Menden/Märkischer Kreis. Im Märkischen Kreis können sich drei neue Psychotherapeuten niederlassen. Kann Menden davon profitieren? Wir haben nachgefragt.

Wer einen Platz für eine Psychotherapie sucht, muss oft viel Glück oder noch mehr Geduld haben. Nun hat der Märkische Kreis drei zusätzliche Plätze bekommen. Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten? Wir haben beim nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium und bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) nachgefragt.

Können sich die drei neuen Psychotherapeuten in irgendeiner Stadt des Märkischen Kreises – also zum Beispiel in Menden – niederlassen oder werden die Sitze über den Kreis verteilt?

„Die Niederlassungen können nur in Altena (2 Sitze) und Herscheid (1 Sitz) erfolgen“, stellt Charlotte Dymek von der Pressestelle des NRW-Gesundheitsministeriums auf Nachfrage der Westfalenpost fest. Das Land könne die Ausschreibung zusätzlicher Sitze nur für ländliche oder strukturschwache Gebiete veranlassen, die für weitere Zulassungen gesperrt sind. „Die Gebiete, für die Anträge möglich sind, wurden in einer Vereinbarung mit dem Zulassungsausschuss festgelegt“, erklärt Charlotte Dymek. „Im Märkischen Kreis wurden nach einer Vorprüfung der Kassenärztlichen Vereinigung Anträge konkret bezogen auf Altena und Herscheid gestellt, weil dort die Voraussetzungen vorliegen.“

Die rechnerisch ausreichende Versorgungslage steht jedoch im Widerspruch zu den langen Wartezeiten auf einen freien ambulanten Therapieplatz.
Charlotte Dymek - Pressestelle, NRW-Gesundeitsministerium

Ist denn der Bedarf im Märkischen Kreis mit den drei zusätzlichen Sitzen gedeckt?

Das NRW-Gesundheitsministerium gehe davon aus, „dass sich die Situation im Märkischen Kreis durch die zusätzlichen Sitze verbessern wird“, sagt Charlotte Dymek. Die Zahl der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die sich in bestimmten Regionen niederlassen können, werde nach bundeseinheitlichen Regelungen festgelegt. „Der demnach festgestellte Bedarf ist im Märkischen Kreis rechnerisch zwar gedeckt. Die rechnerisch ausreichende Versorgungslage steht jedoch im Widerspruch zu den langen Wartezeiten auf einen freien ambulanten Therapieplatz“, so Charlotte Dymek. Dies sei ein Hinweis darauf, „dass der konkrete Bedarf nicht in vollem Umfang gedeckt ist. Die Grundlagen der Bedarfsermittlung bedürfen daher einer Anpassung.“

Ein Mann steht mit einem Regenschirm auf einem Bootsanleger. Wenn die Stimmung allzu oft niedergedrückt ist, suchen manche Menschen nach einem Therapeuten oder einer Therapeutin.
Ein Mann steht mit einem Regenschirm auf einem Bootsanleger. Wenn die Stimmung allzu oft niedergedrückt ist, suchen manche Menschen nach einem Therapeuten oder einer Therapeutin. © dpa | Victoria Bonn-Meuser

In der Bedarfsplanung wird festgelegt, wie viele Ärzte und Psychotherapeuten in einem Kreis oder einer Region benötigt werden. Wer funktioniert das?

Die Bedarfsplanung solle „eine ausreichende flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Ärzt*innen/Psychotherapeut*innen gewährleisten sowie eine Fehlversorgung vermeiden“, stellt Daniel Müller, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), gegenüber der Westfalenpost fest. Die Bedarfsplanung sei „das entscheidende Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Grundlage ist die Bedarfsplanungs-Richtlinie, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen wird.“

Stimmt die Relation von Psychotherapeuten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so betrage der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. „Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (hausärztliche Versorgung) beziehungsweise 50 Prozent (fachärztliche Versorgung inklusive Psychotherapie) wird geprüft, ob eine Unterversorgung droht“, erläutert Daniel Müller. Eine Überversorgung werde im Allgemeinen ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent ausgewiesen; der Planungsbereich werde dann für Neuzulassungen gesperrt.

