Eslohe. Nicole Stratmann verlässt nach 28 Jahren im Job die Sparkasse, um etwas Sinnvolles zu machen. Nun leitet sie das Esloher Seniorenheim.
Höher, schneller, weiter - so sollte es im Berufsleben von Nicole Stratmann nicht mehr weitergehen. 28 Jahre war sie bei der Sparkasse Hochsauerland. Mit 47 Jahren macht sie schließlich Nägel mit Köpfen: Weil der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung immer größer wurde, wechselt sie den Job. Mit Mitte 40 habe sie den Drang verspürt, etwas Anderes und „Sinnvolles“ machen zu wollen, sagt sie. Heute ist sie Heim- und Verwaltungsleiterin des Seniorenheims Störmanns Hof in Eslohe - und damit sehr glücklich.
Frau Stratmann, was genau haben Sie bei der Sparkasse gemacht?
Ich habe dort damals zunächst meinen Sparkassen-Betriebswirt gemacht und war in den vergangenen 20 Jahren im Vertrieb als Baufinanziererin tätig. Irgendwann kam dann der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung auf. Ich wollte einfach gern im sozialen Bereich mit Menschen arbeiten und mich wieder auf die wesentlichen Werte konzentrieren und nicht immer nach dem Motto höher, schneller, weiter, leben. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass sich in der Bankenwelt viel verändert hat. Und so habe ich jetzt den für mich perfekten Job gefunden. Ich bin zwar nach wie vor ein Zahlenmensch - aber hier arbeiten wir alle zusammen, mit dem Ziel, dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern gut geht und sie sich hier wohlfühlen.
„Ich wollte einfach gern im sozialen Bereich mit Menschen arbeiten und mich wieder auf die wesentlichen Werte konzentrieren und nicht immer nach dem Motto höher, schneller, weiter, leben. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass sich in der Bankenwelt viel verändert hat.“
Wie war denn der Beginn für Sie im Störmanns Hof?
Angefangen habe ich im Januar 2022 zunächst als Verwaltungsleitung. Als dann mein Vorgänger aus dem Betrieb ausgeschieden ist, haben mich die Geschäftsführer gefragt, ob ich mir neben der Verwaltungsleitung auch die Heimleitung vorstellen könne. Nach einer Bedenkzeit habe ich die Herausforderung angenommen. Natürlich war der Anfang etwas holprig, weil ich noch nicht in allen Bereichen eingearbeitet war. Aber ich habe meine Entscheidung noch keinen einzigen Tag bereut. Dieser Job ist so abwechslungsreich wie kein anderer. Und hier ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass das Leben endlich ist und dass der Tod zum Leben dazugehört. Wir sollten jeden Tag genießen und uns nicht über Kleinigkeiten ärgern.
Was sind die schönen Seiten Ihres neuen Berufes?
Zunächst haben wir ein tolles Team in der Verwaltung. Jeder hilft mir und unterstützt mich, es ist ein tolles Miteinander und eine große Hilfsbereitschaft untereinander. Das gilt im Übrigen auch für die Leitungsebene der verschiedenen Bereiche, wie die Zusammenarbeit mit der Pflegedienstleitung, der Wohnbereichsleitung und der Hauswirtschaftsleitung. Es ist ein schönes Gefühl, dazu beitragen zu können, ein gutes Umfeld für die Bewohnerinnen und Bewohner zu schaffen. Hier zählen Werte, wie zum Beispiel Menschlichkeit. Wir bekommen von den Bewohnerinnen und Bewohnern und auch von den Angehörigen sehr viel Dankbarkeit zurück. Das ist einfach ein schönes Gefühl.
Aber es gibt bestimmt auch Schattenseiten?
Sicherlich! Was uns in unserer Branche das Leben schwer macht, sind immer wieder neue Vorgaben, die es umzusetzen gilt, und die gesamte Bürokratie. Das bindet viel Zeit - Zeit, die wir an anderer Stelle viel sinnvoller nutzen können. Veränderungen, die eigentlich eine Erleichterung mit sich bringen sollen, schlagen viel zu oft ins Gegenteil um. Ich denke hier zum Beispiel an die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Durch ihre Einführung ist es letztlich arbeitsintensiver geworden - und das bei gleichbleibendem Personalschlüssel. Neueste Vorgabe ist es jetzt, dass Dienstkleidung nicht mehr daheim gewaschen werden darf. Sie muss jetzt zwingend in der Einrichtung gewaschen werden - mit der Folge, dass wir in unserer Wäscherei um 20 Prozent aufstocken mussten. Von solchen Beispielen könnte ich noch viele nennen.
Welche Wünsche hätten Sie an die Politik?
Ganz klar: Bürokratieabbau und Deregulierung! Anstatt die Bürokratie abzubauen, werden Vorgänge in der Verwaltung und Dokumentationen in der Pflege immer aufwändiger. Sind die Dokumentationen nicht detailliert genug, wird dies seitens der Behörden bemängelt. Ständig gibt es neue Vorgaben, Forderungen nach neuen Konzepten und Unterweisungen. Ganz aktuell haben wir zum Beispiel eine „Verfahrensanweisung für den Umgang mit Bewohnern mit sexuell gleichgeschlechtlicher Identität“ schreiben müssen. Was ich mir außerdem wünschen würde, wäre eine Vereinfachung und Standardisierung bei der Refinanzierung. Es kann nicht sein, dass die Einrichtungen bei Pflegesatzverhandlungen mehrfach nachverhandeln müssen, um ein auskömmliches Ergebnis zu erzielen. In den vergangenen Monaten ist es bei den Verhandlungspartnern obendrein noch zu erheblichen Rückständen bei der Abarbeitung der Pflegesatzanträge gekommen, sodass immer mehr Einrichtungen massive Liquiditätsprobleme haben. Da muss die Politik tätig werden.
