Fröndenberg/Schweiz. Von Fröndenberg in die Schweiz: Hebamme Theresa Wies traut sich auszuwandern. Es läuft nicht wie geplant, Tränen fließen. Aber es gibt Hoffnung.
„Ich arbeite hier viel, viel mehr. Mehr als je zuvor. Und ich Deutschland habe ich mehr verdient als hier“, sagt Theresa Wies. Die Fröndenbergerin ist vor rund zwei Monaten ins kalte Wasser gesprungen und hat ihren Traum von der Auswanderung erfüllt. Nun lebt sie in der Schweiz mit ihrem zehnjährigen Sohn und irgendwie ist alles anders gekommen, als sie ursprünglich gehofft hatte. Und doch macht sie das Beste aus der neuen Situation - auch wenn es sie die ein oder andere Träne kostet.
In Fröndenberg und Menden alle Zelte abgebrochen
Ein Zuhause, Freunde, die eigene kleine Familie und eine gut laufende Selbstständigkeit als beliebte Hebamme: All das hat die 42-Jährige in Fröndenberg zurückgelassen, um in der Schweiz neu anzufangen. „Ich bin sehr etabliert hier. Und ja, ich bin alleinerziehend, aber ich habe ein privilegiertes Leben“, sagte Theresa Wies kurz bevor ihr Abenteuer Auswanderung startete. Der Wunsch nach mehr, nach einem Umbruch, war groß und so bereitete sie monatelang alles vor. Denn um in der Schweiz leben zu dürfen, musste sie einige Voraussetzungen erfüllen und diverse Nachweise erbringen. Das tat sie auch - und doch kam nun alles anders als gedacht.
„Nachts allein zu sein, das ist sehr, sehr krass, weil ich noch nicht alles kann.“
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„Im Großen und Ganzen geht es uns gut“, sagt Theresa Wies. Die vergangenen Wochen waren anstrengend. Sie ist erschöpft von der Arbeit in dem Schweizer Krankenhaus. Besonders die Nachtschichten und Schichtdienste hätten es in sich. 16 Betten mit Frauen plus deren Babys gebe es während einer Nachtschicht allein zu versorgen. „Da habe ich keine Zeit, müde zu werden“, erklärt die Hebamme. Mit einem kleinen Roller flitze sie dann über die Station. Und abgesehen von den noch ausbaufähigen Sprachkenntnissen (Schweizerdeutsch und Französisch: „Ich habe jetzt eine Übersetzer-App und spreche da rein.“), muss sie auch ihr Wissen erweitern. „Nachts allein zu sein, das ist sehr, sehr krass, weil ich noch nicht alles kann“, sagt sie. Denn auf der Station würden auch Frauen mit gynäkologischen Problemen untergebracht. „Es geht um viele Bereiche, die ich vorher so nicht gemacht habe.“ Auch Pflege oder die Gabe von Medikamenten gehöre dazu. „Mein Kopf hat geraucht in den ersten Wochen.“
Selbstständigkeit ist erstmal nicht umsetzbar
Aktuell hat Theresa Wies eine 70-Prozent-Stelle in dem Krankenhaus und wird diese bis Ende des Jahres so weiterführen. Danach reduziert sie die Stunden, um einen festen freien Tag in der Woche zu haben, an dem sie dann als angestellte Hebamme in einer Praxis anfangen wird. „Das ist für mich ein Lichtblick. Darauf freue ich mich.“ Denn geplant war das alles so nicht. Eigentlich wollte Theresa Wies nebenbei ihre Selbstständigkeit schrittweise in der neuen Heimat (wieder) aufbauen, um möglichst schnell wieder komplett ihre eigene Chefin zu sein. Das hat aber bisher nicht geklappt. Viele Tränen sind geflossen. „Das war im ersten Moment schon ein Wow. Ich habe dann allen mein Herz ausgeschüttet“, sagt sie.
„Das war im ersten Moment schon ein Wow. Ich habe dann allen mein Herz ausgeschüttet.“
„Ich habe den Schritt auszuwandern bisher nicht bereut. Aber es ist anders, als das, was ich an Informationen hatte“, sagt sie. Denn sie hat zwar die Zulassung, um in der Schweiz als Hebamme arbeiten zu dürfen. Aber um auch selbstständig tätig sein zu können und mit den Krankenkassen abrechnen zu dürfen, muss sie länger als gedacht und zu 100 Prozent als Angestellte arbeiten. „Das Gesundheitswesen ist hier ganz anders.“ Für einen Arztbesuch hätte Theresa Wies neulich eine Rechnung über 700 Franken erhalten. „An die Preise habe ich mich noch nicht gewöhnt“, sagt sie. „Man zahlt hier viel selbst. Das ist schon krass.“
Viele Hebammenleistungen, die die Kassen in Deutschland übernehmen, müssen Schweizer Frauen auch selbst zahlen - wie zum Beispiel die Rückbildung nach der Geburt. Doch das zu zahlen, sei für die meisten Frauen utopisch. Auch die klassischen Kurse, die Theresa Wies in Fröndenberg und Menden angeboten hat, seien in der neuen Heimat schwerer zu realisieren. Es sei nicht unmöglich, aber anders. Denn - abgesehen von dem Thema Geld - gibt es in der Schweiz auch keine Elternzeit. „Das war mir so nicht bewusst, beziehungsweise habe ich mir darüber nicht so richtig Gedanken gemacht.“
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Absoluter Traum dort zu leben
Doch trotz all der Hürden: Die Seen-Region unweit der Alpen ist das neue Zuhause der Hebamme. Ihr zehnjähriger Sohn besucht die weiterführende Schule und lebt sich super ein. Französisch lernen die Beiden übrigens gemeinsam. Die neue Wohnung und auch die Umgebung seien ein absoluter Traum und auch mit ihrem Freund laufe es gut - auch wenn es hier und dort noch ein bisschen hake. „Ich bin noch nicht so erfahren in langen Beziehungen“, sagt die 42-Jährige. Aber es wird. Sie sei „sehr flotti“ mit allem und er eher „sehr gechillt“, einen Mittelweg suchen die Beiden gerade. Auf jeden Fall unterstütze er sie bei allem, so gut wie möglich.
„Es sind viele Eindrücke und noch fühlt es sich ein bisschen wie Urlaub an, wenn man die Alpen sieht.“ Käsefondue und Raclette seien genauso hoch im Kurs wie das Surfen auf den umliegenden Seen. Sie fühlt sich wohl und alles komme so, wie es muss. „Alles ist schwer, bevor es leicht ist.“ Und ob die Schweiz wirklich die Endstation ist? „Das weiß ich nicht.“
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Wir begleiten Theresa Wies und ihren Sohn weiter auf ihrem Abenteuer.