Meschede. . Archivarin Ursula Jung entscheidet, was für die Nachwelt im Stadtarchiv Meschede verwahrt wird. Darunter spannende Dokumente. Ein Überblick.
Das Gedächtnis Meschedes liegt in einem alten Grevensteiner Schulgebäude. Den Überblick über die Erinnerungen aus weit über 500 Jahren hat Ursula Jung: Sie ist Herrin im Reich des Stadtarchivs. Dort verbergen sich neben Akten, Büchern und Zeitungen auch besonders alte Dokumente, die einen Einblick in das alltägliche Leben in Meschede in vergangenen Jahrhunderten bieten – und auch ein paar Überraschungen hält das Archiv parat.
Im 15. Jahrhundert
Grundstücke und Häuser brauchten die Menschen auch schon vor 500
Jahren. In der Mescheder Gegend verkaufte so zum Beispiel im Jahr 1450 Hynrich Broeseken im Namen der Bruderschaft vom heiligen Kreuz die „beiden Brynck-Güter zu Wallen“ im Kirchspiel Calle. Bezahlt wurde die Kaufsumme von Joh. Theuleyghe und Mackelen, Bürger zu Meschede und Vormünder der Bruderschaft. Der Vorgang wurde noch auf Pergament festgehalten – Gutenbergs Buchdruck war erst acht Jahre später entwickelt. Mit einigen anderen jahrhundertealten Dokumenten liegt dieses Stück Mescheder Zeitgeschichte im Safe des Stadtarchivs.
Öffnungszeiten
- montags bis donnerstags vormittags und nach Vereinbarung. Telefonische Absprache unter 0291/205-412 erforderlich.
- Die Adresse des Stadtarchivs Meschede in Grevenstein lautet: Schadesche Wiese 3, 59872 Meschede
Musikalische Überraschung
Unbedingt naheliegend ist es nicht, dass ein Gesangbuch mit
gregorianischen Chorälen, handgeschrieben spätestens im 15. Jahrhundert auf Pergament, im Stadtarchiv aufbewahrt wird. „Das muss auch noch aus der Zeit vor dem Buchdruck entstanden sein“, rätselt Ursula Jung über das genaue Alter des Buches, das aus dem Nachlass des Bürgers Adolf Kleinschnittger stammt. Die genaue Entstehungszeit kennt sie noch nicht. „Um das heraus zu bekommen, müsste ich es ja aus der Hand geben, und das möchte ich nicht.“ Die Gebrauchsspuren sind zwar zu erkennen, doch intakt ist das Buch noch, die Schrift auf den schweren und weichen Pergament-Seiten noch gut zu erkennen. „Das ist schon etwas ganz Besonderes für unser Archiv“, sagt Jung.
Zeitreise in die Fünfziger Jahre
„Das sind Einblicke, die bekommt man heute nirgendwo mehr, auch nicht im Internet.“ Ursula Jung hat ursprünglich überlegt, ob Zeitschriften wie der Spiegel oder auch Lifestyle-Magazine aus den Fünfziger und Sechziger Jahren aufgehoben werden sollten. Die haben mit Meschede weniger zu tun – bilden aber das Leben aus dieser Zeit ab. „Beim Spiegel sind ja auch inzwischen legendäre Geschichten und Titelbilder dabei.“ Jetzt ist die Archivarin froh, die teilweise siebzig Jahre alten Ausgaben aufbewahrt zu haben.
Ahnenforschung im Archiv
Wer die Geschichte der in Meschede und Umland angesiedelten Vorfahren
erforschen will, hat im Stadtarchiv gute Chancen, etwas zu finden. Denn dort lagern die Sterbe- und Heiratsregister. „Einige Menschen nutzen das Stadtarchiv zur Ahnenforschung“, weiß die Archivarin. Über ein Findbuch, das online einzusehen ist, können Interessierte die gesuchten Dokumente ausfindig machen und einen Termin zur Einsicht besprechen. Auch die Erforschung der Ortsgeschichte wird durch die vorhandenen Dokumente ermöglicht – so auch Baugenehmigungen oder alte Fotos. Die Einsicht der alten Dokumente sei jedoch nicht immer einfach. „Das ist alles handschriftlich festgehalten und natürlich hatte auch damals jeder eine andere Handschrift. Manches ist einfach, manches sehr schwer oder gar nicht zu entziffern.“ Auch sie selbst als erfahrene Archivarin benötige manchmal viel Zeit – und eine Lupe – um einer alten Urkunde ihre Informationen zu entlocken.
Kunst im Archiv
Der ideelle Wert übersteigt den materiellen Wert bei weitem – doch Ursula Jung ist stolz auf die Gemälde und Zeichnungen Mescheder Künstler, mit denen sie den langen Flur voller Bücher und Ordner geschmückt hat. Teilweise lagerten die Bilder beim LWL in Münster. „Sie wollten die entsorgen und haben uns vorher noch gefragt, ob wir sie haben wollen“, erinnert sich Jung. Ein Kreuz von Bildhauer Fred Eckersdorf hat es der Archivarin besonders angetan. „Ich stehe manchmal davor und frage mich, was er sich dabei gedacht hat.“ Das bunte Mosaik-Kreuz zeigt eine lesende Figur, eine Landschaft sowie Bücher und eine Geige. „Warum hat er das auf dem Kreuz verewigt, das geht mir durch den Kopf, wenn ich davor stehe.“ Der in Essen geborene Eckersdorf lebte und arbeitete in Meschede – neben Mosaikarbeiten widmete er sich auch dem Wiederaufbau von im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirchen.
Was aussortiert wird
Nicht alles kann Ursula Jung aufheben, sonst würde das gut sortierte Archiv aus allen Nähten platzen. „Man muss da aus Sicht der zukünftigen
Generationen rangehen und überlegen, was wichtig und interessant ist und was nicht.“ So müsse zum Beispiel nicht jede einzelne Dokumentation über Bewilligungen für Kitas aufgehoben werden. Dies betrifft jedoch nicht die Bestände A und B, die Urkunden und Akten von 1368 bis nach dem zweiten Weltkrieg verzeichnen, sondern die neuzeitlichen Unterlagen. „Die müssen zunächst eine bestimmte Zeit lang aufbewahrt werden“, weiß Jung. Danach muss entschieden werden, ob sie ein Teil des Mescheder Gedächtnisses werden oder nicht.
Hier finden Sie noch mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus Meschede und dem Umland.