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Wer plant die psychotherapeutische Versorgung im Märkischen Kreis?

Die psychotherapeutische Versorgung zählt zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung und wird somit auf Kreisebene geplant, berichtet Daniel Müller. Im Märkischen Kreis seien derzeit 80,5 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten tätig (Vollzeitäquivalente). „Damit beträgt der Versorgungsgrad in diesem Planungsbereich im Moment 112,5 Prozent“, so Daniel Müller. Damit wäre der Planungsbereich eigentlich gesperrt – denn der Versorgungsgrad liegt höher als 110 Prozent. Doch hier greift eine Ausnahme: Aufgrund „fehlender Quotensitze gibt es hier jedoch fünf weitere Niederlassungsmöglichkeiten (Vollzeitäquivalente) ausschließlich für Ärztliche Psychotherapeut*innen sowie acht Niederlassungsmöglichkeiten für Psychosomatiker*innen“. Diese sogenannten Quotensitze beziehen sich allgemein auf zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten für ärztliche Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sowie Psychosomatiker. Hintergrund sei, dass mit der Gesamtzahl der psychotherapeutischen Sitze in einer Region auch ein bestimmtes Verhältnis zwischen den einzelnen Fachrichtungen erfüllt sein müsse: „Ist dies nicht der Fall, dann entstehen zusätzliche Sitze.“

Mit welchen Wartezeiten müssen Patienten im Märkischen Kreis rechnen, wenn sie zu einem Psychotherapeuten möchten?

Zu den Wartezeiten kann die KVWL keine Angaben machen, merkt jedoch an, „dass die Menschen in Deutschland heute eher als noch vor einigen Jahren bereit sind, bei psychischen Krankheitsbildern einen Psychotherapeuten aufzusuchen“. Das Thema werde immer mehr aus der früheren „Tabuzone“ geholt. „Darüber hinaus haben sich auch die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten verbessert und weiterentwickelt, sodass die Versorgung psychischer Probleme mittlerweile viel differenzierter erfolgen kann“, erklärt Daniel Müller. „Insofern ist die ,Nachfrage‘ nach Psychotherapie gestiegen.“

Telefonseelsorge

Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie unter 0800 1110-111 und unter 0800 1110-222 oder im Internet unter telefonseelsorge.de

Zudem komme es durchaus vor, dass sich Bürgerinnen und Bürger bei mehreren Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Wartelisten eintragen lassen, „diese Einträge aber leider nicht absagen, wenn sie eine Zusage erhalten“. Das führe dann dazu, dass die Nachfrage größer erscheint als sie tatsächlich ist und frei gewordene Therapieplätze nicht so schnell wie eigentlich möglich vermittelt werden können. „Auch dadurch lassen sich längere Wartezeiten erklären“, meint Daniel Müller.

Wie kommen Patienten an einen Termin?

Die Terminservicestelle der KVWL unterstützt Bürgerinnen und Bürger unter der Telefonnummer 116117 bei der Suche nach einem Termin für die dauerhafte Behandlung bei Haus-, Kinder- und weiteren Fachärzten sowie Psychotherapeuten, erklärt die KVWL. Dabei sei allerdings zu beachten, dass es sich bei dem vermittelten Termin nicht um einen Wunschtermin bei einem Wunscharzt handele. „Die Terminservicestelle vermittelt Termine bei Ärzten, die über freie Kapazitäten verfügen“, erklärt Daniel Müller. Dabei handele es sich um Termine für „Psychotherapeutische Sprechstunden“ (Erstgespräche) und gegebenenfalls im Anschluss Termine für Akutbehandlungen beziehungsweise dringende probatorische Sitzungen. Darüber hinaus unterstütze die Terminservicestelle auch bei der Suche nach Psychotherapie-Terminen für die dauerhafte Behandlung.

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