Menden. MAT-Premiere „Der Psycho“. Hauptdarsteller bringt es auf den Punkt: „Da ist alles dabei, Mord, Liebe, Sex, ein bisschen Comedy.“
Nach einem ersten Blick reibt sich der Besucher im großen Saal des Mendener Amateurtheater verwundert die Augen: Sonst eher spartanisch ausgestattet, ist diesmal das Bühnenbild, gestaltet von Cornelia und Martin Böhr sowie Uli Müthing, recht opulent aufgebaut und zeigt eine Kellerwohnung. Irgendetwas fehlt trotzdem: Jeder Gast in diesem Raum vermisst irgendetwas, damit mehr Atmosphäre hineinkommt. Ein Kamin könnte das Klima verbessern, ein Spiegel an exponierter Stelle für Entspannung sorgen, den Gipfel schießt die Kommissarin ab, die ein Dachfenster vorschlägt, wohlgemerkt, im Keller.
Hier, mitten in New York, haust, respektive wohnt, ein ziemlich erfolgloser Schriftsteller. Schon bevor sich der Vorhang öffnet, symbolisiert rhythmisches Schreibmaschinengeklapper, um welche manchmal sehr reiche, in diesem Stück allerdings eher arme Zunft es geht: um einen Kriminalautor auf der Suche nach der ultimativen Story.
Ein Schild soll finanziellen Input bringen
Da ihm die Geschichten nicht wie gewünscht aus der Feder fließen, beziehungsweise er bereits nach ein paar Seiten ins Stocken gerät, soll ein Schild im Fenster für finanziellen Input sorgen: Er behauptet, ein Kenner der Parapsychologie zu sein.
Für 25 Dollar will er die Zukunft oder auf Wunsch die Vergangenheit weissagen. Tatsächlich schneit schnell mit Laura Benson (Nadine Erbsfeld) die erste Kundin herein, diese merkt aber schnell, wessen Geistes Kind der Wahrsager ist: auch auf diesem Gebiet ein Totalversager. Eigentlich aber sucht die Dame nur jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten kann. Fast schon wieder an der Tür beichtet sie Eheprobleme, will mit ihrem Gatten Roy nach Paris, ihre Lebensgemeinschaft retten. Da kommt der Schreiberling Adam Webster aber mal so richtig in Fahrt, projiziert seine Fantasie in die Gegenwart seiner Besucherin: „Ihr Mann will sie umbringen.“ Das „Nein, das kann doch nicht sein“ steht buchstäblich als Fragezeichen im Gesicht der erschrockenen Gattin.
Köstlich, wie Lukas Meier als Adam Webster die Unsicherheit des linkischen Typen in Szene setzt. Wie er immer wieder seinen Pullover nach unten zerrt und auch der ungeschickte Griff an die Brille erreicht eine rekordverdächtige Zahl. Nicht, dass diese Bewegungen irgendwann als „schon wieder“ empfunden werden, nein, sie passen perfekt in den Ablauf, Webster wird das Hölzerne, das Verkrampfte sofort abgenommen.
Papierknäuel auf dem Fußboden
Wobei im zweiten Teil noch ein Detail auffällt: „Woher hat die Regie nur diese Socken, mit denen der Hauptdarsteller über die Bretter, die die Welt bedeuten, schlurft. Auch die Filzschluffen sind schon außergewöhnlich.“ Die Regisseure Ralf und Daniel Kreisel (Vater und Sohn) haben nichts dem Zufall überlassen, glänzen fast mit Pedanterie, achten auf die kleinste Kleinigkeit. Da stimmen nicht nur die Texte, da hat jede Requisite ihre Berechtigung. Seien es die Papierknäuel auf dem Fußboden, wo wieder einmal ein misslungenes Kapitel entsorgt wurde, die Bücher, die als Vorlagen genutzt werden, die Filmplakate an der Wand oder die vielen „Geschäftskarten“, mit Bleistift geschrieben, weil doch die Tinte alle war.
„Ihr Mann will sie umbringen.“
So nach und nach lernt das Publikum die anderen Figuren kennen. Da kommt der Ehemann (Roy alias Michael Roloff) mal kurz rein, er hat eine dieser Visitenkarten („sehr ungewöhnlich mit Bleistift geschrieben“, „Naja, die Tinte war alle“) gefunden, wusste, wohin er sich wenden musste.
Behaftet mit den Klischees der 40er Jahre
Richtig Schwung ins Bild brachte Jasmin Grünschläger als Rita Malone, die Dame platzt vor Lebensfreude, ihr sind Beziehungen prinzipiell egal, Hauptsache, sie hat eine, oder mehrere parallel, einfach köstlich.
Da platzt dann der Kleinkriminelle Johnny Bubbles, gespielt mit allen Klischees der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von Markus Schultz, herein und faselt was von „Big Fat irgendwer“, seinem Boss. Der nie erscheint, aber doch immer sprichwörtlich in der Luft schwebt.
Schließlich: DER Auftritt. Denn als dann die Türklingel geht und im Rahmen die Kommissarin erscheint, Kirstin Bödingmeier als Nora Coslow, sind keine Worte nötig. Sie steht nur da, lässt nur wirken, das Publikum rastet förmlich aus. Das nennt man wohl eine Erscheinung, wie es die Stuhlnachbarin treffend formuliert.
Hauptdarsteller gibt es gleich zwei
Das Ensemble des MAT schafft es einmal mehr, im Zusammenspiel mit einer verworrenen Geschichte (die den roten Faden erst, wie für etwas Kriminelles üblich, in der zweiten Hälfte ein bisschen entwirrt) die Besucher in den Bann zu ziehen. Aber bis zum Ende bleiben kleine Zweifel, was ist es denn nun: Krimi, Liebesspiel, Drama, Fantasie oder was? Auf alle Fälle ist es ein Theaterstück. Zur Klärung hilft da mal reinschauen, um sich ein eigenes Urteil zu bilden. Um es noch etwas komplizierter zu machen, ist die Rolle des Hauptdarstellers gleich zweifach besetzt: Simon Großerhode soll aber Lukas Meier in nichts nachstehen.
Im April gibt es gleich neun Mal die Gelegenheit zum Mitfiebern: freitags (5., 12., 19.), samstags (6., 13. , 27.), sonntags (21., 28.) und dienstags (30.). Weitere Termine und die Uhrzeiten auf www.mat-menden.de.