Schmallenberg. Herrenlosigkeit - das ist das Wort, das Bürgermeister Burkhard König Sorge macht, wenn er an die Wisente denkt. Er erläutert, warum das so ist.
Seit Dezember liegt das Wisent-Gutachten auf dem Tisch. Auch Schmallenbergs Bürgermeister Burkhard König ist froh, dass damit erstmals alle Aspekte des Projektes wissenschaftlich aufgearbeitet wurden und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Er wünscht sich allerdings nun auch eine faire Entscheidung und die kann für ihn nur in eine Richtung gehen.
An was denken Sie, wenn Sie das Wort Wisente hören?
Burkhard König: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, die Population dieser schützenswerten Art europaweit auf 8500 Tiere zu stabilisieren. Aber ich bin auch nach der Lektüre des Wisent-Gutachtens überzeugt, dass die Tiere im Gebiet zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg nicht genug Lebensraum finden und daher hier fehl am Platz sind.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass ein Großgatter nicht möglich ist und auch eine Tötung der Tiere nicht in Frage kommt. Was bleibt dann?
Das passt nicht zusammen. Die Herde soll auf eine Größe von etwa 20 Tieren begrenzt werden. Jährlich werden 5 bis 6 Kälber geboren. Das heißt, jährlich müssten fünf bis sechs Tiere entnommen werden. Da es bisher keine Abnehmer für die Bullen gab, mussten zumindest diese bisher abgeschossen werden. Das wird auch künftig notwendig sein. Insgesamt finde ich, das Gutachten zeigt, dass noch eine Menge Fragen offen sind. Dabei geht es um den rechtlichen Rahmen, auch der Regional- und der Landschaftsplan wurden bisher nicht angepasst. Dies ist aber wichtig, um das Projekt aus der Grauzone in die Öffentlichkeit zu holen. Die Wildschäden im geschützten Buchenbestand sind nicht geklärt. Das kann man mit einer finanziellen Entschädigung nicht einfach abtun.
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Und der Lösungsvorschlag, die Tiere vom Schmallenberger Gebiet zu vertreiben?
Das scheint mir völlig unrealistisch. Da müsste ja ein Bereitschaftsdienst rund um die Uhr, bei Wind und Wetter, bei Schnee und Eis, ein riesiges, topographisch schwieriges Gebiet durchstreifen. Das halte ich für nicht machbar.
Anfang 2022 will eigentlich die Koordinierungsgruppe entscheiden: Abbruch oder Herrenlosigkeit?
Sorgen bereitet mir da der Begriff der Herrenlosigkeit. Wenn das für die Wisente gilt, dann fallen sie unter den Artenschutz. Dann besteht allenfalls mit Ausnahmegenehmigung die Möglichkeit, einzelne Tier zu entnehmen, die Population wäre nicht mehr steuerbar. Wie schwierig die Diskussion dann wird, sehen wir heute schon beim Wolf. Eigentlich darf man die Tiere dann noch niemals vertreiben. Artenschutz und Herrenlosigkeit - das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat bei der Vorstellung des Gutachtens „viel Sympathie“ für das Projekt bekundet. Was löst das bei Ihnen aus?
Der Projektträger hat die eindeutige Erwartung ans Land gerichtet, dass die jährlichen Kosten von 500.000 Euro übernommen werden. Bei aller Sympathie, diese dauerhafte Kostenzusage konnte die Ministerin bisher nicht gegeben. Letztlich handelt es sich ja auch um Steuergelder – dauerhaft jedes Jahr 500.000 Euro für 20 Wisente scheint mir da eine stolze Summe.
Mal ehrlich: Wie erleben Sie das Thema Wisente bei den Bürgern, sind die meisten Schmallenberger nicht schon langsam genervt?
Die größten Schwierigkeiten haben sicher die Waldbesitzer im Streifgebiet der Wisente. Dazu gehört übrigens auch der Schmallenberger Stadtwald. Ansonsten ist es ruhig geworden. Allerdings sehe ich auch nicht, dass der Tourismus - außerhalb der Wisent-Welt - von der Herde profitiert. Wanderer treffen die Tiere nur durch Zufall und die meisten - vor allem Hundebesitzern und Mountainbiker - fühlen sich eher beklommen bei der Aussicht, dass plötzlich ein Wisent vor ihnen stehen könnte. Und auch die Frage muss erlaubt sein: Wisente sind wehrhafte Wildtiere. Was passiert, wenn es doch zu einem schlimmen Unfall kommen sollte, mit unseren Flaggschiffen Wald-Skulpturenweg und Rothaarsteig. Müssen wir die dann schließen, um den Wisenten ihren Raum zu lassen?
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Also Abbruch des Projekts - und damit einen Imageschaden kalkulieren, wie es im Gutachten heißt?
Ich sehe da keinen Imageschaden, der Abbruch war von Anfang an eine Option der Freisetzungsphase. Und das Schaugehege bleibt ja.
Rechnen Sie mit einer Entscheidung vor der Landtagswahl?
Das halte ich angesichts der Probleme für unwahrscheinlich, auch wenn eine Entscheidung für dieses Jahr angestrebt ist. Zu den vielen Fragen des Gutachtens müssen befriedigende Antworten gefunden werden. Erst dann ist eine fundierte Entscheidung möglich.
>>>HINTERGRUND
Seit dem Jahr 2008 organisiert der Verein „Wisent-Welt-Wittgenstein e. V.“ als Trägerverein das Projekt zur Wiederansiedlung von Wisenten im Rothaargebirge.
Nach einer von 2010 bis 2013 dauernden Eingewöhnungsphase in einem dazu eingerichteten Gehege im Gebiet der Stadt Bad Berleburg läuft seit dem Jahr 2013 die sogenannte Freisetzungsphase des Projektes.
Dazu wurde zwischen dem Trägerverein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen und der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen.