Kreis Olpe. Unterzeichnung der „Berner Konvention“ war von vielen sehnlichst erwartet. Allerdings ist noch ein langer Weg zu gehen. Was sich nun ändert.
Der letzte Wolf, der im Kreis Olpe offiziell als Jagdbeute registriert wurde, ist schon länger als 200 Jahre tot. Der letzte im Sauerland erjagte Isegrim, wie er im Märchen heißt, starb 1811 im Wald von Oberfleckenberg, quasi in Sichtweite zur Kreisgrenze nach Olpe. Seitdem galt der Beutegreifer hier viele Jahrzehnte als ausgerottet. Durch das Ende des Kalten Kriegs öffneten sich Anfang der 1990er-Jahre bis dahin hermetisch abgeschlossene Grenzen, was die Wiedereinwanderung des sagenumwobenen Tiers ermöglichte. Und seitdem mehren sich die Sichtungen von Wölfen und die Spuren, die er hinterlässt, auch hierzulande: totes Wild oder Nutztiere, die ein Wolf gerissen hat. Ein erster Nachweis: Am 11. Mai 2019 wurde zwischen Dahl und Gerlingen ein Rehkadaver gefunden, an dem sich sichere DNA-Spuren eines Wolfs nachweisen ließen. Es folgten mehrere Foto- oder Videosichtungen in Attendorn, Drolshagen und bei Kleusheim. Zudem werden immer wieder Risse gemeldet, bei denen Wölfe zwar als Ursache wahrscheinlich sind, sich aber keine Spuren mehr feststellen lassen.
Mit jedem dieser Fälle wachsen Sorgen: insbesondere die von Nutztierhaltern, denen eine Ausbreitung des Wolfs ihren Beruf oder ihr Hobby erschwert bis unterbindet. Mutterkuhhalter berichten von Fällen, in denen die Herden nicht mehr händelbar sind, nachdem ein Wolf Jagd auf sie gemacht hat, selbst wenn ausgewachsene Rinder sich gegen einen einzelnen Wolf zur Wehr setzen können. Bei Tieren in Gatterhaltung kommt es zu Massenrissen, weil Schafe oder Damwild ihrem Fluchttrieb nicht folgen können. Den Jägern, die dies ändern könnten, sind aber die Hände gebunden, denn bislang steht der Wolf in der gesamten Europäischen Union unter strengstem Artenschutz. Dies ist schon häufig auf Kritik gestoßen, damit werde zum Beispiel missachtet, dass die Art sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Bereichen wieder ausgebreitet habe, so die Kritiker. Inzwischen sind auch in Südwestfalen nicht nur durchziehende Jungtiere aktenkundig, sondern ein erstes Rudel, dessen Einzugsgebiet rund um Herscheid auch den Kreis Olpe berührt (wir berichteten).
Nun gibt es, für die Kritiker des scharfen Wolfsschutzes ein Hoffnungslicht am Horizont: Mehrere EU-Staaten haben in der sogenannten „Berner Konvention zum Schutz europäischer Wildtiere“ in Straßburg entschieden, den Schutzstatus des Wolfs herabsetzen zu wollen. Auch Deutschland. Damit ist nun zumindest die Voraussetzung geschaffen worden, dass entsprechende EU-Gesetze geändert werden können und ein Bestandsmanagement des Wolfs auf nationaler Ebene umgesetzt werden kann.
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Das stößt zum Beispiel beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband auf Zustimmung. Der Bauernverband weist seit Jahren „auf Bundes- wie auf EU-Ebene auf die großen Sorgen der Tierhalterinnen und Tierhalter hin, die sich mit der alleinigen Verantwortung für den Schutz und der Angst um ihre Tiere, den Folgen von Nutztierrissen sowie bürokratischen Hürden von der Politik allein gelassen sehen“, so eine Pressemitteilung des WLV. Dessen Wolfsbeauftragter ist der Bebbinger Bio-Landwirt Bernd Eichert, der den Schritt so kommentiert: „Die Entscheidung der Berner Konvention ebnet endlich den Weg für ein Bestandsmanagement des Wolfes, das schon lange überfällig war und Voraussetzung dafür ist, dass ein entsprechendes Wolfsmanagement durch Regulierung auch auf nationaler und Landes-Ebene überhaupt umgesetzt werden kann.“
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Hier stößt er auf nahezu 100-prozentige Zustimmung bei Karl-Josef Fischer, der die Kreisjägerschaft „Kurköln“ als Vorsitzender führt und kürzlich zum stellv. Kreisjagdbeauftragten ernannt wurde. „Endlich“, so Fischer, habe die Bundesregierung, namentlich Ministerin Steffi Lemke (Grüne), die Forderungen des Deutschen Jagdverbandes wie aller 16 Landesjagdverbände erhört, anzuerkennen, dass der Wolf längst einen „günstigen Erhaltungszustand“ aufweise. Die Unterzeichnung der Konvention habe selbst noch keinerlei spürbare Folgen, ebne aber den Weg dorthin, den Status des Wolfs in der entsprechenden Naturschutzrichtlinie der EU (FFH-Richtlinie, Flora-Fauna-Habitat) von Stufe 4 auf 5 zu ändern. „Das muss dann im Bundesnaturschutzgesetz und im Bundesjagdgesetz angepasst werden und wird bedeuten, dass der Wolf dann nicht mehr als ,streng geschützt‘, sondern nur noch als ,geschützt‘ gilt“, so Fischer.
Auch werde der Wolf dann wieder als „jagdbare Art“ geführt, auch wenn es für ihn keine Jagdzeiten geben werde. Aber damit sei dann möglich, was etwa in Schweden und vielen anderen Ländern schon jetzt praktiziert werde: ein Wolfsmanagement, das dafür sorgt, dass die Art in Deutschland wieder einen festen Platz in den Wäldern findet, aber durch entsprechendes Management dafür gesorgt werden kann, dass Abstand zwischen Wolf und Mensch bleibt und der Schutz von Weidetieren wichtiger wird als die Option, Nutztierrisse zu entschädigen. Die Kreisverwaltung betont auf Nachfrage unserer Redaktion: „In der Sache muss zunächst europäisches Recht und im Anschluss deutsches Recht geändert werden. Ob dann ein echtes Bestandsmanagement erfolgen soll, muss der Gesetzgeber entscheiden. Bis dahin unterliegt der Wolf weiter dem Artenschutz.“ Doch ein wichtiger erster Schritt ist nun gegangen worden.