Enste. Eine Ensterin ließ den Lieblingsbaum ihres verstorbenen Vaters fällen. So reagiert die Stadt Meschede nun auf die Kritik an einem Baumgutachten.

In Enste ist eine mehrere hundert Jahre alte Eiche an einem Wirtschaftsweg gefällt worden. Den vorausgegangen war ein Baumgutachten der Stadt Meschede. Die Fällung wurde heftig kritisiert. Nun reagiert die Stadt Meschede in einer Stellungnahme.

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Die Stellungnahme der Stadt umfasst die folgenden Argumente:

  • „Die Stadt Meschede kann keine Anweisung geben, diesen Baum zu fällen. Er steht auf privatem Grund“,
Beispiel einer Blutbuche aus Eversberg: Nach der Fällung zeigte sich der Schaden sehr deutlich. Von Außen sei dies nicht sichbar gewesen. Vorab hatte es zwei Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen gegeben.
Beispiel einer Blutbuche aus Eversberg: Nach der Fällung zeigte sich der Schaden sehr deutlich. Von Außen sei dies nicht sichbar gewesen. Vorab hatte es zwei Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen gegeben. © Unbekannt | Stadt Meschede
  • erklärt Stadtsprecherin Angelika Beuter-Sielemann in einer Stellungnahme.
  • Die Stadt Meschede habe auf die über mehrere Jahre dokumentierten Symptome hingewiesen und der Besitzerin eine Fällung des erkrankten Baumes empfohlen. Es bestehe keine Pflicht zur Fällung. Die Eigentümerin könne sich auch auf Gutachten anderer Sachverständiger beziehen.
  • Die Empfehlung erfolgte, nachdem der Baumkontrolleur der Stadt Meschede eindeutige Symptome von Pilzbefall durch den Riesenporling festgestellt und die Pilzfruchtkörper über mehrere Jahre hinweg dokumentiert hatte. Der Pilz befällt die unterirdischen Wurzeln der Eiche, verursacht dort Weißfäule. Die Wurzeln werden zersetzt, der Baum verliert seine Standfestigkeit. Davon ist am Stamm eines befallenen Baumes nichts erkennbar.
  • Die Empfehlung erfolgte auch nach Absprache mit dem Hochsauerlandkreis, der ihn nicht mehr als Naturdenkmal einstufte, da die Symptome eindeutig und unbestritten waren. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte der HSK ihn weiterhin als Naturdenkmal belassen, so Beuter-Sielemann
  • Mitten im Wald wäre der Pilzbefall einer Eiche nicht relevant. Neben einem Wirtschaftsweg sei dies anders.
  • „Nachdem die Stadt Meschede ihrerseits von der Situation Kenntnis erlangt hat, ist sie verpflichtet, die Besitzerin auf den Befall und die für sie daraus resultierende Verkehrssicherungspflicht hinzuweisen“, so Beuter-Sielemann.
  • Dass Baumgutachten nicht nur nach dem äußeren Erscheinungsbild eines Baums erstellt werden können, zeige das Beispiel der Buche am Friedhof in Eversberg, die der Baumgutachter der Stadt als krank einstufte, ein anderes Gutachten aber als kerngesund. Als die Buche gefällt wurde, war für jeden deutlich sichtbar, dass sie innen hohl, faul und keineswegs gesund war.
Die massve Eiche aus Enste nach der Fällung.
Die massve Eiche aus Enste nach der Fällung. © Unbekannt | Unbekannt

Die Vorgeschichte

Marko Wäldchen ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bäume der Landwirtschaftskammer NRW. „Ich bin selbst vor Ort gewesen und habe mir den gefällten Baum genau angesehen. Meiner Ansicht nach gab es keine fachlich belastbaren Gründe für die Fällung, da bei dem Baum selbst die Feinverzweigung in Ordnung war und er auch bereits Knospen für dieses Jahr angesetzt hatte“, erläutert er den Zustand der gefällten Eiche in Enste.

Hebelwirkung reduzieren

Das Thema Verkehrssicherheit ist natürlich immer ein Totschlagargument, wenn man einen Baum loswerden will.“ Er erklärt weiter, dass im Rahmen des Bundes- und Landesschutzgesetzes stets das mildere Mittel zu wählen sei, was in diesem Fall beispielsweise eine Kroneneinkürzung gewesen wäre, um die Hebelwirkung zu reduzieren.

