Menden. Das Junge MAT begeistert mit Klassikern, nicht immer muss es Shakespeare sein, ein Stück von Gotthold Ephraim Lessing hat auch Reize.
„Sommernachtstraum“, Schillers „Die Räuber“ oder „Hamlet“ - geht es auf der Bühne des Mendener Amateurtheaters um zeitlose Klassiker, ist es der Nachwuchs, das Junge MAT, welches diese Stücke präsentiert. Jetzt also steht Emilia Galotti auf dem Plan, die Handlung dreht sich um Intrigen, es ist ein Drama, natürlich geht es dabei auch um Mord, Ehre und Moral.
Schwere Kost sicherlich, denkt der Besucher, wenn er darauf wartet, dass sich der Vorhang hebt. Als dann aber drei Gestalten in weißen Ganzkörperanzügen von oben durch das Publikum Richtung Bühne marschieren, wo eine leblose Person von regungslosen Figuren eingerahmt liegt, ziehen sich doch etliche Augenbrauen erstaunt zusammen. Was hat denn nun ein bürgerliches Trauerspiel, 1772 uraufgeführt, in den Zeiten der Aufklärung, mit einem Tatort zu tun? Wo auch noch eine Kommissarin in der Szene auftaucht, die Kriminaltechnik herumscheucht, Spuren sichern lässt, und erste Schlüsse zieht, wer oder was sich abgespielt hat. „Wo ist das Motiv oder wer hätte denn eins“, rätselten die Kriminalen herum.
Junges MAT bringt Emilia Galotti auf die Bühne
Lessing erscheint am Tatort
Da erhebt sich eine Figur, seltsam gekleidet und gibt ein Rätsel auf: „Nicht der Täter ist das Problem, sondern die Tat.“ Er stellt sich als Gotthold Ephraim Lessing vor, Autor des nachfolgenden Bühnenstücks, welches den damals herrschenden französischen Gefühlen „nicht“ entspricht. Kein Absolutismus, nein, das Bürgertum mit seiner kürzlich aufgeklärten Moral widersetzt sich der Willkür des Adels.
Da ist der Prinz, eigentlich mit einer Standesdame liiert, kurz vor der Hochzeit, doch er hat ein Auge auf Emilia Galotti geworfen, die wiederum kurz vor dem Gang vor den Traualtar mit einem Grafen steht. Also wird der Kammerherr beauftragt, eine Intrige zu spinnen, die die begehrte Dame in die Arme des hochherrschaftlichen Herren treibt. Am besten wäre es, wenn der Widersacher, sprich der Bräutigam, dabei zu Schaden kommt. Ein fingierter Überfall ist die Lösung. Jetzt wird es kompliziert, denn der ebenso geniale wie überhebliche, aber doch gleichzeitig schlagfertige Gehilfe des Prinzen, Marinelli mit Namen, denkt wie ein Schachspieler einen Zug weiter. Emilia wird bei der Tat von (deutlich erkennbaren) Leuten des Adligen gerettet und ins Lustschloss des Verliebten gebracht. Bei diesen Vorzeichen kann sie sich ja nur in des Prinzen Arme werfen. Nebeneffekt zudem: Der Mann ihres Herzens findet – natürlich – den Tod.
So weit, so gut, so falsch. Denn dann taucht die Mutter auf, schließlich der Vater, die eigentlich zur Prinzengemahlin auserkorene Dame, ganz Hochadel. Es wird unübersichtlich, Marinelli versucht zu ordnen, hat immer eine Idee, doch hier soll nicht gespoilert, sondern es soll zum Besuch im Mendener Amateurtheater eingeladen werden.
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Ensemble mit doppelter Besetzung
Das Ensemble steigert sich schon bei der Premiere in einen Rausch. Es gibt einen guten Grund, dass hier die Darsteller nicht genannt werden, denn alle Charaktere wurden doppelt besetzt, kein festes Ensemble, es wird bunt gemischt, 24 Namen würden den Rahmen sprengen. Ein jeder Zuschauer kann sich seine Lieblingsrolle aussuchen, dies sollte allerdings schwerfallen. Bis in die kleinste Nebenrolle ist zu spüren, dass hier Herzblut hineinfließt. Dem Kammerdiener wird die Unterwürfigkeit genauso abgenommen wie dem Vater der Emilia die Verzweiflung, dem Banditen die moralische Verkommenheit wie der übereifrigen kriminaltechnischen Assistentin ihre Besserwisserei. Tatsächlich taucht nach der Pause noch einmal das Ermittlerteam auf. Rätselt, erkennt erste Spuren, hängt fleißig Fotos an die Wand, zieht Linien, um Zusammenhänge aufzudecken, schiebt Verdächtigungen von einem zum anderen, verwirft Erkenntnisse, erkennt neue Einsichten, Ähnlichkeiten mit einem Sonntagabend in der ARD sind unverkennbar.
Übrigens eine tolle Idee der Regie, von Kira und Mika Brenne, den jeweiligen Beginn, zum Start und nach der Pause, in die Moderne zu verlagern und so darzustellen, wie es in der heutigen Zeit empfunden werden kann, als Kriminalfall. Wobei der „olle“ Lessing wiederum auftaucht und zum zweiten Mal seinen Rat abgibt: „Nicht der Täter ist das Problem, sondern die Tat.“ Auch diesmal hält sich der Überblick in Grenzen, bei den Ermittlern herrscht eigentlich nur Staunen, außer dem vorlauten Wesen der „KTU“, die immer wieder neue Theorien hervorkramt, aber stets eingebremst wird.
Acht Monate Probezeit perfektioniert die Abläufe
Erwähnt werden muss die musikalische Untermalung (Kira Brenne und Lukas Meier), die den Spannungsbogen zusätzlich anheizt. Nicht zu vergessen die Technik, die speziell bei den Lichtspots die Dramatik betont, acht Monate Probezeit haben die Abläufe perfektioniert.
Das Ensemble vom „Jungen MAT“ schafft es bei „Emilia Galotti“ nicht nur den Blick der Zuschauer in die Zeit der Aufklärung zu lenken, die Geschichte flüssig und erkennbar voranzutreiben, es sind zudem immer wieder humorvolle Szenen eingefügt, die perfekt ins Spiel der Darsteller passen.
Am Ende bleibt festzuhalten, dass das Drama, bedingt durch Sprache und Abbild der damaligen Moral, kein beschwingtes Stück ist, aber doch durch das Spiel der Akteure leicht herüberkommt. Das Premierenpublikum dankte es mit langanhaltendem Beifall, der Applaus war allemal verdient. Wer sich für das klassische Theater mit leichten modernen Einspielungen interessiert, wird hier gewiss auf seine Kosten kommen. Aber auch Besucher, die einen Einstieg ins Theater wagen möchten und bisher nicht den Antrieb hatten, es zu versuchen, werden bei Emilia Galotti mit einer interessanten Aufführung und einer tollen Bühnentruppe belohnt.
Weitere Aufführungen freitags (23. Februar, 1. und 8. März, jeweils 20 Uhr), samstags (24. Februar, 2. und 9. März, 20 Uhr) sowie sonntags (25. Februar, 3. und 10. März, 17 Uhr).
Tickets gibt es bei den bekannten Vorverkaufsstellen und unter Tel.: 023737/9195591, hier bitte auf den Anrufbeantworter sprechen.