Menden. Vor einem Café an der Kolpingstraße eskaliert ein Streit am Kirmesabend. Ein Mann erblindet auf einem Auge. Jetzt nimmt Prozess eine Wendung.
- Ein Schöffe sorgt für eine Verzögerung des Prozesses in Menden
- Rechtsanwalt des Angeklagten hegt Zweifel an Neutralität des Gerichts
Einem Italiener (63) aus Hamm wird vorgeworfen, mit einem Gehstock aus Holz und Metall derart auf einen türkischstämmigen Mann aus Menden (39) eingeschlagen zu haben, dass dieser eine stark blutende Wunde erlitt und wenig später - trotz Behandlung in einer Dortmunder Spezialklinik - auf einem Auge erblindete. Jetzt gibt es eine neue Entwicklung im Prozess am Mendener Amtsgericht.
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Fragen zum DNA-Gutachten bleiben ungeklärt
Eigentlich sollte es am Freitagmorgen, dem zweiten Prozesstag, vor allem um das DNA-Gutachten gehen. Das Gutachten hatte am ersten Verhandlungstag für Verwirrung gesorgt. Der vorsitzende Richter Martin Jung hatte erläutert, dass er sich intensiv mit dem Schriftstück auseinandergesetzt hatte, um es nachvollziehen zu können. Glücklich mit der Ausarbeitung wirkte keiner der Anwesenden. Die Erkenntnis: Es würden sich demnach Spuren des Angeklagten und auch des Opfers am Gehstock befinden.
Aber waren die Sachverständigen des Privatinstituts, die die Proben ausgewertet haben, überhaupt allgemein vereidigt oder ist das Gutachten möglicherweise unbrauchbar? Um diese Frage zu klären und das Gutachten besser nachvollziehen zu können, wurde eine der Sachverständigen geladen. Außerdem sollte ein weiterer Zeuge vernommen werden. Doch letztlich kommt alles anders.
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Tumult in der Kolpingstraße: Wahrheitsfindung schwierig
Pfingstmontag 2022, Kirmestag in Menden. Gegen 22.30 Uhr kommt es laut Anklageschrift zu einem Tumult vor einem italienischen Café in der Kolpingstraße. Mehrere Personen sind scheinbar verwickelt. Letztlich, so die Anklage, wird ein Mann von einem anderen mit einem Gehstock aus Holz und Metall so am Kopf verletzt, dass er ins Krankenhaus muss und wenig später auf einem Auge erblindet. Nun wird dem mutmaßlichen Täter gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt.
Schnell offenbart sich am ersten Verhandlungstag: Einfach wird die Wahrheitsfindung nicht. Elf Zeugen sind geladen, einige können gehört werden, andere werden es noch. Es gibt Kritik an der Ermittlungsarbeit der Polizei. Außerdem steht im Raum, das Opfer könne ein „Polizeispitzel“ sein.
Am zweiten Prozesstag verkündet Richter Martin Jung, dass infolge der ersten Sitzung weitere fünf Personen von der Polizei ermittelt werden konnten. Diese seien für die kommenden Prozesstage geladen. Weniger erfreulich seien die Nachforschungen in Sachen Überwachungsvideo gelaufen: Hier gebe es nur eine abgefilmte WhatsApp-Variante des Originals, dessen Qualität zu wünschen übrig lässt.
Anwalt äußert Misstrauen: Er fordert den Austausch von Richter und Schöffe
Dann ergreift der Anwalt des Angeklagten, Axel von Irmer, das Wort und stellt einen Antrag wegen Befangenheit. Richter Martin Jung und einer der Schöffen sollen, so der Anwalt, befangen sein - zu Ungunsten des Angeklagten. Deshalb seien sie für den weiteren Verlauf der Verhandlung abzulehnen.
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Die Befangenheits-Annahme fußt darauf, dass Richter Martin Jung den Anwalt im Vorfeld schriftlich über einen Vorfall am ersten Prozesstag informiert hatte. Demnach habe ein Schöffe den Richter darauf hingewiesen, dass er auf dem Gerichtsflur Zeuge einer Unterhaltung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten geworden sei, die diesen belaste. Der Schöffe soll dem Richter mitgeteilt haben, dass dieses Gespräch „aufschlussreich“ gewesen sei.
Vertrauliches Gespräch mitgehört
Daraufhin habe Martin Jung den Schöffen belehrt und ihn darauf hingewiesen, dass solche Informationen nicht Gegenstand der Verhandlung sein dürfen. Weil Richter Martin Jung das Gesagte des Schöffen wahrgenommen und infolge dessen unter anderem auch Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft gehalten habe, sei auch er befangen. „Der Schöffe hat ein vertrauliches Gespräch gehört. Diese Informationen sind geschützt“, erläutert Anwalt Axel von Irmer.
„Der Schöffe hat ein vertrauliches Gespräch gehört. Diese Informationen sind geschützt.“
Die Verhandlung wird daraufhin unterbrochen. Martin Jung versucht kurzfristig eine Kollegin oder einen Kollegen zu finden, die oder der über den Antrag entscheiden kann. Doch er scheitert. Der Prozess wird unterbrochen. Eigentlich sollte am 24. Januar weiterverhandelt werden. Ob der Termin gehalten werden kann, ob Martin Jung weiter den Vorsitz der Verhandlung haben wird und ob ein neuer Schöffe bestellt werden muss, bleibt vorerst unklar.