Menden. Reform und höhere Hebesätze sorgen für Ärger, da kündigt der Stadtkämmerer den nächsten Schritt an. Verschuldung „nicht mehr steuerbar“.

Der erste Grundsteuer-Schreck nach der landesweiten Reform ist in Menden bei vielen Eigentümern noch nicht verdaut, da setzt die Stadt Menden noch eins drauf.

Stadtkämmerer zu Politikern: „Jetzt kommt der Schmerz“

Mit den Worten „Jetzt kommt der Schmerz“ hat Stadtkämmerer Uwe Siemonsmeier am Dienstagabend im Haupt- und Finanzausschuss vorgeschlagen, zur Sanierung des bedrohten Stadthaushaltes die eben erst erhöhten Hebesätze für Haus- und Grundeigentümer weiter hochzuschieben.

Grundsteuer B1 soll auf 771 Punkte steigen, die B2 auf 1326

Für die Grundsteuer B1 für Wohngrundstücke in Menden soll der Hebesatz um 58 auf dann 771 Prozentpunkte steigen, für Nichtwohngrundstücke von jetzt 1227 auf 1326. Die Stadt will zugleich ihre Sach- und Personalausgaben reduzieren. „Ich gebe Ihnen das zur Beratung mit in die Fraktionen“, sagt Siemonsmeier am Abend den Finanzpolitikern.

Zur Grundsteuer-Reform gut 70 schriftliche Einwände im Rathaus

Bekanntlich hat es wegen der Bescheide zur Grundsteuerreform und der Splittung der Hebesätze in Menden gerade erst öffentlichen Protest samt Ein- und Widersprüchen gegeben. Allein im Rathaus sind laut Kämmereileiterin Steffi Ohm bisher mehr als 70 Schreiben eingegangen – die meisten allerdings an die falsche Adresse, weil deren Fragen nur das Finanzamt lösen könne. Auf Nachfrage von Stefan Weige (FDP) bestätigt Siemonsmeier, dass die Gesamt-Einnahme der Stadt aus der Grundsteuer B trotz höherer Hebesätze tatsächlich fast genauso hoch sei wie im Vorjahr. Von der Reform hat er also nichts. Eine eigene Grundsteuererhöhung der Stadt, die Siemonsmeier jetzt vorschlägt, gab es zuletzt 2015.

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2027 ist auch die letzte Rücklage der Stadt Menden aufgebraucht

Die Rede zum Nachtragshaushalt für 2025, die der Kämmerer an diesem Abend hält, ist unterdessen auch in anderen Punkten denkwürdig. Der Hüter der Stadtkasse erläutert, warum die Stadt Menden auf ein bilanzielles Defizit im Jahr 2027 zuläuft: Dann sind alle Rücklagen aufgebraucht. Schuld an der Misere sei die beständige Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden: Die Kommunen bekämen von Land und Bund immer neue Aufgaben und Leistungen aufgedrückt, die sie dann aus eigenen Mitteln bestreiten sollen.

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Für Städte 12 % der Steuern, aber 25 % der öffentlichen Ausgaben

Heute zahlten die Städte schon ein Viertel aller öffentlichen Ausgaben, erhielten aber nur zwölf Prozent des Steueraufkommens. „Damit“, so Siemonsmeier, „ist eigentlich schon alles gesagt.“ Die Folgen: Nur noch 18 von 396 NRW-Städten können einen in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Hauptursache seien die enorm gestiegenen Transferleistungen. Siemonsmeier erklärt, sein Vorschlag zur Grundsteuer-Erhöhung sei „nur ein erster Aufschlag“ und noch keine Rats-Entscheidung.

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„Nicht mehr steuerbar“: Stadt kann Etat-Ausgleich nicht schaffen

Doch auch Menden schaffe den Ausgleich des Haushaltes nicht mehr. Trotz immer noch hoher Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommensteuer seien „die Voraussetzungen für ein Haushaltssicherungskonzept weiter gegeben“. Ohne HSK wäre der Haushalt nicht genehmigungsfähig. Die Überforderung der Stadt nehme bei den Ausgaben längst Formen an, die eine wirksame Konsolidierung mit dem Rotstift schlicht unmöglich machten: „Das ist nicht mehr steuerbar“, erklärt der Kämmerer.

