Menden/Balve. Die Goldbäckerei Grote aus Balve und die Evangelische Jugendhilfe Menden starten jetzt mit ungewöhnlichem Gemeinschaftsprojekt.
Wenn Familien in Menden oder Balve morgens am Frühstückstisch sitzen, dann wird auf der mitgebrachten Brötchentüte neuerdings eine ungewöhnliche Werbung stehen. Zu sehen ist darauf ein kleines Mädchen, und darüber steht ein Spruch: „Lassen Sie uns ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern!“ Darunter folgen dann die Kontaktdaten von Christiane Finke. Sie ist Fachberaterin für Bereitschafts-Pflegefamilien der Stiftung Evangelische Jugendhilfe in Menden.
Brötchentüten sollen in 22 Grote-Filialen ausgegeben werden
160.000 dieser Tüten will die Goldbäckerei Grote in ihren 22 Filialen in Menden, Balve und Umgebung in den kommenden drei Monaten unter die Leute bringen. Das Ziel und die Hoffnung aller Beteiligten ist es, auch auf diesem Wege Familien zu finden, die ein Herz für Kinder aus schwierigen Verhältnissen haben. Und die ihnen ein neues Zuhause auf Zeit geben können.
Familien brauchen viel Empathie für seelisch verletzte Kinder
Dabei eint die Bäckerei mit Stammsitz in Langenholthausen und die Jugendhilfe aus Menden, dass beide weit über ihre Ursprungsstandorte hinaus wirksam sind, fast im gesamten Märkischen Kreis. „Wir wollen auch mit der Brötchentüten-Aktion wie auf vielen anderen Wegen die Menschen erreichen, die vielleicht immer schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, sich eines Kindes für eine Zeitlang anzunehmen“, sagt Claudia Schirmer. Danach werde indes immer noch eine Auswahl getroffen, denn eine Bereitschaftspflege erfordere einiges, ergänzt Christiane Finke: „Große Empathie für seelisch verletzte Kinder, die auch dann erhalten bleibt, wenn sie sich nicht so verhalten wie Kinder aus behüteten Verhältnissen. Das erfordert viel Geduld und innere Ruhe.“ Stimmen sollten darüberhinaus die räumlichen Voraussetzungen. Damit sei kein Palast gemeint, aber ein eigenes Zimmer als Rückzugsort sollte es geben. Und: Erfahrungen mit eigenen Kindern seien immer wertvoll.
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Pflegefamilien werden von Profis sensibel und engmaschig betreut
Die Kinder entstammten häufiger Familien, in denen Vernachlässigung oder Gewalt, Überforderung, Erkrankungen oder Drogenkonsum der Eltern eine Rolle spielten. Für die ganz dringenden Fälle, die auch nächtliche Unterbringungen erfordern, habe die Evangelische Jugendhilfe aktuell fünf Familien, die in besonderer Weise darauf vorbereitet worden seien. „Das gilt aber nicht nur für diese Menschen. Bei uns erfahren alle Pflegefamilien eine sensible und engmaschige Beratung“, sagt Schirmer.
Evangelische Stiftung arbeitet eng mit heimischen Jugendämtern zusammen
Hinzu komme, dass auch der Austausch unter den Aktiven gepflegt werde, es gebe für alle Sommerfeste und Weihnachtsfeiern, dazu gemeinsame Frühstücke. „Das ist längst eine Community.“ Und als Verband stehe die Stiftung selbst in einer Verantwortungsgemeinschaft mit den Jugendämtern in Menden, Iserlohn, Hemer und des Märkischen Kreises, der auch für Balve zuständig ist. Die Dauer des Aufenthalts eines Kindes solle bei etwa einem halben Jahr liegen, doch im richtigen Leben gebe es alles: „Von drei Tagen bis zu zwei Jahren“, weiß Finke. Wobei der eiserne Grundsatz der vorübergehenden Aufnahme immer gelte: „Kein Kind bleibt.“
Für Familienbetrieb war Mitmachen keine Frage: „Sofort Ja gesagt“
Dieses enorme private Engagement zu unterstützen, sei der Bäckerei Grote ein Anliegen, betont denn auch Anna Sellmann aus der Geschäftsführung des heimischen Traditionsbetriebs. „Wir helfen da, wo auch wir als Familienbäckerei von der Sinnhaftigkeit überzeugt sind, und das ist hier eindeutig der Fall.“ Für die Grotes sei es keine Frage gewesen, als die Anfrage der Kinderschützer sie erreichte: „Wir haben sofort Ja gesagt.“ Unterstützungs-Aktionen mit Brötchentüten als Werbeträger habe es in der Vergangenheit immer mal gegeben, meist aber bleibe es beim Grote-Schriftzug. „Solche Aktionen auch für uns immer noch etwas Besonderes“, sagt Anna Sellmann.
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Derzeit 25 Bereitschafts-Pflegefamilien, davon sind 22 belegt
Und der Bedarf an aufnahmewilligen Familien bleibt groß. „Wir haben derzeit 25, von denen 22 aktuell belegt sind“, berichtet Finke. Einige davon lebten auch in Balve. „Gerade im ländlichen Raum sprechen sich gute Erfahrungen rasch herum.“ Wer Interesse an diesem Engagement hat, kann Näheres unter der Mailadresse finke@evangelische-jugendhilfe-menden.de oder unter der Rufnummer 02373 / 91 95 583 erfragen.