Menden. Ingo Mannel isst Döner, Pizza und Burger, filmt sich dabei und verdient damit Geld. Hunderttausende schauen ihm online beim Essen zu.
Eigentlich, so sagt Ingo Mannel, sei er „eher introvertiert und zurückhaltend“. Wer den 57-Jährigen in den sozialen Netzwerken sieht, vermag das kaum zu glauben. Denn hier folgen ihm zehntausende Menschen. Hunderttausende schauen ihm bei einzelnen Beiträgen zu. Seine Videos haben mittlerweile alleine auf der Plattform TikTok drei Millionen Aufrufe. Dabei ist das, was Ingo Mannel dort zeigt, etwas eigentlich ganz Alltägliches: Er isst.
#Mukbang
Mit seinen Fast-Food-Videos trifft Ingo Mannel offenbar den Nerv vieler Menschen. Seine Beiträge versieht er auf TikTok immer mit dem Hashtag „mukbang“. „Mukbang“ ist eine Wortneubildung aus den koreanischen Wörtern „meokneun“ (essen) und „bangsong“ (übertragen), heißt es auf der Seite des Bundeszentrums für Ernährung. „Der Begriff steht für ein Streaming-Angebot aus Südkorea, bei dem Menschen unterschiedlich große Mengen an Nahrung zu sich nehmen und sich dabei filmen.“
Ursprünglicher Zweck der Mukbang-Videos sei es gewesen, „Gefühle der Einsamkeit und Isolation zu reduzieren“. Menschen, die alleine leben, können sich beim Essen per Live-Chat mit denjenigen austauschen, die den Live-Stream gestartet haben. Mittlerweile gebe es statt des „klassischen Live-Streaming-Formats“ vielfach Aufzeichnungen, die dann „anschließend über YouTube oder TikTok verbreitet“ werden.
In einem TikTok-Video sitzt Ingo Mannel in seinem Auto, er war gerade bei „Theo“ in Menden und isst („geilste Currywurst-Pommes-Mayo der Welt“). In einem anderen Video ist er bei sich zu Hause, vor sich Nudelsalat („hausgemacht“) mit einem Schnitzelbrötchen von der Spachtelhütte Schwitten („das ist top“). Sein Kommentar zum „Kaskaschnitzel“ mit Gyros und Pommes vom Kaska-Grill in Menden: „Der Geschmack – richtig geil.“ Mal gibt es einen Dönerteller mit Pommes zum Abendbrot oder mal ein Brötchen mit Mett, Mettwürstchen und Zwiebeln zum Frühstück („Was ist das denn für ein Gummibrötchen?“). Auf einem Baumarkt-Parkplatz isst Ingo Mannel Pommes mit Mayo und Currywurst. Als Mitternachtssnack schmiert er sich ein Toast mit Butter, Nutella („Nutella nie ohne Butter“), Butterkäse, dann kommt noch mal eine dicke Schicht Nutella drauf, zur Krönung noch vegane Wurst. Immer kommentiert er: Was schmeckt, was eher nicht?
Jeden Beitrag kommentieren hunderte Menschen, tausende drücken auf das Herz-Symbol, um ihn zu liken. Mehrere zehntausend bis zu mehr als zwei Millionen Menschen rufen jedes der kurzen Videos – Reels genannt – auf. „Westhunsburyfighter“ ist Ingo Mannels Name auf TikTok, „Westhunsbury“ heißt sein Account auf Instagram. In dem Stadtteil Westhunsbury in Northampton (England) hat Ingo Mannel mal gelebt, „und ,Fighter‘, weil ich schon immer ein Kämpfer war“.