Uwe Siemonsmeier

„Es gibt aus meiner Sicht vor Ort aber keinen politisch gangbaren Weg zur Konsolidierung der sozialen Kosten.“

Uwe Siemonsmeier
Kämmerer der Stadt Menden

Starke Ausgabenkürzungen im Sozialen „nicht vermittelbar“

Beim Versuch, ein Fiasko abzuwenden, will er nun vor allem mehr Steuereinnahmen erzielen, statt die Ausgaben zu drücken. Warum? „Die Kosten des Sozialstaates erdrosseln die öffentlichen Haushalte. Es gibt aus meiner Sicht vor Ort aber keinen politisch gangbaren Weg zur Konsolidierung der sozialen Kosten“, erklärt Siemonsmeier. Soll heißen: Wo einmal soziale Leistungen und Einrichtungen stehen, sei es der Bevölkerung „nicht vermittelbar, diese Angebote aus Kostengründen wieder zurückzudrehen“. Denn die irreparablen Schäden in der gewachsenen Struktur der Stadt Menden mit ihren vielen Vereinen und Institutionen würden weit größer als die damit zu erreichenden Spar-Effekte.

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Höherer Verbundsatz des Landes könnte Probleme lösen

Wirksam wäre aus Siemonsmeiers Sicht allein die Anhebung des 1986 stark abgesenkten Verbundsatzes durch das Land auf den alten Stand. Dieser Verbundsatz legt den Anteil der Landeseinnahmen aus Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuern fest, der an die Städte abzugeben ist. Er liegt heute bei 23 Prozent, sollte laut Siemonsmeier aber wieder auf den früheren Satz von 28,5 Prozent hochgeschraubt werden. Das allein würde der Stadt Menden zehn Millionen Euro im Jahr einbringen. Wäre das schon vor Jahren geschehen, sagt Siemonsmeier, gäbe es jetzt die schier unlösbar erscheinenden Etat-Probleme nicht.

Menden soll „Willkommenskultur für Investoren“ entwickeln

Was die Stadt selbst leisten könne, sei etwa eine „Willkommenskultur für Investoren“ in ihre DNA aufzunehmen. Als Negativbeispiel dafür führt Siemonsmeier den Umgang mit dem Bücherei-Umzug in den Siepmann-Neubau an. Diese Entscheidung sei vor zwei Jahren gefallen. Und obwohl ausdrücklich erklärt worden sei, dass die hohe Ankermiete von 500.000 Euro im Jahr der Preis für die Beseitigung des großen Altbau-Schandflecks sei, werde immer wieder darauf herumgeritten, das gesamte Umzugsprojekt weiter „erfolgskritisch diskutiert“.

Stadtbücherei Menden
Die Vorbereitung auf den Umzug der Stadtbücherei hat mit dem Ausräumen bereits begonnen. Hier Leiterin Veronika Czerwinski. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

„Riesengroßer Mehrwert“ des Bücherei-Umzugs negiert

Dabei brächten die Investoren selbst Millionen auf, schafften Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Den „riesengroßen Mehrwert“, den all das für Menden habe, ließen die wenigen, aber lauten Stimmen der Kritiker einfach unter den Tisch fallen. Dabei gelte es doch demokratisch gefasste Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, „statt sie kräftezehrend immer wieder in Frage zu stellen“.

Zusätzlicher Geldbedarf von 200 Millionen Euro absehbar

Was die Finanzen der Stadt angeht, so lasse sich schon jetzt für die nächsten Jahre ein zusätzlicher Finanzbedarf in Höhe von 200 Millionen Euro erkennen. „Wo dieses Geld herkommen soll, weiß niemand“, sagt Siemonsmeier. Passiere es über Kredite, wäre die kommende Generation „im Schuldendienst gebunden“.