Lennestadt/Kreis Olpe. Seit 1. Januar gilt in Lennestadt und anderen Kommunen die neue, differenzierte Grundsteuerberechnung. Was Grundstücksbesitzer jetzt wissen müssen.

Lennestadt. Der Rat der Stadt Lennestadt hat in seiner letzten Sitzung die Umsetzung der Grundsteuerreform zum 1. Januar 2025 beschlossen. Jochen Biermann, Kämmerer der Stadt Lennestadt, nimmt Stellung zu den Folgen für Grundeigentümer.

Die „neue“ Grundsteuer unterscheidet jetzt zwischen Wohngrundstücken und Nicht-Wohngrundstücken. Was heißt das genau?

Zu den Wohngrundstücken zählen logischerweise Ein- und Zweifamilienhäuser, aber auch Grundstücke mit Mietwohnhäusern sowie Eigentumswohnungen. Als Nicht-Wohngrundstücke gelten unbebaute Grundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Geschäftsgrundstücke, Teileigentum sowie sonstige bebaute Grundstücke, wie zum Beispiel alleinstehende Garagen. An dieser Stelle ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass die Einordnung der Grundstücke nach den verschiedenen Nutzungsarten im Rahmen der Bewertung durch die Finanzverwaltung vorgenommen wurde, und zwar nach den Angaben der Eigentümer in den jeweiligen Grundsteuererklärungen.

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Die Hebesätze steigen in Lennestadt bei Wohngrundstücken von 501 auf 527 und bei Nicht-Wohngrundstücken sogar auf 1023 Prozentpunkte. Kann man das mit den alten Hebesätzen vergleichen und wird die Grundsteuer auf Gewerbe-Immobilien nun mehr als doppelt so teuer?

Nein. Die starke Differenzierung ist Ausfluss unterschiedlicher Bewertungsmethoden für Wohn- und Nichtwohngrundstücke. Dies hat dazu geführt, dass Gewerbeimmobilien nunmehr deutlich niedrigere Grundsteuerwerte haben als bisher. Und um die dadurch hervorgerufene Ungleichgewichtung zumindest in Teilen auszugleichen, werden Nicht-Wohngrundstücke zukünftig mit einem deutlich höheren Hebesatz veranlagt. Das heißt, die alten Hebesätze sind in keiner Weise mehr mit den neuen vergleichbar.

Kurz und knapp

Bier oder Wein? Bier

Sport oder Sofa? Sport

Berge oder Meer? Beides

Oldies oder Pop? Oldies

Deftiges oder Süßes? Beides

Was ist eigentlich ein fiktiver Hebesatz, kann man das umrechnen in Steuerbelastung pro Quadratmeter, also in Euro?  

Nein, fiktive Hebesätze haben für den Steuerzahler keine Bedeutung. Sie sind lediglich ein Parameter bei der Ermittlung der Steuerkraft, die wiederum besagt, ob und wenn ja wieviel pauschale Zuweisungen eine Stadt oder Gemeinde erhält, sogenannte Schlüsselzuweisungen.

Sie haben in Ihrer Rede zur Haushaltseinbringung sinngemäß gesagt, dass die neue Grundsteuer gerechter sei als der alte Berechnungsschlüssel, viele hätten bisher zu wenig bezahlt. Warum ist das so und wer sind Gewinner und Verlierer?

Die Grundsteuer wurde bisher auf der Grundlage jahrzehntealter Einheitswerte erhoben, in den alten Bundesländern aus 1964. Und da das Grundsteuerrecht nach der Wende auch in den neuen Bundesländern Anwendung finden musste, dort aber nichts Vergleichbares vorlag, war man da sogar gezwungen, auf Einheitswerte von 1935 zurückzugreifen. Also mussten die Bewertungsgrundlagen dringend aktualisiert werden; dementsprechend war eine Grundsteuerreform schon seit 25 Jahren im Gespräch – angesichts der Notwendigkeit bundesweit etwa 36 Millionen bebaute und unbebaute Grundstücke neu bewerten zu müssen, war das natürlich eine echte Herausforderung. In Lennestadt waren von der Neubewertung über 10.000 Grundstücke betroffen. Ich möchte aber nicht von Gewinnern oder Verlierern sprechen, sondern würde es eher so ausdrücken: Wer künftig einiges mehr bezahlt, hat bisher von der veralteten Bewertung seiner Grundstücke profitiert. Es war ja gerade die Absicht des Gesetzgebers und die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Grundsteuer so zu reformieren, dass die Wertentwicklung von Immobilien zeitgemäßer abgebildet wird. Daher wird sich die individuelle Zahlungsverpflichtung für jeden Grundstückseigentümer verändern.

