Menden. Keine gute Sozialprognose und vorbestraft: Algerier muss nach Raub in Menden ins Gefängnis. Gericht sieht eine Fluchtgefahr.
Eine 80 Jahre alte Frau ist unterwegs auf dem Heimkerweg in Richtung Gisbert-Kranz-Straße. Es ist Sommer, Ende Juni. Um 19.35 Uhr ist es noch hell. Eigentlich ein normaler Sommerabend. Doch dann nähert sich der Seniorin ein Mann. Plötzlich reißt er ihr die wertvolle Goldkette vom Hals und rennt weg. So lautet zumindest die Anklage. Vor dem Amtsgericht in Menden muss sich der heute 25 Jahre alte Mann jetzt wegen minderschweren Raubes verantworten.
Das sagt der Angeklagte
Der Beschuldigte, der in Algerien geboren wurde, kam 2022 ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland. Einen Wohnsitz hat er nicht. In Handschellen betritt er den Saal, ein Dolmetscher steht ihm zur Seite. Bereits die Aufnahme der Personalien ist schwierig: Vor- und Zuname müssen erst geklärt werden. Schon kurz nach der Festnahme legte der Mann ein Teilgeständnis ab. Doch vor Gericht wird schnell klar: Einige Schilderungen zum Tathergang wichen von denen des Opfers und des Zeugen ab. Immer wieder verstrickt sich der Angeklagte vor Gericht in Widersprüche. Einmal wolle er die Frau nicht angefasst haben, ein anderes Mal habe er ihr den Arm umgelegt, um die Kette zu entwenden.
Einem medizinischen Gutachten zufolge war der Mann zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert und stand unter Einfluss von Drogen. Er habe als 14-Jähriger mit dem Drogenkonsum begonnen, nachdem sein Vater in Algerien getötet worden sei, erklärt der Angeklagte. Auch rund um den Tatzeitpunkt habe er verschiedene Betäubungsmittel konsumiert. Schließlich entschuldigt sich der Angeklagte bei der Geschädigten.
Das sagt das Opfer
Dann sagt die Seniorin aus. Zum ersten Mal an diesem frühen Sommerabend habe sie den Mann an der Hönnebrücke getroffen, dort habe er sie „angetanzt“, sagt sie. Ihrer Meinung nach habe er in diesem Moment die Kette, die sie trug, sondiert. Das Schmuckstück habe einen Wert von etwa 800 Euro. Sie sei weiter gegangen. An der Bahnhofsbrücke habe der Angeklagte sich ihr plötzlich ein zweites Mal genähert und den Arm um sie gelegt. Dabei habe er binnen Sekunden die Halskette entwendet.
„Es ging alles so schnell, plötzlich machte es klick und meine Kette war weg.“
„Es ging alles so schnell, plötzlich machte es klick und meine Kette war weg“, sagt die Zeugin. Der Anwalt des Angeklagten und eine Gerichtspraktikanten dienen kurzerhand als Statisten, um die Situation nachzustellen. Die 80-jährige Frau wirkt zwar sehr gefasst, erklärt aber auch, dass sie die Kette seit dem Tag nicht mehr getragen habe. Sie würde es vermeiden zu unbelebten Zeiten – auch wenn es noch hell ist - rauszugehen.
Das sagt der Zeuge
Ein weiterer Zeuge wird in der Verhandlung hinzugezogen. Bei ihm handelt es sich um einen Mitarbeiter der Feuerwehr Menden. Dieser befand sich auf der Rückfahrt vom Krankenhaus, als am Heimkerweg die alte Dame auffiel, die auf ihn einen verängstigten Eindruck machte, zeitgleich sah er den Angeklagten davon laufen. Der Feuerwehrmann informierte die Polizei, gab Hinweise und kümmerte sich um die Frau.
Der Angeklagte konnte dank der Hilfe des Feuerwehrmannes kurz darauf festgenommen und die Goldkette sicher gestellt werden. Bei dem jungen Mann handelt es sich bei der Polizei um keinen Unbekannten. Er wurde bereits zu mehreren Strafen wegen Diebstahls auf Bewährung verurteilt. Deshalb und weil der Raub geplant schien, fordert die Staatsanwaltschaft diesmal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wegen minderschweren Raubes. Die Verteidigung versucht, das Delikt auf einen Diebstahl abzuschwächen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht unter Leitung von Martin Jung bleibt in seinem Urteil unter Berücksichtigung des Teilgeständnisses, und weil der Angeklagte zur Tatzeit unter Drogen stand, nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilt den Täter zu einem Jahr und fünf Monaten Haft. Martin Jung begründet das Urteil zum minderschweren Fall des Raubes aufgrund der schlechten Sozialprognose, der Vorgeschichte des Angeklagten und der daraus resultierenden Fluchtgefahr. Während der gesamten Verhandlung vermeidet der Angeklagte den Blickkontakt – und auch die Verkündung des Urteils nimmt er mit gesenktem Kopf entgegen.