Schmallenberg. Wie fühlt es sich an in Schmallenberg zu Hause zu sein? Ein Kunstprojekt soll Einblicke verschaffen. Eine Ausstellung ist geplant.

Heimat- was ist das eigentlich? Mit dieser Frage hat sich das Experiment Heimat in ihrem interkulturellem Literatur-und Fotografieprojekt beschäftigt. Neben vielen anderen Orten in Westfalen gehört auch Schmallenberg zu einem Standort des Projekts. Zuständig für Schmallenberg und die Region waren die Autorin Sabrina Janesch und Christina Stohn. Während ihrer Recherche haben sie einige Zeit in Schmallenberg verbracht, um herauszufinden was es bedeutet Schmallenberg als Heimat zu bezeichnen. Im Interview erzählen uns die beiden Künstlerinnen wie sie was sie aus ihrer Recherche mitnehmen konnten.

Was macht das Projekt so besonders für Sie?

Christina Stohn: Die Gruppe der Mitwirkenden setzt sich aus zum Teil sehr renommierten Personen in den Bereichen Literatur und Fotografie zusammen. Dabei treffen Autorinnen und Autoren sowie Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Altersgruppen mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen aufeinander und setzen sich mit neun westfälischen Orten und dem Begriff Heimat auseinander.

Sabrina Janesch: Vor zehn Jahren bin ich nach Münster gezogen, in gewisser Weise ein ganz eigenes, persönliches „Experiment Heimat“. Wann ist man irgendwo angekommen, und welche Aspekte führen dazu? Diesen Prozess einmal beschleunigt durchzuführen, an einem mir gänzlich unbekannten Ort, schien mir sehr reizvoll. Dazu kommt, dass ich ausgesprochen gerne neue Gegenden entdecke, sehr neugierig bin und mich gerne an Orten, Landschaften, kulturellen Traditionen abarbeite.

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Warum unbedingt Schmallenberg? Waren Sie vor Ihrem Projekt schon einmal in der Region?

Sabrina Janesch: Die Autoren und Fotografenteams wurden seitens des Literaturbüros den jeweiligen Orten zugeteilt - es war quasi eine Überraschung! Tatsächlich, obwohl ich, wie gesagt, bereits seit zehn Jahren in Münster lebe, war ich nie zuvor im Sauerland, dementsprechend also auch nicht in Schmallenberg. Es war für mich ein ganz neues Gelände, auf das ich sehr gespannt war.

ChristinaStohn: Schmallenberg wurde mir zugeordnet, ich hatte darauf keinen Einfluss. Vermutlich wegen der Analogie zum Schwarzwald und meinem Projekt Höllental und Himmelreich: Pittoreske Fachwerkhäuser umgeben von einer bergigen Waldlandschaft. 2016 habe ich mich außerdem in Kooperation mit der Westfalenpost im ca. 100 km entfernten Hagen mit dem Strukturwandel Südwestfalens bzw. der Fernuniversität in Hagen auseinandergesetzt.

Zufällige Begegnung mit einem Vater, der seine Tochter vom Schulbus abholte, in Westfeld.
Zufällige Begegnung mit einem Vater, der seine Tochter vom Schulbus abholte, in Westfeld. © Unbekannt | Christina Stohn

Was hat Sie bei Ihrer Recherche besonders beeindruckt und was konnten Sie mitnehmen?

Christina Stohn: Mich hat die Gesprächsrunde mit der Familie Cvijanovic, die in den 1970er Jahren als sogenannte Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Schmallenberg kam und ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Migration mit uns geteilt hat, sehr berührt. Generell war ich von der Offenheit und Herzlichkeit aller Personen, die ich im Zuge meines Projektes Schwarz-Weiß-Gold kennengelernt habe, angetan. Es war leicht, auch mit zufälligen Begegnungen, ins Gespräch zu kommen. Mein Eindruck war, dass gemeinschaftsstiftende Strukturen im Sauerland stark ausgeprägt sind, bekanntestes Beispiel sind vermutlich die Schützenvereine. Aber auch das soziale Engagement und kulturelle Aktivitäten, was zu neun prämierten Golddörfern rund um Schmallenberg geführt hat, finde ich bemerkenswert. Auch die Dialoge mit der Autorin Sabrina Janesch empfand ich als sehr bereichernd, speziell weil wir unterschiedliche Assoziationen zu dem Begriff Heimat haben.

Sabrina Janesch: Ganz klar: die Menschen und ihr Zusammenhalt. Natürlich fand ich auch die Natur, die Landschaft, die Ursprünglichkeit bezaubernd und einmalig. Aber das, was für mich wirklich hervorstach, war der Gemeinsinn der Menschen in der Umgebung, ihre Offenheit und Freundlichkeit. Ich habe sie wirklich lieb gewonnen.

Könnten Sie sich vorstellen, Schmallenberg ein weiteres Mal zu besuchen? Vielleicht sogar zum Urlaub machen?

Sabrina Janesch: Unbedingt. Die Prämisse meines Textes lautete: In sieben Tagen ganz konkrete und pragmatische Heimat in Schmallenberg zu simulieren. Zu diesem Zweck hatte ich meinen Mann und eine meiner Töchter mitgebracht; zusammen gingen wir einkaufen, besuchten mehrfach täglich die Kirche (meine Tochter, zwei Jahre, hatte sich innig verliebt), liefen zu Spielplätzen, kamen ins Gespräch. Und all das war so innig und so echt, das können wir uns sehr gut in Wiederholung vorstellen - nächstes Mal dann vielleicht also: Experiment Urlaub.

Christina Stohn: Ich habe den Ortskern von Schmallenberg und die umliegenden Ortschaften idyllisch und auffällig sauber wahrgenommen. Im Umkreis sind mir besonders die vielen Wandermöglichkeiten und Fahrradwege im Gedächtnis geblieben. Die Gegend scheint sich sehr gut als Rückzugsort für erholsame Tage in der Natur zu eignen. Da die Umgebung meines derzeitigen Standorts Freiburg ebenfalls ländlich geprägt ist, sind meine Reiseziele, sobald es die Umstände zulassen, im urbanen Raum angesiedelt. Aber ich freue mich schon auf das Wiedersehen in Schmallenberg zur Ausstellungseröffnung im Dezember.

Ausstellung und Instagramaccount

Das Projekt „Experiment Heimat“ hat neben Schmallenberg noch viele weiter Standorte wie Unna, Dortmund, Waltrop, Detmold, Enger, Bochum , Hattingen und den Kreis Coesfeld.

Das Ergebnis der Recherchen in den verschiedenen HEIMAT-Orten sind ein Text-Foto-Band und eine Wanderausstellung. In Schmallenberg wird die Ausstellung ab Dezember 2022 zu sehen sein. Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie entweder auf der Internetseite www.experimentheimat.de oder auf dem Instagramprofi „experimentheimat“.