Wie schwer ist es heutzutage Pflegekräfte zu gewinnen?
Das ist sicherlich die größte Herausforderung für die Zukunft. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird bis 2040 nochmal um über 20 Prozent zunehmen. Entsprechend mehr Personal wird bis dahin benötigt. Zurzeit sind wir personell noch gut aufgestellt, aber auch wir merken, dass es immer schwieriger wird, Fachkräfte zu finden. Die Altenpflege ist ein toller Beruf, der leider in den Medien oft als unattraktiv dargestellt wird. Wir haben für dieses Jahr bis jetzt nur einen Azubi - in den vergangenen Jahren hatten wir bis zu fünf. Interessierte können sich jederzeit gerne melden und einfach mal hineinschnuppern. In unserem Haus haben wir sehr gute und faire Arbeitsbedingungen. Es wird stets darauf geachtet, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege nicht zu viele Dienste am Stück machen müssen. Darüber hinaus gibt es Benefits und eine Einspringprämie - also eine Prämie, wenn sich Kollegen kurzfristig bereit erklären, für jemand anderen einzuspringen. Unser Anspruch als Arbeitgeber sind zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da wollen wir attraktiv und besser sein als andere.
„Es ist ein schönes Gefühl, dazu beitragen zu können, ein gutes Umfeld für die Bewohnerinnen und Bewohner zu schaffen. Hier zählen Werte, wie zum Beispiel Menschlichkeit.“
„Kollegen“ ist ein gutes Stichwort. Wie viele Männer arbeiten denn überhaupt im Störmanns Hof in der Pflege?
Das sind leider tatsächlich viel zu wenig. Wir haben insgesamt fünf Männer in der Pflege und einen jungen Mann, der seinen Bundesfreiwilligendienst bei uns im Haus ableistet. Da würde ich mir schon wünschen, dass wir unsere Männerquote steigern könnten. Es ist ja auch für unsere männlichen Bewohner etwas ganz anderes, wenn mal ein Mann ins Zimmer kommt.
Was sind denn die besonderen Herausforderungen in Ihrem Alltag?
Ich weiß nie, was mich am nächsten Tag erwartet, da jeder Tag anders ist. Der Job ist vielseitig und herausfordernd zugleich. Von Finanzen, Controlling, Verwaltung über Personalangelegenheiten bis hin zu Planungen für Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten ist alles dabei. Das erfordert schon eine gute Struktur und Organisation. Zudem wollen wir auf die Mitarbeiter-Wünsche eingehen - etwa wenn es um Anschaffungen geht, die die Arbeit in der Pflege erleichtern. Da ist es nicht immer ganz leicht, den Spagat zwischen den Wünschen und der Einhaltung der Vorgaben sowie der Finanzierbarkeit zu schaffen.
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Hat sich der Alltag in den Seniorenheimen in den vergangenen Jahren verändert?
Dadurch, dass die Verweildauer der Bewohner immer kürzer wird - das ist ja unter dem Stichwort „ambulant vor stationär“ auch politisch gewollt - haben sich die Sterbefälle pro Jahr in den letzten Jahren fast verdoppelt. Dadurch steigt der Verwaltungs- und Pflegeaufwand. Was sich für Bewohner und Angehörige verändert hat, ist vor allem eine enorme Kostensteigerung in den letzten Jahren. Inzwischen liegt der Eigenanteil für Pflege, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten bei monatlich rund 3.500 Euro. 2021 lag er noch bei 2.700 Euro. Diese Steigerung ist schon eine Hausnummer.
Wie sieht ihr persönlicher Arbeitsalltag aus, sitzen Sie mehr am Schreibtisch oder sind Sie mehr in der Einrichtung unterwegs.
Ich sitze zum größten Teil im Büro. Aber wenn ich etwas mit Kollegen oder Bewohnern zu regeln habe, nutze ich die Gelegenheit und gehe auf die beiden Wohnbereiche. Ich hätte tatsächlich gern mehr Zeit, auch für Gespräche mit den Bewohnern, aber das ist oft nicht zu schaffen. Daher versuche ich, mir zumindest bei besonderen Anlässen, die Zeit zu nehmen. Ansonsten habe ich aber natürlich auch in meinem Büro stets ein offenes Ohr für die Belange der Bewohner und Mitarbeiter.
Gibt es eine Begegnung mit einem Bewohner, die Sie in den vergangenen zwei Jahren besonders bewegt hat?
Da gibt es ganz unterschiedliche Begegnungen. Eine Bewohnerin, die wirklich große Schmerzen hat und immer noch sehr lebensbejahend und dankbar ist, erdet mich immer wieder. Und es gibt die schönen Momente, wenn man Bewohnern bei Veranstaltungen Freude bereiten kann und mit ihnen auch mal ein Bierchen zusammen trinkt - das sind für mich unvergessliche Begegnungen.
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