Menden.. Deutsch-Rapper Dendemann alias Daniel Ebel ist einer der prominentesten Mendener. Im WP-Interview redet der 44-Jährige über seine alte Heimat.


Deutsch-Rapper Dendemann kehrt am 25. Januar mit seinem neuen Album „Da nich für“ aus der Versenkung zurück. Der 44-jährige gebürtige Mendener mit dem bürgerlichen Namen Daniel Ebel erzählt WP-Redakteur Arne Poll im Interview von wohlüberlegten Reimen, attraktiven Engländerinnen und seiner Liebe zu Heinz Erhardt.

Du warst lange Zeit komplett verschwunden. Man musste sich ja schon fast Sorgen machen. Was hat Dendemann in der Zeit gemacht?


Dendemann: Gelebt, ehrlich gesagt. Aber manchmal frage ich mich das auch. Aber ich mache eigentlich immer Musik. Ich schreibe nicht immer Texte, aber ich habe immer Beats gemacht, seit ich weiß wie das geht. Damit verbringe auch gerne mal ein paar Monate. Ich sag mal so: Die ersten Gehversuche, die ersten Aufnahmen nach dem letzten Album haben zwar geklappt, aber waren nicht das, mit dem ich als Hip-Hop-Fan und Teilnehmer des Wettbewerbs nach draußen gehen wollte.

Das klingt sehr selbstkritisch.

Es gibt so Wiederholschleifen nicht nur in der Musik an sich, sondern auch in den Trends. Einerseits war es ‘ne Zeit, in der Leuten wie mir alles vor die Füße geworfen wurde ist, weil endlich auch unsere Art von Musik auch wieder in wurde und man wieder Sinn sah, sich auf seine Stärken zu besinnen. Aber dann kommt bei mir auch dieser Fan der Kultur und des Gesamtpakets Hip-Hop immer dazwischen. Der sagt, dass es für die anderen ist. Damit kann ich nicht los. Ich muss etwas Zeitgemäßes machen, ich muss etwas Frisches machen und trotzdem ich selber sein. Das hat eine Weile gedauert, diese Formel zu knacken. Das ist so vor vier Jahren passiert. Dann kam das Neo-Magazin. Dann habe ich irgendwie beides gemacht. Das hat eben gedauert.

English Breakfast und knutschende Engländerinnen.
English Breakfast und knutschende Engländerinnen. © Unbekannt | Nils Müller, Agentur Beck to Music






Danach waren noch einmal zwei Jahre. Die hat’s dann gebraucht, um das Album zu machen?

Tatsächlich war’s nur eins. Aber mit Mischen und Mastern sind wir Ende des Jahres 2018 angekommen. Ich habe nach dem Neo-Magazin komplett alles, was wir hatten, in zwei Schubladen unterteilt, in A und B. In der A-Schublade habe ich so lange weitergearbeitet, bis wir alles hatten. Aus dem einen ergab sich plötzlich das andere. Als der erste politische Song fertig war, schrie es plötzlich nach einem Gegenpol. Es baute sich so auf. Und bei Songs, die eigentlich aufgenommen waren, änderte sich der Anspruch ans Thema. Wir haben die Songs komplett neu aufgenommen. Wir, die Macher, haben das Gefühl, dass alles erst ganz spät zu diesem Album geworden ist, obwohl wir schon lange genug Material hatten. Der Perfektionismus war uns wichtiger als das Timing. Das Timing war zweitrangig für den Erfolg des Produkts.

Politisches Album ohne Zeigefinger

Das Cover des neuen Albums.
Das Cover des neuen Albums. © Unbekannt | Beck to Music







Das Album ist recht politisch. Aber man erkennt im Vergleich zu anderen politischen Songs keinen Zeigefinger. Ist das Absicht?

Ja, das ist Absicht. Aber das hat eben auch gedauert. Der Zeigefinger ist so schnell drin. „Keine Parolen“ ging mir sehr leicht von der Hand, aber das ist auch eine uralte Idee von einem der Produzenten vom letzten Album, der das immer geschrien hat, wenn irgendjemand Ansagen zum nächsten Take in der Live-Aufnahme gemacht hat. Die Strophen gingen mir recht leicht von der Hand. Das war aber auch die Messlatte für diesen Nicht-Zeigefinger. Das ist ja so, als würde man den Zeigefinger ganz weit ausstrecken, aber eben vor dem Spiegel stehen. Das ist der Ton, mit dem das auch zeitlos funktioniert. Man muss nicht gerade über AfD oder so etwas diskutieren, das ist ein soziales zeitloses Problem, was sehr akut ist. Deswegen kann man das auch so bearbeiten.

Aus den Songs hört man sehr viel Autobiografisches. Habt ihr wirklich früher auf den Kirchentreppen in Menden gekokst?

Nein, aber Menden und „Das Zentrum“ hatten ja in den 80ern einen gewissen Ruf. Als ich Teenager war, war es nicht mehr so schlimm.

French Kissing hinterm Army Camp in Menden

„French Kissing hinterm Army Camp“ heißt es in einem anderen Song...

Im Youth Club an den Northumberland Barracks gab es nicht nur Skittles und Salt&Vinegar-Crisps. Man konnte halt auch mit Engländerinnen knutschen, was wirklich total cool war.

Hast Du noch Kontakt zu den Damen von früher?

Ich hab meinen besten Kumpel Stuart von früher bei Facebook wiedergefunden. Wir haben auch zwei, drei Mal hin uns her geschrieben. Aber ansonsten gibt’s nicht mehr viele Kontakte.

