Bestwig/Köln. Aufgewachsen ist Johannes Kleist in Bestwig. Inzwischen begeistert er als Kinderliedermacher auf Bühnen in ganz Deutschland.

Wenn jemandem bei der Arbeit sprichwörtlich das Herz aufgeht, dann ist er wohl beruflich am richtigen Platz. Dieser richtige Ort ist für Johannes Kleist die Bühne inmitten vieler Kinder. Kleist ist Kinderliedermacher. Aufgewachsen ist er in Bestwig.

Herr Kleist, nach dem Abitur ging es für Sie aus dem beschaulichen Sauerland für die Lehre in den märkischen Kreis nach Iserlohn und danach zum Studium nach Köln. Dennoch kommen Sie gerne zu Konzerten und Besuchen ins Sauerland. Was mögen Sie hier besonders?

Johannes Kleist Ich bin mehrmals im Jahr hier und pflege noch berufliche und freundschaftliche Verbindungen zur alten Heimat rund um Velmede und Bestwig. Die Naturverbundenheit ist im Sauerland etwas Besonderes. Viel Grün, frische Luft und die Weite machen mir den Kopf frei. Sauerländer haben eine sehr herzliche Art, die ich in Köln auch wiederfand. Traf ich während meiner ersten Zeit dort auf einen Sauerländer, so hatten wir sofort einen Draht zueinander. Bei Konzerten bemerke ich, je weiter ich aus der Stadt raus komme, desto dankbarer zeigt sich das Publikum. Ich glaube, es ist darauf zurückzuführen, dass die Kinder auf dem Land mit weniger Eindrücken überflutet werden. Das hat den Vorteil, dass die Familien mehr Zeit zum Verweilen mitbringen, wenn der Rahmen eines Konzerts isoliert von anderen Attraktionen ist und nicht beispielsweise mit einer Hüpfburg um die Ecke konkurriert.

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Wie lange haben Sie durch den Lockdown keine Konzerte mehr geben können und wie viele Auftritte finden sonst jährlich statt?

Das Mitmachkonzert im August in Wennemen war erst das fünfte seit dem Lockdown. Sonst wäre im Vergleich mein Terminkalender mit 90 Konzerten gefüllt gewesen. Unsere Branche lag von März 2020 bis diesen Sommer völlig brach. Da kann man sich denken, was das auch persönlich mit meinen Kollegen und mir gemacht hat. Wenn es gut läuft, kommt im nächsten Jahr alles wieder in Gang, aber das stellt natürlich auch Anforderungen an die Politik. Sie muss für Kulturveranstaltungen einen alltagstauglichen, nachvollziehbaren, klaren Regelungsrahmen schaffen.

Wie hat Corona die Kinder bei Ihren Auftritten verändert?

Die Kinder waren sehr ausgehungert und haben versucht bei den Konzerten auf musikalischer und motorischer Ebene sehr viel nachzuholen. Ich merkte ihnen am teils unruhigen Verhalten an, dass sie auf der Suche nach sozialem Input sind. Die Pandemie hat von ihnen erheblichen Verzicht gefordert, den sie nur schwer verarbeiten und begreifen konnten. Musik bringt für Kinder viele Chancen mit sich und sie wachsen dadurch in ihrer Entwicklung. Ich würde sagen, durch Musik wird man als Mensch unabhängig vom Lebensalter „ganz“.

Eine Prise Humor darf es auch sein

Wie helfen Sie Kindern durch Musikpädagogik ihre Persönlichkeit zu entfalten und was sind Ihre Strategien im Umgang mit den ganz Schüchternen, aber auch ganz Vorlauten?

