Meschede. In unserer Adventsserie lüften wir Geheimnisse. Diesmal haben wir gleich zwei vergessene Plätze an der Mescheder Schützenstraße besucht.
Tagsüber parken dort die Honsel-Mitarbeiter. Die wenigsten werden, wenn sie zur Schicht eilen, ihren Blick schon mal bewusst auf den Hang gegenüber der Schützenhalle gerichtet haben. Dort liegen zwei historische Mescheder Orte, die nur wenigen bekannt sind: der alte evangelische Friedhof und ein Bunker.
Der alte Evangelische Friedhof
Ein Friedhof? Davon ist nun wirklich gar nichts mehr zu sehen. Ursula Jung, früher Meschedes Stadtarchivarin, weiß aus einer alten Katasterkarte, dass auf der Grünfläche zwischen Schützenhalle und Briloner Straße früher der alte Friedhof lag. In den Annalen der Evangelischen Kirchengemeinde findet sich laut Pfarrer Hans-Jürgen Bäumer nur, „dass der alte Friedhof 1865 in Betrieb genommen und 1909 das Grundstück des neuen Friedhofs erworben wurde.“ Ulrike Mann, die seit Jahrzehnten für den Friedhof zuständig ist, fand im Landeskirchenarchiv, dass das passierte, weil der alte Friedhof einfach zu klein wurde. 1917 wurde der neue Friedhof eingeweiht.
Auch ältere Mescheder erinnern sich nicht daran, dass auf der alten Fläche noch beerdigt wurde. „1961 wollte Honsel das Grundstück erwerben und darauf Werkswohnungen bauen“, berichtet Ursula Jung. Bis auf zwei Gegenstimmen habe sich der Stadtrat damit einverstanden erklärt. „Warum dann letztlich dort nicht gebaut wurde, weiß ich leider auch nicht.“ Nachzulesen ist das auch im Band Mescheder Geschichte Band 2. Vielleicht war es den Bauherrn dann doch unangenehm, auf einem alten Friedhof zu bauen? Bis vor ein paar Jahren habe man auch noch die Absackungen der Gräber sehen können, berichtet Jung. Sie vermutet, dass dort auch die Schwestern von August Macke beerdigt wurden, die als Kinder in Meschede an Diphtherie starben. Die Historikerin bedauert es, dass nicht wenigstens eine Gedenktafel an den ersten Evangelischen Friedhof im Stadtgebiet erinnert. „Und dass die Stadt nicht die Grünfläche ein wenig geschmackvoll als Park herrichtet.“
Der Honsel-Bunker
„Der Beschuss begann plötzlich, als es schon dunkel war. Wir griffen unsere Bündel. Vater entschied, dass wir zum „Honselbunker“, dem Bunker der großen Fabrik, rennen sollten; der kleine Stollen, in dem wir bisher immer ausgeharrt hatten, war gewiss überfüllt.“ So beginnt Karl Schaefer in seinem Buch „Die Holzschale der Kahns“ seinen Bericht über den Bunker an der Schützenstraße.
Offenbar gab es damals noch zwei Eingänge. Heute sieht man nur noch einen. Schaefer beschreibt: „Der Bunker bestand aus einer großen Tunnelröhre, die man hufeisenförmig in den Berghang getrieben hatte. Die Wände und die gewölbte Decke waren ausbetoniert und trocken.“ Die Röhre war beleuchtet, hatte also offensichtlich ein eigenes Stromaggregat.