Befall durch Riesenporling

Seitens der Stadt Meschede, die die Fällung der 200 bis 400 Jahre alten Eiche angeordnet hatte, war von Baumkontrolleuren ein Befall durch den Riesenporling festgestellt worden, einem wurzelzersetzenden Pilz. Heinz Hiegemann erklärt dazu, es habe Versuche gegeben, den Baum zu erhalten. Auch der Bauhof sei involviert worden. „Wenn Gefahr von einem Baum ausgeht, muss man sich im Einzelfall leider gegen ihn entscheiden. Meiner Meinung nach hätte er vermutlich auch noch weitere 100 Jahre gestanden, aber nach dem Fall einer Frau bei Laer, die durch einen herabstürzenden Ast beinahe ums Leben gekommen ist, ist man da vorsichtig geworden. Da sind uns auch die Hände gebunden.“

Erweiterung für das Gewerbegebiet Enste

Auf der Fläche, wo die Eiche gestanden hat, soll in Zukunft das Gewerbegebiet erweitert werden, wodurch das Augenmerk auf den Baum fiel, der direkt an dem Weg vom Hof der Familie Wullenweber in Enste zum Ensthof führt. Pia Wullenweber, Eigentümerin des Baumes, ist ebenfalls sehr traurig darüber, dass der Lieblingsbaum ihres verstorbenen Vaters nicht mehr da ist.

Lieblingsbaum des verstorbenen Vaters gefällt

Sie erreichte ein Brief der Stadt Meschede, in dem sie aufgefordert wurde, die sofortige Fällung zu veranlassen. „Mir tut das wirklich sehr, sehr leid um den Baum. Schließlich stand er auch unter Denkmalschutz, aber die Schilder waren dann eines Tages plötzlich abgenommen, und der Baum musste weg. Die Verantwortung zu übernehmen, sollte da tatsächlich irgendwas passieren, das wollten wir letztlich auch nicht, denn das bleibt am Besitzer hängen, genauso wie die Kosten für die Fällung. Mit 1,80 Meter ist das ja auch nicht mal eben gemacht. Wir hatten den Baum sogar in der Todesanzeige meines Vaters. Das ist uns alles echt schwergefallen.“

Wäldchen: In Meschede wird zu schnell die Kettensäge angesetzt

Jetzt liegt der riesige Baum, der auch nach Meinung von Birgit Lenze, die auch Baumexpertin ist, kerngesund war, auf der Wiese. An der Schnittfläche sieht man einige dunkle Stellen. „Das sind Einschlüsse von Metall“, erklärt Pia Wullenweber. „Es kann durchaus sein, dass das Granatsplitter sind.“ Marko Wäldchen ist ebenfalls verärgert. „In Meschede wird meiner Meinung nach viel zu schnell gefällt. Kein Baum in dem Alter ist frei von Fehlern, aber deshalb ist er noch keine Gefahr. Ich finde, es disqualifiziert die Person, die mit Leichtfertigkeit an so etwas herangeht.“

Mehrfach hatte er versucht, Zuständige bei der Stadt Meschede zu erreichen, aber das sei nicht möglich gewesen. „Ich habe mich schon für die Blutbuchen eingesetzt, die in Eversberg gefällt worden sind. Aber da war auch nichts zu machen, obwohl das wirkliche Landmarken waren.“

Hengesbach: So wird Heimat genommen

Stefan Hengsbach aus Meschede ist ebenfalls mehr als verärgert. „Man nimmt uns mit solchen Aktionen ein Stück Heimat. Dieser Baum hat lange vor uns da gestanden und hätte das auch lange nach uns noch getan. Aber das Bürgerbegehren wird in der Stadt nicht berücksichtigt. Solche alten Bäume sind letztlich auch ein Kulturerbe. Ein Straßenrückschnitt hätte erstmal bestimmt auch gereicht. Außerdem wurde nach dem 1. März gefällt, was aus Naturschutzgründen sowieso verboten gewesen wäre.“