Lennestadt. Wegen eines Notfalls muss eine Mutter aus Lennestadt mit ihrem 18 Monate alten Sohn in die Kinderklinik. Warum es eine Nacht voller Stress wurde.

Kurz vor Mitternacht wird eine Mutter aus Lennestadt mit ihrem 15 Monate alten Sohn mit dem Rettungswagen in die DRK-Kinderklinik in Siegen gebracht. Nach Stunden voller Stress und Sorge können die Ärzte dem Jungen zum Glück helfen. Aber eine stationäre Aufnahme, oder zumindest ein Bett oder eine Liege, um sich zu erholen, gibt es hier nicht. Krankenhausalltag in Deutschland – weil die Vorschriften dies so wollen. 

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Es ist eine Notsituation an jenem Samstagabend; ein Szenario, das sich keine Familie wünscht. Der kleine Jonas (Name von der Red. geändert) röchelt und hustet plötzlich so stark, dass seine Mutter große Angst bekommt. Da der Junge nicht zu beruhigen ist und immer weiter hustet, ruft die 35-Jährige gegen 22.45 Uhr den Rettungsdienst. Nie zuvor hatte das Kind einen solchen Anfall. Die Sanitäter stellen einen starken Krupp-Anfall fest. Mit Einwilligung des Notarztes bringen sie Mutter und Kind mit dem Rettungswagen in die DRK-Kinderklinik in Siegen, wo der Junge erfolgreich behandelt werden kann. Doch damit ist die Odyssee nicht zu Ende. Statt sich ausruhen zu können, muss sich die Mutter um die Rückfahrt nach Lennestadt kümmern.

Denn eine vorübergehende Unterbringung von Müttern mit Kleinkindern ist auch mitten in der Nacht nicht vorgesehen. Nach Auskunft der Klinik sehe die Erstversorgung nach einem Pseudo-Krupp-Anfall „nicht zwingend eine Hospitalisierung“ vor. Wird ein Patient nach erster Behandlung und Beobachtung als stabil eingeschätzt, sei eine Entlassung aus der Ambulanz nach Hause üblich. „Die Aufnahme stationärer Patienten ist durch klare Vorgaben der Leitlinien, aber auch der Krankenkassen geregelt. Hierfür lag im beschriebenen Fall kein Grund dafür vor“, teilte die DRK-Klinik auf Anfrage mit.

Die Nacht des Schreckens für Mutter und Kind ist offenbar kein Einzelfall. „In der Zentralen Notaufnahme der DRK-Kinderklinik Siegen werden jährlich rund 10.000 Patienten erstversorgt. Bereits seit Jahren gibt es eine hohe Quote an Vorstellungen, bei denen keine wirklichen Notfälle im eigentlichen Sinne vorliegen“, so ein Sprecher der Kinderklinik. Er verweist auf eine Blitzumfrage des Deutschen Krankenhaus-Institutes vom Januar 2023: Die Notaufnahmen kompensierten demnach vielerorts die Versorgungsprobleme durch Ärztemangel, vor allem am Wochenende: „Eine hohe Auslastung der Notaufnahmen gibt es an Werktagen zu den sprechstundenfreien Zeiten der Vertragsärzte, konkret an Mittwoch- und Freitagnachmittagen, am Abend und an Wochenenden, daneben auch tagsüber an Montagen.“ Bei 68 Prozent der Krankenhäuser gelange ein großer Anteil Patienten mit dem Rettungs- oder Notarztwagen ins Krankenhaus. Im Mittel würden 38 Prozent anschließend stationär aufgenommen werden.

Das Mutter/Kind-Paar aus Lennestadt gehörte nicht zu den Auserwählten und auch bei Kleinkindern sind trotz großer Strapazen keine Ausnahmen vorgesehen. „Natürlich können sich Patienten und Angehörige weiterhin in den Räumlichkeiten der DRK-Kinderklinik Siegen aufhalten. Auch in diesem Fall haben wir die Familie nicht des Hauses verwiesen. Allerdings müssen die Räume unserer Zentralen Notaufnahme für weitere Notfälle freigehalten werden. Im Wartebereich besteht natürlich die Möglichkeit, auch längerfristig zu verbleiben, bis eine selbst organisierte Rückfahrt angetreten werden kann“, so ein Kliniksprecher.

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Doch dieses gestaltete sich in dieser Nacht schwierig. Die Mutter versuchte händeringend eine Fahrgelegenheit nach Hause zu organisieren. „Ich habe mir die Finger wund geschrieben“, so die Lennestädterin. Die Schwestern in der Kinderklinik zeigten mehr Empathie als die Richtlinien. „Die Schwestern waren alle supernett und bemüht, sie haben sich dafür entschuldigt, dass sie uns nicht aufnehmen durften.“

Die Schwestern boten den beiden einen Stuhl im Behandlungszimmer an, damit sie nicht auf dem Flur warten mussten und halfen bei der Suche nach einem geeigneten Taxi – leider ohne Erfolg. Kein Taxiunternehmen in Siegen und Umgebung hatte einen passenden Kindersitz für den Kleinen parat und auch in der Kinderklinik war kein passender Sitz aufzutreiben. Nach fast zwei Stunden erreichte die Mutter endlich eine Freundin, die das erschöpfte Paar in Siegen abholte und spät in der Nacht nach Hause brachte.