Der Autor schätzt, dass der Bunker normalerweise etwa 1000 Menschen fasste. Beinahe gab es einen Aufstand, weil sich angeblich führende Fabrikmitarbeiter im Scheitelpunkt des Hufeisens, also der sichersten Stelle des Bunkers, einen Bretterverschlag hatten bauen lassen. „Dort waren sie von uns einfachen Sterblichen getrennt, waren unter sich, schliefen vermutlich auf Liegen und Sofas unter richtigen Decken, während wir auf Bänken oder auf dem Boden hockten oder stehen mussten.“ Doch das Problematischste: „Die Wände dieser Enklave verhinderten, dass zwischen den beiden Ausgängen ein Luftzug entstand, der den ganzen Stollen mit frischem Sauerstoff versorgt hätte.“ Schaefer überlebt die Nacht im Bunker. Amerikaner öffneten die Türen, der Krieg war zu Ende.
Der Stadtführer ist auf der Suche nach Zeitzeugen
Stadtführer Werner Preugschas befragt zum Thema Bunker gerade ältere Mescheder. Zehn Bauwerke hat er in der Kernstadt ermittelt. Zum Bunker in der Schützenstraße erfuhr er, dass dieser ursprünglich parallel zur Schützenstraße gebaut werden sollte. Angeblich soll es auch einen Zugang von der Briloner Straße aus gegeben haben. Einer seiner Gesprächspartner erinnert sich an einen Hauptstollen und einen kleineren Nebenstollen, der als Sanitäts-Raum genutzt wurde.
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg war offenbar überlegt worden, eingestürzte Bunker zu verfüllen; erhaltene Bunker sollten für Nahrungsmittellagerung genutzt werden. Das berichtet Stadtarchivar André Algarve. Häufig waren sie das - als so genannte Eiskeller - auch schon vor dem Krieg gewesen. „Aus der Akte geht aber nicht hervor, in welchem Maße dies tatsächlich umgesetzt wurde.“ Nachbarn erinnern sich, dass Kinder noch lange in dem ehemaligen Honsel-Bunker spielten.
Heute gehört das Grundstück der Stadt. „Es ist an die Firma Martinrea Honsel verpachtet - und dazu gehört dann auch der Bunker“, berichtet Pressesprecher Jörg Fröhling. Das Bauwerk ist verschlossen, der meist wilde Bewuchs ärgert die direkten Nachbarn.
Landesbetrieb Straßenbau hat noch einen Schlüssel
Im Innern ist von der einstigen Größe nicht mehr viel zu sehen. „Schon seit vielen Jahren ist der Bereich des Bauwerkes unter der L743 (Briloner Straße) verfüllt worden“, berichtet Oscar Santos, Pressesprecher des Landesbetriebs Straßenbau in Meschede. „Somit gibt es für uns als Straßenbaulastträger der Landesstraße keine Veranlassung mehr, den Bunker turnusmäßig zu kontrollieren. Unterlagen gibt es hierzu auch nicht mehr. Wir haben jedoch immer noch einen Schlüssel.“
>>>Hintergrund
Werner Preugschas hat folgende zehn Bunker in Meschede bisher recherchiert. „Diese müssen aber noch überprüft werden“, sagt er. Falls sich Mescheder an die Bunker erinnern oder zu Standorten etwas mitteilen können, können sie sich gern bei ihm melden. „E-Mail: werner.preugschas@freenet.de oder Tel. 0291/3684
1. Bunker hinter der alten Rektoratsschule (ehemals Knappstein),Steinstraße.
2. Bunker unter dem Klausenberg, Arnsberger Straße.
3. Bunker in Laer unter dem Hainberg.
4. Bunker Kolpingstraße Abzwg. Trappweg.
5. Bunker Anfang der Kolpingstraße Parkplatz im Bereich des Franz-Schweitzer-Hauses.
6. Bunker Gepkestraße / Lagerstraße.
7. Bunker Hagenweg/ Abzwg.Kämpchen .
8. Bunker Anfang Hagenweg.
9. Bunker Schützenstraße, Parkplatz vor der Schützenhalle.
10. Bunker Unterm Hagen/ Unter der Wieme.
Bei dem Großteil der „Bunker“ handelt es sich um alte Felsenstollen, die (wahrscheinlich) in der Vergangenheit als Eiskeller genutzt wurden.