Schockiert über die aktuelle Entwicklung der Stadt

Verfolgst Du die aktuelle Entwicklung in Menden? Wenn man durch die Stadt geht, hat sich viel verändert. Es gibt Leerstände.

Das tut mir alles einfach leid. Als jemand, der die 80er dort erlebt hat, muss einem das leid tun. Das ist einfach ein Thema, das politisch vielleicht sogar noch interessanter gewesen wäre als über irgendwelche Rechten im Osten zu wettern. Es geht um das Sterben dieser Städte. Ich kann nicht erklären, womit das zusammenhängt. Diese Ahnung habe ich nicht. Es geht ja nicht nur Menden so. Ich weiß nicht, ob man sich das leisten kann als Land. Das sind ja Städte, die unglaublich viel in diesem Bereich umgesetzt haben, die dort Arbeitsplätze hatten. Ich weiß nicht, ob man sich das leisten kann, wenn selbst diese Idyllen kaputtgehen.

Dendemann fühlt sich an mehreren Orten zuhause.
Dendemann fühlt sich an mehreren Orten zuhause. © Unbekannt | Nils Müller, Agentur Beck to Music






Du kommst aus Menden, in den Songs redest Du oft vom Ruhrgebiet, Du wohnst in Hamburg. Wo bist Du zuhause?

Ich bin seit zehn Jahren sehr viel in Berlin, nach 15 Jahren nur Hamburg. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass aus dieser Wechselwirkung Nord-West so ein Dreieck geworden ist, das totale Entspannung reingebracht hat. Ich bin nicht mehr hin und hergerissen, was ich ja auch nie wirklich war. Aber immer, wenn man sich damit auseinandersetzt, ist es ja trotzdem so. Wie selten sieht man seine Eltern? Was heißt das für die Zukunft? Jetzt ist auch durch Berlin eine Entspannung reingekommen. Ich kann überall hin und mich wohlfühlen.

Ein Luxus, den nicht jeder hat...

Ja, es ist schön, überall hinzukommen. Aber man fährt auch mit Vorfreude auf die nächste Station wieder zurück.


Weiterer Teil des Interviews: So erklärt Dendemann, wie er seine Texte formuliert und warum er sich als „Enkel von Heinz Erhardt“ sieht.

Familientreffen bei der Patentante

Wie oft bis Du in Menden?

Ich war erst vor Weihnachten wieder da, zum großen Familientreffen. Meine Patentante hatte geladen.

Wie sehen Deine Eltern Deine Musik?

Nach der ganz normalen verantwortungsvollen Anfangsskepsis beobachten sie das mit einem angemessenen Stolz und einer gesunden Portion Skepsis, wenn irgendein Quatsch passiert. Die meisten Youtube-Kommentare sind übrigens von meinem Vater. Der hat bestimmt 20 Accounts. Ich weiß natürlich, wer er ist.

Du kannst auch über Dich selbst lachen?

Engste Vertraute wissen, dass ich überhaupt nicht über mich selbst lachen kann, wenn jemand anders einen Witz macht und ich dann extrem empfindlich, mimosenhaft und dauerbeleidigt bin. Eigentlich ist es ein billiger Trick. Jeder Promi würde sich damit aus dem Schlamassel ziehen können, wenn es richtig gesetzt ist. Ich glaube, du kommst aus manch einem Ekel-Shitstorm raus, wenn du die richtige Selbstironie am richtigen Ort einsetzt. Deswegen bin ich da nicht so stolz drauf.


So war es 2010: Dendemann bringt sein drittes Album raus!

Rapper ohne Maximal-Alter

Stichwort Zeitlosigkeit: Den Deutsch-Rap verbindet man eher mit den 90ern. Wie lange willst Du das noch machen?

Die Frage stellt sich nicht mehr! Es gibt jetzt alte Rapper. Ich bin auch lieber einer der ersten Alten. Es hängt natürlich auch vom Erfolg ab, wie geil das wirklich ist, ein alter Rapper zu sein. Ganz viele meiner Leidensgenossen sind im Reinen mit sich, wie wohl man sich in dieser Welt fühlen kann. Wenn’s Deutsch-Rap gut geht, geht’s uns gut. Jeden Tag neue Videos. Die Infrastruktur, wie wir uns promoten können. Das ist utopisch. Hast Du schon Yassin mit „Graues Haar“ gehört? Da dachte ich: Jetzt bin ich neidisch auf diesen Song. Das war ich lange nicht. Es ist der fresheste Song in den Playlists.

Hervorragende Vorverkäufe für die Tour

Dendemann vor der Siegessäule in Berlin.
Dendemann vor der Siegessäule in Berlin. © Unbekannt | Nils Müller, Agentur Beck to Music







Der Erfolg bei Dir scheint da zu sein, wenn man sich die Vorverkäufe für die 2019er-Tour anguckt.

Das ist mein Karrierezenit. Das ist mit Abstand die größte Tour, die ich je gefahren habe. Ich bin selbst ein bisschen überrascht. Und im Prinzip weiß ich ja gar nicht, wer kommt. Sonst waren das immer weniger.

Im Video von „Keine Parolen“ treibst du scheinbar ertrinkend unter Wasser durch ein rieisges Becken. Gut gemachter Fake oder gibt’s jetzt den Action-Dende?

Zwei Tage Tauchschule! Liebe Grüße an meinen Tauchlehrer in Kreuzberg. Ich musste wirklich Tauchen lernen mit Blei in den Hosentaschen, ohne Schlauch und das ganze Theater.

Nie Angst gehabt, zu ertrinken?

Doch. Das war furchtbar. Aber was willst Du machen. Das ist alles für die Kunst.


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