Meschede. Einfach nur mal an die frische Luft gehen, wird nicht ausreichen. Ärztin Laura Zantis aus Meschede über Depressionen: Was hilft.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit 322 Millionen Menschen von Depressionen betroffen sind. In Deutschland sind über vier Millionen Menschen betroffen, wobei die eher hohe Dunkelziffer nicht eingerechnet ist.  Mehr als 50 Prozent der von Depression betroffenen Menschen sind unter 30 Jahre alt. Immer häufiger sind auch Kinder und Jugendliche betroffen. Wie genau es zu Depressionen kommt, ist bis heute nicht sicher zu erklären. Die Ursachen sind komplex und können genetische, biologische, umweltbedingte und psychosoziale Faktoren umfassen.

Als psychische Erkrankung sind Depressionen auch heute noch einer gewissen Stigmatisierung unterworfen. Sie zählen zu den häufigsten und am meisten unterschätzen Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Eine Enttabuisierung und vor allem eine Sensibilisierung der Gesellschaft sind als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen. Genau darum geht es der Ärztin Laura Zantis, die nach ihrem abgeschlossenen Medizinstudium in Köln in mehreren LWL-Kliniken gearbeitet hat und heute ärztlich den Sozialpsychiatrischen Dienst des Hochsauerlandkreises leitet. Sie berichtet aus ihrem Alltag.

Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?

Mein beruflicher Schwerpunkt ist die Sozialpsychiatrie. Im Hochsauerland unterteilt sich der sozialpsychiatrische Dienst in die Bereiche „sozialpsychiatrische Hilfen“ und die Fachstelle „Pflege, Alter, Behinderungen“. Die mitarbeitenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beraten, unterstützen und begleiten Menschen in schwierigen Lebenslagen und akuten seelischen Krisen, sowie Personen mit psychischen Erkrankungen oder körperlichen und geistigen Behinderungen. Persönliche Beratungen in unseren Räumen, aber auch Hausbesuche gehören zum Alltag. Wir engagieren uns nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen. Natürlich stehen wir auch für telefonische Beratungen zur Verfügung und selbstverständlich unterliegen alle Mitarbeitenden der Schweigepflicht.

Was genau sollte jeder zum Thema Depression wissen?

Depression ist eine anerkannte Krankheit, die erfolgreich behandelt werden kann. Die Hauptsymptome sind gedrückte Stimmung, Freud- und Interessenverlust und verminderter Antrieb. Dazu können viele weitere Symptome, u.a. Schlaf- und Konzentrationsstörungen kommen. Ohne Behandlung besteht die große Gefahr, dass die Depression länger andauert oder chronifiziert, also sich zu einem beständigen Begleiter entwickelt. Deshalb ist es extrem wichtig, sich frühzeitig Hilfe zu suchen: Der erste Ansprechpartner sollte immer der Hausarzt bzw. die Hausärztin sein. Der sozialpsychiatrische Dienst, ambulante Psychotherapiepraxen, psychiatrische Ambulanzen und (Tages-)kliniken, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen sind weitere wichtige Anlaufstellen.

Freudlos, antriebslos: Depression ist eine Krankheit, die behandelt werden kann.
Freudlos, antriebslos: Depression ist eine Krankheit, die behandelt werden kann. © dpa | Fabian Sommer

Welchen Vorurteilen begegnen Sie im Umfeld von Depressionen?

Sätze wie „Jeder hat mal schlechte Laune“ oder „Reiß Dich doch mal zusammen, geh an die frische Luft, unternimm etwas“, sind geprägt von dem Vorurteil, dass eine Depression von den Betroffenen durch ein wenig Anstrengung überwunden werden kann. Das ist ein großer und leider weit verbreiteter Irrtum. Ein sonniges Gemüt schützt ebenso wenig vor einer Depression wie gesunde Ernährung einen Beinbruch verhindern kann. Auch die Angst vor Antidepressiva ist heute völlig überflüssig: Bei den meisten Medikamenten muss heute keine Abhängigkeit oder eine Persönlichkeitsveränderung mehr befürchtet werden.

Wie sollten Angehörige bzw. Nicht-Betroffene mit Betroffenen umgehen?

Jeder fünfte bis sechste Mensch erleidet im Laufe seines Lebens eine depressive Episode. Leider ist das Krankheitsbild immer noch tabuisiert. Da helfen zunächst Informationen, Aufklärung und vor allem Verständnis für Betroffene und Angehörige. Sie dürfen nicht ausgegrenzt werden, ihre Teilhabe an der Gesellschaft sollte selbstverständlich sein. Dazu kann jeder von uns etwas beitragen: Zeit, Empathie, Alltagsunterstützung und Verständnis wären da wohl die besten Hilfen.

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Infokasten: Laura Zantis, Ärztin des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Hochsauerlandkreises, Gesundheitsamt Fachdienst 37 Steinstr. 27 59872 Meschede. Koordinationsstelle 02931 / 94-4217

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