Kirchhundem/Kreis Olpe. Syrische Geflüchtete aus Kirchhundem feiern die Flucht des Diktators Baschar al-Assad. Warum es viele zurück in das zerstörte Land zieht.

„Ich werde niemals zurück nach Syrien gehen“, hat Ahmad Darkalt aus Würdinghausen immer wieder betont. Denn die Erlebnisse in seiner Kindheit haben ihn bis heute geprägt. Vor seiner Flucht vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat wurde er durch eine Granate schwer verletzt, musste sechsmal operiert werden. Doch seit dem überraschenden Umsturz des Assad-Regimes denkt er anders. „Jetzt haben wir eine neue Hoffnung, wir haben wieder ein Land“, sagt der junge Mann, der 2002 in Aleppo geboren wurde, 2014 in die Türkei flüchtete und 2014 nach Kirchhundem kam, wo er die Schule besuchte und derzeit eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert. Wie sehr ihn die „neue Lage“ in Syrien berührt, ist ihm am Telefon anzumerken. Seine Stimme klingt voller Hoffnung, geradezu euphorisch.

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Ahmad Darkalt ist kein Einzelfall in der jungen Generation. „In unseren Facebook-Gruppen posten alle, dass sie nach Syrien fliegen wollen. Sie wollen die Häuser wieder aufbauen und vielleicht ein Geschäft eröffnen, sie haben keine Angst mehr.“ Andere warteten noch ab, wie sich die Situation entwickelt, weil es ihnen in Deutschland gutgehe, anders als zum Beispiel in Ägypten. „Alle hoffen, dass es in Syrien eine Demokratie geben wird“, so Ahmad Darkalt.

Am Sonntag nahm er an dem angemeldeten Friedensmarsch in Siegen teil. Hunderte Menschen, die vor Jahren aus Syrien geflüchtet waren, versammelten sich am Sonntag in der City, um den Umsturz und die Flucht des Diktators Baschar al-Assad lautstark zu feiern und syrische Fahnen zu schwenken. Mit dabei auch etliche Syrer aus der Gemeinde Kirchhundem wie Mohamad Sous, ebenfalls aus Würdinghausen. „Wir sind total glücklich, dass Tyrannei und Freiheitsberaubung durch die Assad-Familie endlich vorbei sind“, sagt Sous. Der 70-jährige kam 1980 aus Syrien nach Deutschland, ist seit 1983 deutscher Staatsbürger und betreut in der Gemeinde Kirchhundem ehrenamtlich viele Geflüchtete aus seiner früheren Heimat. Die Freude über die „guten Nachrichten“ aus seiner alten Heimat ist auch ihm anzumerken. Jahrzehntelang hat er das Morden, den Krieg, die unmenschliche Unterdrückung durch das Regime aus der Ferne ansehen müssen.

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Der Umsturz hat auch ihn sehr berührt. In den letzten Tagen hätten viele Flüchtlinge aus Syrien noch befürchtet, dass der Iran und Russland al-Assad doch noch zur Hilfe eilen könnten und das Leiden der Menschen weitergehe. Das schnelle Ende des Regimes sei wie ein Wunder, so Sous. Die Gefühle der Syrer seien ähnlich wie die der Deutschen nach dem Fall der Mauer. Niemand habe damit gerechnet, dass der Umsturz in nur 12 oder 14 Tagen gelingen könne.

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Gespannt verfolgen die syrischen Mitbürger in der Gemeinde Kirchhundem die neuen Entwicklungen in ihrer Heimat. Noch ist die Lage in Syrien instabil. Keiner weiß, ob die zahlreichen Konfliktparteien in dem Land eine Basis finden, um den Menschen ein Leben in Freiheit und Sicherheit zu bieten. Zudem ist die Infrastruktur in dem Land weitgehend zerstört, das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen.

„Wenn sich von außen keiner einmischt, dann wird es in zehn Jahren ein anderes Syrien geben.“

Mohamad Sous
Syrer aus Lennestadt

Dass nach dem Ende von Baschar al-Assad verschiedene Gruppen um die Macht streiten werden, glaubt auch Mohamad Sous nicht: „Die Menschen in Syrien wollen endlich Ruhe haben. Wenn sich von außen keiner einmischt, dann wird es in zehn Jahren ein anderes Syrien geben“, ist Mohamad Sous überzeugt von einer besseren Zukunft des Lands im Nahen Osten. Er glaubt, dass viele syrische Geflüchtete in Deutschland möglichst bald beim Aufbau in Syrien helfen wollen, vor allem alleinstehende Männer, die ihre Familie zurücklassen mussten. „Ich glaube, die meisten wollen bald zurück“, sagt Mohamad Sous. Sie hätten in Deutschland viel gelernt und Erfahrungen gesammelt, die sie beim Aufbau einbringen könnten.

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Andere würden schon bald so oft wie es geht nach Syrien fliegen, um die neue Freiheit zu erleben. Viele haben ihre Angehörigen seit Jahren nicht mehr gesehen, so wie Ahmad Darkalt. Er will zunächst seine Ausbildung absolvieren und dann entscheiden, ob er zurück nach Syrien geht – in das Land, das er bis zum Ende der Assad-Diktatur niemals mehr betreten wollte.