Menden. Noch kein Schnelltest zu Cannabis-Werten: Auch die Mendener Polizei muss bei Verdacht auf Nummer sicher gehen. 24 Stunden Fahrverbot.
Gleich mehrfach hat es in den letzten Tagen und Wochen Verkehrskontrollen der Polizei in Menden gegeben, bei denen auch der Verdacht auf Drogen am Steuer aufkam – gerne auch zusätzlich zu einer Alkoholfahne. Seit der Teil-Legalisierung von Cannabis am 1. April dieses Jahres steht die Mendener Polizei im Alltag aber vor einem Riesenproblem: „Es ist bisher nicht möglich, analog zum Röhrchenpusten bei Alkoholverdacht auch beim Cannabis mit einem zuverlässigen Schnelltest vor Ort festzustellen, ob jemand noch innerhalb des erlaubten Grenzwertes liegt oder wirklich nicht mehr fahrtüchtig ist“, erläutert Polizei-Pressesprecher Lorenz Schlotmann auf Anfrage der WP.
Polizei hofft auf rasche Entwicklung von Schnelltests wie dem Alco-Röhrchen
Die Blutprobe müsse auf der Wache entnommen, an ein Labor geschickt und dort ausgewertet werden. Das Ergebnis, ob der Fahrer noch fahrtüchtig war oder nicht, liegt somit erst Tage später vor. „Wir hoffen deshalb sehr, dass die gerade laufende Entwicklung eines Cannabis-Schnelltests rasch vorangeht“, erklärt Schlotmanns Kollege Lukas Borowski, ebenfalls Sprecher der Kreispolizeibehörde Iserlohn, die auch die Wache in Menden umfasst.
Wegen der Messbarkeit: Bundesregierung erhöhte im Juni den Grenzwert
Der Treppenwitz an dieser Geschichte: Analog zur 0,5-Promille-Grenze beim Alkohol für die Fahrtüchtigkeit gibt es in Deutschland auch für Cannabis einen Grenzwert. Den hat der Bundestag im Juni gerade erst von 1,0 auf 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum heraufgesetzt. Der Grund: Der Cannabis-Wirkstoff THC reichert sich bei Dauerkonsumenten im Körper an und bleibt viel länger messbar als Alkohol. Bei 1,0 Nanogramm ist aber noch nicht feststellbar, ob es sich um strafbaren aktuellen Konsum handelt oder um einen Restwert. Auch die neue 3,5er-Grenze hilft heimischen Beamten bei Kontrollen allerdings herzlich wenig. Denn die Polizei kann am Einsatzort die Höhe des Wertes nicht feststellen – und damit auch keine Unter- oder Überschreitung.
„Was passiert denn, wenn wir aus dem Bauch heraus jemanden weiterfahren lassen, der kurz danach einen dicken Unfall baut?“
Bei Drogenverdacht: Raus aus dem Wagen, rein in die Wache
Was folglich seit dem 1. April und auch heute noch auf Mendener Straßen geschieht, erläutert Lorenz Schlotmann so: „Bei Verdacht auf Drogenkonsum, den wir mit unserem Drugwipe-Test nach einem Wischer über die Haut rasch belegen können, ist die Fahrt in jedem Fall sofort beendet. Für einen Tag sprechen wir dann das Verbot der Weiterfahrt aus. Wir wissen nicht, wie hoch der aktuelle Wert bei dieser Person gerade wirklich ist, also gehen wir auf Nummer sicher.“ Fahrer oder Fahrerin werden dann zur Wache an der Kolpingstraße gebeten, wo durch einen hinzugerufenen Arzt die Blutprobe entnommen wird. Wer Alkohol getrunken hat und beim Pusten auf 0,3 kommt, darf sofort weiterfahren. Bei Cannabiskonsum gibt es noch keinen Vortest, der auch Werte anzeigt.
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Liegt der Laborwert unter dem Grenzwert, wird das Verfahren eingestellt
Stattdessen können erst die auch getrennt durchführbaren Untersuchungen auf Alkohol und Cannabis die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ermitteln. Daran hängt später auch die Strafzumessung. Deren Spektrum reicht weit, wie bisher schon bei Alkoholvergehen. Ist der Grenzwert von 3,5 Nanogramm unterschritten, kommt es zur Einstellung des Verfahrens. Je nach Höhe der Überschreitung des THC-Wertes reicht der Strafenkatalog von hohen Geldbußen bis zum Führerschein-Entzug. „Die Strafzumessung“, sagt Schlotmann, „ist aber nicht mehr Sache der Polizei.“ Es sei im Übrigen ein Märchen, dass Alkohol und Cannabis im Labor nicht unabhängig voneinander untersucht werden könnten. „Natürlich geht das!“
Drogen am Steuer kosten aktuell 500 Euro, zwei Punkte und Fahrverbot
Wer mit Drogen am Steuer erwischt wird oder nachweislich unter Drogeneinfluss gefahren ist, muss aktuell mit folgenden juristischen Konsequenzen rechnen: Beim ersten Vergehen drohen 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Im Wiederholungsfall sind es dann schon 1000 Euro Bußgeld, wiederum zwei Verkehrssünderpunkte, diesmal aber satte drei Monate Fahrverbot. Dazu können medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) angeordnet werden.
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Momentan noch kein Spielraum für die Polizei: Risiko wäre zu hoch
Vor Ort am Streifenwagen geht bis zur EInführung des Schnelltests indes so gut wie nichts. Was für betroffene Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet, dass sie augenblicklich zu Fußgängern werden, auch wenn der letzte Joint schon seit Tagen erkaltet ist. Könnte die Polizei bis zur Schnelltest-Einführung dann nicht anhand äußerer Merkmale oder des allgemeinen Verhaltens des Fahrers feststellen, ob er womöglich doch weiterfahren darf?
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„Nein“, sagt Schlotmann klipp und klar. „Unsere Einschätzung muss ja gerichtsfest sein. Außerdem würden wir ein extremes Risiko eingehen. Was passiert denn, wenn wir aus dem Bauch heraus jemanden weiterfahren lassen, der kurz danach einen dicken Unfall baut?“