Ingo Mannel ist manchmal selbst noch überrascht, wenn er daran zurückdenkt, wie seine nicht geplante Karriere als so genannter Video-Creator Fahrt aufgenommen hat. Denn mit sozialen Medien hatte Ingo Mannel beruflich eigentlich nichts zu tun, erzählt er. Er ist in Menden aufgewachsen und war hier früher Chef einer Spedition, erzählt er. Bei Unitrans am Bräukerweg habe er die Kantine betrieben. Nach seiner Scheidung lebte er einige Zeit in England, kam dann aber wieder nach Menden zurück. Hier arbeitete er auch als Lkw-Fahrer: „Und als Fernfahrer macht man sein Essen selbst – da fing das an, dass ich mein Essen fotografiert habe.“ Damals seien es 50 oder 60 Leute gewesen, „die sich das angeguckt haben. Ich habe früher vor allem Fotos gemacht. Und wenn doch mal ein Video, dann nur ein paar Sekunden lang.“
Jeden Tag mindestens ein Video
Mittlerweile sind die Videos deutlich länger. Und vor allem postet er regelmäßig: „Jeden Tag mindestens ein Video“, erläutert Ingo Mannel. Dadurch, dass er regelmäßig Präsenz zeige, würden seine Beiträge besser ausgespielt, also mehr Menschen angezeigt. Die Zahl der Aufrufe pro Video sei auf diese Weise schnell gewachsen: „Das waren erst 800 bis 1000 Aufrufe, dann 2000 bis 3000 und irgendwann immer mehr.“
Kürzlich hat er bei Instagram die 10.000-Follower-Marke erreicht, bei TikTok sind es mehr als 85.000 Menschen. Das soziale Netzwerk Facebook habe er nur mit wenigen Videos ausprobiert: „Die Kommentare da sind unterirdisch.“ Zwar gebe es auch auf TikTok und Instagram mal dumme oder gemeine Kommentare, „aber die meisten sind freundlich“. Er habe die Erfahrung gemacht: „Sobald man eine gewisse Reichweite hat, dann kommen nicht nur die Neider, sondern auch diejenigen, die meine Reichweite für politische Interessen oder anderes ausnutzen wollen.“
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Ingo Mannel darf nicht allzu empfindlich sein bei Kommentaren, die unter seinen Videos auftauchen. Denn auch wenn sich bei manchen Kommentaren Menschen offenkundig im Ton vergreifen, trägt dies dazu bei, dass die Reichweite – also die Anzahl der Personen, die die Inhalte sehen – von Ingo Mannels Videos stetig wächst. Aber es gibt Grenzen: „Wenn mich jemand beleidigt, dann sperre ich den und lösche den Kommentar. Solche Menschen ändern sich meistens nicht.“ Doch wenn er hier allzu rigoros vorgehen würde, dann habe das negative Auswirkungen auf die Reichweite: „Ohne die Hater erreiche ich die Reichweite nicht, das gehört also dazu.“
@westhunsburyfighter #viral #foryou #mukbang #mukbangvideo #mukbangeatingshow
♬ Originalton - Westhunsbury
Vor kurzem ist Ingo Mannel nach Iserlohn umgezogen. Wo genau er lebt, das ist geheim. Denn bisweilen habe er schon Drohungen bekommen, dass ihm jemand den Autolack zerkratzen oder die Reifen zerstechen will – so dass er lieber dafür sorgt, dass niemand weiß, wo genau er lebt.
„Das würde ich nie verraten. Das weiß selbst meine Tochter vorher nicht.“
Ingo Mannels „Markenzeichen“ ist, dass er oft Fast Food isst. Würde er auch mal eine Gemüsepfanne für ein Video essen? Ingo Mannel lacht: „Das guckt sich keiner an.“ Er setzt „aufs Belohnungsprinzip“, erklärt er. So würden viele Menschen nach einem stressigen Tag „als Belohnung zu McDonald‘s“ gehen oder sich eine Pizza oder einen Döner ordern. Und genau das versuche er in seinen Videos zu zeigen. Mittlerweile hat sich Ingo Mannel schon quer durch Menden, Iserlohn und die umliegenden Städte „gegessen“. Und das wird langsam zum Problem: „Was esse ich noch? Ich hab‘ schon so viel gemacht.“ Ohnehin ist die Frage danach, was Ingo Mannel als Nächstes vor der Smartphone-Kamera isst, tabu: „Das würde ich nie verraten. Das weiß selbst meine Tochter vorher nicht.“
„Die meisten User achten nicht aufs Datum, so entsteht dann der Eindruck, dass ich viel essen würde.“
Dem Eindruck vieler Follower, dass Ingo Mannel relativ viel isst, widerspricht der gebürtige Lüdenscheider. „Die meisten User achten nicht aufs Datum, so entsteht dann der Eindruck, dass ich viel essen würde.“ Doch seien Videos eben zum Teil auch älter und werden den verschiedenen Nutzern bisweilen erst Tage oder sogar Wochen später ausgespielt. Ohnehin esse er nur einmal am Tag: „Wenn ich einen Döner esse, dann reicht mir das für 24 Stunden. Vielleicht abends noch mal eine Tomate, aber mehr nicht“, sagt Ingo Mannel. „Sonst würde ich wahrscheinlich 200 Kilo wiegen.“
Dank seiner hohen Reichweite kann Ingo Mannel von seinen Videos zwar – noch – nicht leben, aber verdient jeden Monat Geld: „Ich kann davon meine Miete bezahlen.“ Für ein Video, das mindestens eine Minute lang sein müsse, zahle ihm TikTok eine bestimmte Summe pro tausend Aufrufe. Und auf Instagram hat er bereits durch zwei Werbepartner verdient: „Ich möchte das Ganze auf alle Fälle weiter ausbauen.“
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„Westhunsburyfighter“, sein Name auf den digitalen Plattformen, hat sich Ingo Mannel mittlerweile sogar europaweit schützen lassen, erklärt er. Als nächsten Schritt plant er, Fanartikel wie T-Shirts und Kappen anzubieten.
„Gänsebraten mit Orange-Rotwein-Soße.“
Ob Döner, Burger, Currywust oder Schnitzel: Ingo Mannel probiert in seinen Videos alles. Hat er denn ein Lieblingsgericht? „Gänsebraten mit Orange-Rotwein-Soße“, sagt der 57-Jährige. Acht Stunden stehe er für dieses Gericht in der Küche. Es muss also auch bei Westhunsburyfighter nicht immer Fast Food sein.