Meschede. Die Familie Altun betreibt seit zwei Jahren den City-Markt in Meschede. Wie sie auf Leerstände, steigende Mieten und ihre Kundschaft blickt.
Der Kaufpark am Bahnhof ist geschlossen, der Aldi zu, der nächste größere Supermarkt von der Innenstadt rund zwei Kilometer entfernt. Zu Fuß ist das kaum zu schaffen. Schon deshalb verändert sich das Klientel im City-Markt in Meschede. Vor allem Senioren, die in der Innenstadt wohnen, kaufen hier ein, aber auch viele Menschen, die dort ein Stück Heimat suchen.
Von Albanien geht es direkt weiter nach Griechenland und über die Türkei, nach Portugal und Deutschland - der City-Markt in Meschede an der Zeughausstraße bietet Produkte aus vielen Ländern. „Wir versuchen, die Wünsche unserer Kunden so gut es geht zu erfüllen“, sagt Dagistan Altun, der das Geschäft seit fast zwei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Nimet führt.
21 Jahre war der 55-jährige Mescheder am St.-Walburga-Krankenhaus im Bring- und Holdienst beschäftigt. Mehrmals hätten sich zuletzt die Gesellschaften geändert, bei denen er beschäftigt war und in der Coronazeit sei er mit dem Job zunehmend unzufriedener geworden. „Ich wollte immer schon mein eigener Herr sein.“
Eine Entscheidung der gesamten Familie
Als Hassan Arslan, der den City-Markt bis dahin betrieben hatte, zurück in die Türkei ging und ihm den Markt anbot, habe er daher nicht lange überlegen müssen. Gemeinsam mit Frau und Kindern entschied sich die Familie für die Selbstständigkeit. „Wir haben das zusammen durchgerechnet“, sagt sein Sohn Botan Altun. Auch der 30-jährige Informatiker steht deshalb wie seine Schwestern Jiyan (29) und Dilba (25), die eine ist Sozialpädagogin, die andere studiert Lehramt, regelmäßig mit im Geschäft, um die Eltern zu entlasten.
Vielfältige Kundschaft - breites Angebot
Die Kundschaft ist bunt gemischt, was auch am breiten Angebot des Marktes von Obst und Gemüse über Fisch, Fleisch, Brot und Konserven liegt. Nach und nach hat Dagistan Altun sein Sortiment ausgeweitet. Und weil jede Nation eigene Vorstellungen hat, gibt es jetzt türkische Butter neben deutscher und arabischer, Bohnen, Öl und Oliven aus Griechenland und der Türkei. Dazu Süßigkeiten aus Portugal, Trilece aus Albanien und ein reichhaltiges Angebot an türkischem Baklawa. Ich frage immer: „Was braucht ihr?“, berichtet Dagistan Altun und dann versuche er es zu besorgen. Drei- bis viermal pro Woche fährt er dafür zum Großmarkt.
Ein Stück Heimat für jeden
Man könnte meinen, es sei egal, welche Dosenbohnen, getrockneten Erbsen oder Butter man nimmt. Doch Dagistan und Nimet Altun wissen: „Jeder sucht hier das, was er aus seiner Heimat kennt. Wenn das Produkt fehlt, drehen sie auf dem Absatz um und gehen direkt wieder raus.“ Botan Altun kann sie verstehen: „Ich esse auch am liebsten türkische Sucuk“, gibt er zu. Die Balkan-Variante der Wurst liegt direkt daneben. Probiert habe er sie, „ist halt Geschmackssache“, sagt er und zuckt die Schultern.
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Kunden aus Schmallenberg und Winterberg
Kunden kämen wegen des Angebots mittlerweile aus Schmallenberg und Winterberg, um hier Produkte ihrer Heimat zu erstehen. „Sie sind froh, dass sie dafür nicht mehr ins Ruhrgebiet fahren müssen. Und wir leisten einen kleinen Beitrag, um Kaufkraft hier zu halten.“ Viele Mescheder Senioren, die in der Umgebung wohnen, nutzten den kleinen Supermarkt, um Dinge des täglichen Bedarfs zu erstehen, seitdem Aldi und Kaufpark geschlossen haben. Botan Altun schätzt, dass sie rund 70 bis 80 Prozent der Kunden ausmachen. „Wir versuchen auch für sie, die Produkte im Großmarkt günstig zu beschaffen, die sie gerade brauchen. Kokos-Flocken für den Kuchen, war zuletzt so ein Wunsch“, erzählt Dagistan Altun.
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Laufkundschaft nimmt ab
Auch wenn es beim Besuch am frühen Abend ein stetes Kommen und Gehen ist, erleben die Altuns, wie die Laufkundschaft in der Mescheder Fußgängerzone weniger wird. „Manchmal schickt mir mein Vater ein Foto mit einer menschenleeren Fußgängerzone. Und fragt: Wo sind die ganzen Menschen?“ Auch Altuns merken, dass sich Geschäfte zurückziehen und Kunden nur schnell zum Einkaufen kommen und dann gleich wieder weiterfahren. „Wenn wir uns irgendwie für die Stadt einbringen können, wollen wir es gern tun“, sagt Dagistan Altun, der seit 40 Jahren in Meschede lebt. „Das ist unsere Heimat.“
Zu hohe Mieten in der Innenstadt
Gern würde die Familie das Ladenlokal vergrößern. Die Nachfrage sei groß genug. „Aber auch da erleben wir die allgemeinen städtischen Probleme“, sagt Botan Altun. „Parkplätze fehlen. Die Mietpreise sind zu hoch. Wir haben uns das mit dem Nachbarlokal, in dem jetzt die Buchhandlung Wortreich ist, mal durchgerechnet.“ Die Vergrößerung wäre einfach, eine Rigips-Wand trennt beide Geschäftsräume. „Aber das wäre für uns nicht zu bezahlen, das Risiko zu hoch.“
Hohe Energiekosten
Hinzu kommen die Energiekosten. „Ich zahle jetzt schon doppelt so viel wie mein Vorgänger“, berichtet Dagistan Altun. Dringend muss er deshalb in neue Kühltheken investieren. „Wir brauchen solche, bei denen die Türen geschlossen werden können.“ Bei den Preisen versucht er, nur das weiterzugeben, was die Lieferanten ihm vorgeben. Um seine Kosten zu dokumentieren, hat er die Preiserhöhung des Bäckers aufgehängt.
Immer wieder in die Selbstständigkeit
Freie Tage? Urlaub? Gibt es kaum. Im Gegenteil, die Familie denkt darüber nach, die Öffnungszeiten noch auszuweiten, um den Kunden, die gerade am Abend einkaufen wollen, entgegenzukommen. Über die Feiertage haben die Kinder den Eltern freie Tage und einen Urlaub in einem Wellness-Hotel in Köln geschenkt. Da standen dann die drei Geschwister im City-Markt. Trotzdem würden Dagistan und Nimet Altun den Schritt in die Selbstständigkeit immer wiederholen. „Ich hätte es nur schon früher machen sollen“, sagt Dagistan Altun.
Hintergrund
Der City-Markt in Meschede ist auf Facebook und Instagram zu finden. Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 16 Uhr.