Menden.. Seit über 20 Jahren begleitet der Hospizkreis Menschen in ihren letzten Lebenswochen. Die Arbeit geht nicht an jedem spurlos vorbei.


Seit 23 Jahren hilft der Hospizkreis Menden Todkranken und deren Angehörigen dabei, die letzten Tage und Wochen erfüllt zu erleben. Die Arbeit hat sich in all den Jahren stark verändert.

Der Hospizkreis hat im vergangenen Jahr Menschen zwischen 29 und 94 Jahren begleitet, ist es schwieriger, von jüngeren oder älteren Menschen Abschied zu nehmen?


Ingrid Camatta: Sie können davon ausgehen, dass bei jüngeren Menschen in der Regel eine Krebserkrankung vorliegt und es für ihr Umfeld schwierig ist, jemand so junges gehen lassen zu müssen. Wohingegen es bei jemandem, der mit 94 Jahren in einem Altenheim aufgrund von altersbedingen Körper- oder Organversagen verstirbt, ein natürlicherer Vorgang ist. Das ist für uns als Begleiter auch bei einem älteren Menschen besser zu ertragen, weil das ein Lebensverlauf ist. Das bedrückt uns dann nicht so sehr.

Ist es denn oft so, dass ältere Menschen mit ihrem Leben schon abgeschlossen haben in diesen Situationen?

Ja, oft ist das so. Was bei den älteren Menschen manchmal ein bisschen hakt, ist, dass sie mit dem Verlauf ihres Lebens nicht ganz so glücklich sind. Es gibt – wie das im Leben so oft ist – Streitigkeiten in der Familie, mit Bekannten oder mit den Kindern. Wenn man dem Ende zugeht, denkt man viel über sein Leben und über das, was man gut oder weniger gut hinbekommen hat, nach. Und dann bietet sich durch unsere Begleitung die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu einem Frieden zu kommen. Dass sie noch etwas an Sorgen loswerden können und dadurch eine Last ablegen dürfen. Was gewesen ist, ist gewesen, das kann keiner mehr rückgängig machen, aber es geht gerade für den alten Menschen darum, den Frieden zu haben. Wer in Frieden ist, der kann eher loslassen. Nur wer loslässt, kann auch gehen.

Im Schnitt klingelt alle vier Tage das Hospiztelefon – sie hatten im vergangenen Jahr 89 Anrufe – was sind die am häufigsten gestellten Fragen?

Die häufigsten Frage ist nicht mal die Anforderung einer aktuellen Sterbebegleitung, sondern sehr vieles, was mit Sterben, Tod und Trauer zu tun hat: Wie kann ich mich vorbereiten in Form von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmacht und Co.? Wie komme ich an eine Adresse eines Hospizes? Was ist die Palliativmedizin überhaupt? Wann kann ich in ein Hospiz kommen? Wie krank muss ich sein? Und dann auch die Frage zu Ordnungsamtsbestattungen. Aber genau so Fragen zum Trauertreff. Es ist sehr breit gefächert. Und dazu kommt – worüber wir uns immer sehr freuen – der Kontakt zu Gruppen und Schulen, die sich wünschen, dass wir über unser Tun sprechen. Der, der Telefondienst hat, versucht so gut es geht zu helfen und zu ermutigen. Aber auch eine viertel oder halbe Stunde sich die Sorgen eines Menschen anhören, der nicht weiß, wie es weitergeht.

Tod ist oft auch noch ein Tabuthema. Wie geht man damit am besten um, bzw. wie holt man das Thema Tod aus der Tabuecke heraus?

Ich glaube, dass in den letzten Jahren einiges passiert ist. Das Wort Tod ist an sich ja schon bedrohlich, man hat aber anders gelernt, damit umzugehen. Man liest sehr oft, dass Kinder auch schon zu einem Bestatter

gehen, um sie an das Thema heranzuführen: Ein Mensch kann sterben. Das ist etwas, was Kinder sehr gut verstehen. Auch Kinder einer Grundschule können das erfassen. Je älter ein Mensch wird, desto bedrohlicher wird das Wort Tod. Unser Lebensziel ist der Tod. Wir Hospizleute füllen die Lebenstage und nicht die Totentage. Uns geht es darum, das Leben bis zuletzt in einer Form zu unterstützen und erträglicher zu machen; besser annehmbar machen. Der Tod ist ein Sachverhalt, daran können wir nichts ändern.

Wie hat sich die Hospizarbeit in den vergangenen Jahren verändert?

Ich glaube, gerade dadurch, dass es nicht mehr ganz so tabuisiert wird, durch Vorträge und Presseberichte, durch die Arbeit der Hospizkreise, die Arbeit der Palliativmedizin und stationärer Hospizmöglichkeiten sowie die ehrenamtliche Arbeit der ambulanten Dienste sich die Ansicht der Menschen verändert hat. Es hat das Ganze erträglicher gemacht. Das war vor über 20 Jahren, als wir uns gegründet haben, noch in den Kinderschuhen. Aber wie bei vielen Dingen entwickelt sich etwas. Die Arbeit ist sehr vielfältig geworden, genauso wie unser Angebot. Nicht jeder unserer Leute passt zu jedem Kranken. Wir schauen, dass möglichst jemand gefunden wird, der gut passt. Dass das Vertrauensverhältnis einfach klappt. Das Vertrauen ist ein großes Geschenk für uns.

