aus Arnsberg und des Vereins Luftrettung Sauerland helfen, der am Flugplatz in Meschede-Schüren stationiert ist. Er könnte die Transportzeiten von Grafschaft nach Siegen oder Hüsten auf einen Bruchteil minimieren - er ist aber immer noch nicht im Einsatz.
Mehr Nachrichten? Folgen Sie der WP Meschede in den sozialen Medien:
- Folgen Sie uns auf Facebook: Westfalenpost Meschede
- Bekommen Sie neue Einblicke auf Instagram: @wp_meschede
- Nichts mehr verpassen auf X: @WPMeschede
- Die WP Meschede auf WhatsApp: WP Meschede
- Das tägliche Update per E-Mail: Der WP-Meschede-Newsletter