Jochen Biermann
Jochen Biermann, Kämmerer der Stadt Lennestadt, an seinem Schreibtisch im Rathaus.  © Volker Eberts | Volker Eberts

Wieviel nimmt die Stadt durch die neue Grundsteuer ein und wieviel waren es vorher?

Die Grundsteuerreform wird aufkommensneutral umgesetzt. In diesem Jahr liegt das erwartete Aufkommen aus der Grundsteuer A bei 59.000 Euro und bei der Grundsteuer B bei 4.372.000 Euro – in Summe also 4,43 Millionen Euro. Genau in dieser Größe sind die Grundsteuererwartungen auch in den Haushalt 2025 eingestellt worden.

Steckbrief: Jochen Biermann

Jochen Biermann (64) wurde in Elspe geboren. Er ist verheiratet und lebt bis heute in seinem Heimatort. Nach dem Realschulabschluss begann er eine Ausbildung im mittleren Verwaltungsdienst bei der Stadt Lennestadt, anschließend holte er das Abitur am Abendgymnasium in Attendorn nach und besuchte von 1989 bis 1992 die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Hagen. Seit 1993 ist er im gehobenen Dienst in der Stadtverwaltung Lennestadt tätig, seit 1994 in der Kämmerei. 2022 wurde der Stadtverwaltungsrat zum Kämmerer der Stadt Lennestadt ernannt.

Bestimmte Verbände wie beispielweise der Bund der Steuerzahler kritisieren, dass viele Grundstückseigentümer immer noch nicht wissen, was sie in diesem Jahr zu zahlen haben. Kommt der Bescheid in Lennestadt wie immer mit dem Bescheid für Grundbesitzangaben oder gibt es einen extra Bescheid? Wann werden die Bescheide verschickt?

Mich ärgern manche Veröffentlichungen. Sowohl der Bund der Steuerzahler als auch Lobbyisten wie der Eigentümerverband Haus und Grund führen mit ihren Berichten regelmäßig zu völlig unnötigen Verunsicherungen. Wenn ich lese, „wer bis heute keinen Grundsteuerbescheid hat, der muss ab dem 1. Januar 2025 keine Grundsteuer mehr zahlen“ werde ich echt sauer. Insbesondere der Bund der Steuerzahler als fachlich versierte Institution weiß nur zu gut, dass das Grundsteuergesetz den 15. Februar als ersten Fälligkeitstermin festlegt. Daher planen wir die Versendung der Grundbesitzabgabenbescheide wie gewohnt Ende Januar als Sammelbescheid für alle kommunalen Abgaben. Ich bin jedenfalls froh, dass wir die neuen Steuersätze noch im alten Jahr beschlossen und in Kraft gesetzt haben.

An wen können sich Bürgerinnen und Bürger bei weiteren Fragen wenden?

Zur Bewertung des Grundbesitzes an das Finanzamt in Olpe. Das betrifft sowohl die Höhe des Grundsteuermessbetrages als auch die Festlegung der Grundstücksarten (Telefonhotline: 02761/963-1959, Montag bis Freitag von 9 – 13 Uhr und per E-Mail an das Servicepostfach des Olper Amts: Service-5338@fv.nrw.de.) Dieses findet man auf der ersten Seite des Grundbesitzabgabenbescheides. Die Anfragen Lennestädter Bürgerinnen und Bürger bitte schriftlich an grundbesitzabgaben@lennestadt.de richten.