Wird das an charakteristischen Eigenschaften des Hilfesuchenden festgemacht?

Das ist so, dass jemand von uns in die Familien oder zum Kranken geht und sich ein Bild macht, mit dem Menschen spricht, was angefordert wird. Und dann schauen wir, welcher Begleiter dorthin passt.

Und wer hilft den Helfern?

Sie bekommen eine gute Ausbildung in Form eines Einsteigerseminars, unsere Begleiter nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil und wir haben sechsmal im Jahr eine Supervision einer externen Person. Dort können sich unsere Begleiter austauschen und von der Fachkraft angeleitet lernen, mit Problemen umzugehen und Lösungen zu finden. Das hat bisher immer geklappt, weil wir ein gut funktionierendes Miteinander haben. Hinzu kommt eine Vertrauensperson, ein Tutor, mit dem die Begleiter jederzeit telefonieren können.

Regelmäßig gibt es am Limbergfriedhof Trauerfeiern für ansonsten anonym zu bestattende Personen. Wie laufen die Trauerfeiern ab und wer besucht sie?

Die Verstorbenen sind keine der Menschen, die wir begleitet haben. Das sind auch keine Menschen, die kein Geld haben. Das sind Menschen, die über das Ordnungsamt der Stadt Menden bestattet werden müssen, weil sie niemanden haben, der sich zuständig fühlte. Und dann muss eine Kommune die Verstorbenen bestatten. Dazu gibt es auch kleine Anzeigen, die in ihrer Zeitung erscheinen. Zu den eigentlichen Trauerfeiern am Limbergfriedhof kommen Mitglieder des Hospizvereins und den unterschiedlichsten Beziehungsebenen. Das können Nachbarn sein, Freunde, Arbeitskollegen, mitunter auch Verwandte, die aber nicht unbedingt in einer Zahlungspflicht stehen, das können Berufsbetreuer sein. Diese kleine Runde – es kommen manchmal zehn Gäste, wir haben aber auch schon 30, 40 Personen als Trauergäste dort gehabt – ist ganz unterschiedlich. Es hängt damit zusammen, wie derjenige gelebt hat und wie groß sein Freundes- und Bekanntenkreis war. Es ist den Besuchern sehr wichtig, sich an der Urne zu verabschieden. Es ist für sie ein

Abschluss dieser menschlichen Beziehung, wenn sie die Urne sehen und den Namen lesen. Die kleine Feierstunde, in der auch immer ein Pfarrer Worte spricht und wir Musik machen, ist ganz wichtig für die Menschen.

Ab Anfang Mai sind Sie wieder mit einem Stand auf dem Wochenmarkt. Wie geht die Öffentlichkeit mit dem Thema Tod um?

Wir beginnen an diesem Freitag wieder. Wir stehen an der Kreuzung Bahnhofstraße/Hauptstraße und werden sehr oft von Marktbesuchern angesprochen. Manchmal erzählen uns Menschen nur irgendetwas von sich selbst. Das sind die unterschiedlichsten Fragen und Sorgen, die dort zutage treten. Manchmal möchten sie nur mit jemanden sprechen, der sich mit dem Thema beschäftigt. Es gibt Fragen zum Trauertreff und das Bedürfnis, über einen Trauerfall zu sprechen. Die Besucher kaufen natürlich auch die von uns angebotenen Vorsorgemappen.

Sie sind also so etwas wie ein Kummerkasten?

Ja, genau. Wir haben ein offenes Ohr und tun das Thema nicht so ab. Das ist, glaube ich, wichtig, dass man sich einfach mit so einer schwierigen Sache wie dem Sterben, dem Tod, der Trauer an jemanden wenden kann. Und es ist vollkommen offen: Man muss keinen Namen oder Telefonnummer nennen.

Es gibt auch regelmäßig Anfragen von Schulen. Wie bereitet man junge Menschen bzw. Kinder auf den Abschied vor?

Das ist unterschiedlich. Weil der Reifegrad der Kinder unterschiedlich ist. Je jünger ein Kind ist, desto klarer und knapper muss man es benennen. Man darf einem Schulkind nicht sagen: Der Opa ist eingeschlafen. Jeder, der eingeschlafen ist, wacht ja wieder auf, denken Kinder dann. Man muss sagen: Der Opa ist tot. Ob die Kinder bei der Beerdigung mitgehen, müssen dann die Eltern entscheiden. Es muss klar sein, dass der Mensch gegangen ist und nicht wieder kommt. Jugendliche sind auf einem ganz anderen Stand. Sie möchten etwas vom Leben wissen und haben das Thema in den Fächern Ethik oder Religion behandelt. Sie machen sich Gedanken, wie man sich vorbereiten oder sein Leben am Ende erfüllt erleben kann.

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