Durch gemeinsames Singen und Bewegen lassen sich oftmals verdeckte oder gegenteilige Seiten der Persönlichkeit herauskitzeln und innere Freiheit schaffen. Ich habe schon oft erlebt, dass Eltern bei Konzerten sehen konnten, wie ihr sehr schüchternes Kind über sich hinauswuchs und es plötzlich vorne am Mikro stand. Auf der anderen Seite habe ich beobachtet, wie die sogenannten „kleinen Haudegen“ gebannt der Musik lauschten und dadurch entspannt in sich ruhten. Ich gehe mit den Kindern ungezwungen und spontan um und verlasse mich sehr stark auf mein Bauchgefühl. Eine Prise Humor darf es auch sein. Gewollter Perfektionismus hat hier dagegen nichts zu suchen, das kann alles im Keim ersticken.

Sie bieten Fortbildungen und Workshops für Lehrer und Erzieher an. Mit welchen Wünschen kommen die Teilnehmer und was ist Ihnen in diesem Rahmen wichtig zu vermitteln ?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchten Anregungen und frischen Wind zur musikalischen und rhythmischen Umsetzung in ihren pädagogischen Berufsfeldern bekommen. Wichtig ist mir, alltagstaugliche, praxisbezogene Ideen zu liefern und sie nicht mit Theorie zu langweilen. Wenn sie am Ende sagen, „Toller Input und endlich neue Bewegungslieder und Musikspiele für den Morgenkreis oder zwischendurch. Probieren wir gleich morgen aus!“, dann weiß ich, die Veranstaltung war gelungen.

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Konnten Sie die konzertfreie Zeit zum Komponieren neuer Songs nutzen und wird es bald ein neues Album geben?

Ein neues Album mit bunt gemischten Mitmach- und Bewegungsliedern liegt schon fast fertig auf der Festplatte und wird in den nächsten Wochen erscheinen. Also hin und wieder auf meiner Homepage und bei Facebook reinschauen. Der Titel ist noch streng geheim (lacht). Gerne gebe ich aber hier schon mal einen Einblick in einen Song, der gut zum Sauerland passt: „Eichhorn“. Die Idee sprang mich förmlich beim Blick aus dem Küchenfenster in den Garten an. Dort toben jeden Tag Eichhörnchen herum. Also hab ich mich über die putzigen Gesellen schlau gemacht und losgeschrieben. Zum einen vermittelt der Song den Kindern teils überraschende Einblicke in das Nagerleben, zum anderen wollte ich augenzwinkernd mit einer Ungerechtigkeit aufräumen. Warum nennen wir das Tier - egal wie alt es ist - Eichhörn(chen)? Wir werden ja alle älter und größer und wollen dann auch nicht mehr als Baby oder Kind bezeichnet werden. Daher singe ich ganz bewusst vom Eichhorn, bis das in den Duden aufgenommen wird. Apropos wachsen: Der kleine Mattes vom damaligen Konzert ist bestimmt heute auch schon ein großer Sänger geworden. Das würde mich riesig freuen.

  • Johannes Kleist wurde 1971 in Warstein geboren. Aufgewachsen ist er in Velmede-Bestwig.
  • Die Musik begleitete ihn seine gesamte Kindheit und Jugend über. Durch musikalische Frühförderung, Schlagzeug-, Klavier-
    und Keyboardunterricht sowie die ersten Chor- und Banderfahrungen entdeckte er sehr schnell, dass er Musik zum Beruf machen will.
  • Nach dem Abitur absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Iserlohn und ein Diplom-Pädagogik-Studium in Köln. Anschließend wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit mit der Gründung einer Kunst- und Musikschule in der rheinischen Domstadt, die er 17 Jahre lang leitete.
  • Im Unterricht mit den Kindergruppen entstanden die Ideen für seine ersten Kinderlieder. Der Komponist und Texter gründete sein eigenes Label und veröffentlichte erfolgreich sein erstes Album „Wi-Wa-Wackelzahn“. Es folgten deutschlandweite Live-Konzerte in Kitas und Grundschulen, auf Festivals und Großveranstaltungen wie dem Weltkindertag in Berlin und der Kieler Woche.
  • Kleist ist Mitglied im Netzwerk kindermusik.de. Das neue Album erscheint in Kürze.