Attendorn. Jetzt in der kalten Jahreszeit stellt sich für Literatur-Fans die Frage: Welche Bücher sind tatsächlich lesenswert? Tipps vom Profi in Attendorn.
Manchmal verbirgt der Einband eines Buches einen wahren Literaturschatz. Abseits des „Mainstreams der Literaturszene“ schlummern bei den Verlagen richtige „Hidden Champions“. Werke, die nicht auf den Bestseller-Listen stehen. Werke, die sich inhaltlich von der Masse abgrenzen. Hier lohnt sich ein genauer Blick, wie der Kölner Literaturexperte Michael Schikowski weiß. Am Mittwoch, 13. November, stellt er in der Buchhandlung Frey in Attendorn wieder die Raritäten für besondere Leseabende im Herbst vor. Was er wohl dieses Mal mitgebracht hat?
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Herr Schikowski, Sie stellen wieder besondere Bücher vor, die in der Regel nicht in den vordersten Regalen der Buchhandlungen stehen. Welche davon haben es Ihnen besonders angetan?
Herausgreifen möchte ich Clare Pollards „Der Salon der kühnen Frauen“, ein großartiger und gar nicht so umfangreicher historischer Roman über das Erzählen. Dann Udo Zindels Buch „Heiß ersehntes Amerika“, das aus überlieferten Briefen die Geschichte zweier deutscher Auswanderer schildert. Sie sind, ich muss das hier einstreuen, durch und durch Wirtschaftsflüchtlinge der 1840er-Jahre, die in Deutschland nicht die geringste Chance auf Verbesserung ihrer Situation hatten. Schließlich Veronique Ovaldès „Wütendes Mädchen auf einer Steinbank“. Ein großartiges, fast schon thrillerhaftes Porträt einer Familie, in der Tragödien nur über einseitige Schuldzuweisungen verarbeitet werden – bis die Familie wieder zusammenkommt.
Vorstellung am 13. November in Attendorn
Michael Schikowski kommt mit seinem Programm „Alles erfunden – alles wahr – Neuerscheinungen 2024“ am Mittwoch, 13. November, um 19.30 Uhr in die Buchhandlung Frey. Eintritt: 5 Euro. Karten sind bei der Buchhandlung erhältlich. Es handelt sich um eine Veranstaltung der Buchhandlung Frey in Kooperation mit der Westfalenpost.
Welche Bücher haben Sie sonst dabei?
Natürlich fehlen nicht die wunderbaren Bücher, die zum Buchmesseschwerpunkt Italien erschienen sind. Die Neuauflage von John Ruskins „Steine von Venedig“ ist dabei, aber auch ein großartiger Sammelband der Italienbegeisterung der schreibenden Frauen aus „Der Anderen Bibliothek“ wie „Ciao Italia“ – übrigens ein richtiges Schmuckstück der Buchherstellung. Die eigentliche Würze liefert dann aber Alberto Grandi mit seinem herrlichen „Mythos Nationalgericht“. Ein tolles Buch, das in Italien, das sich übrigens auf der Buchmesse überaus national gab, auf wenig Gegenliebe stieß. Besondere Beziehungen, vielleicht auch eine gewisse Spannung, bestehen natürlich zwischen Romanen und Sachbüchern. Autorinnen und Autoren suchen für ihren Stoff immer die richtige Lösung. Es geht um Familie. Veronique Ovaldé habe ich schon genannt. Marlen Hobrack hat sich in „Erbgut. Was von meiner Mutter bleibt“ für ein sowohl erzählendes wie analytisches Sachbuch über das Leben einer proletarischen Arbeiterin, ihrer Mutter, entschieden. Leyla Bektaş dagegen schreibt mit „Wie meine Familie das Sprechen lernte“ einen Roman über die alevitische Familie ihrer Heldin Alev. Der Vater ist in den 70er-Jahren nach Köln migriert, der Onkel war ein erfolgreicher Textilunternehmer in Istanbul. Vor dem Hintergrund des gescheiterten Putschversuchs von 2016 bringen die Nachforschungen Alevs die Familie zum Sprechen. Ist das alles spezifisch französisch, proletarisch oder migrantisch? Ich glaube nicht.
Warum sollten die Menschen dieses Mal Ihre Vorstellung auf keinen Fall verpassen?
Weil uns die Bücher immer überraschen. Übrigens immer auch mich, selbst die, die ich für die Veranstaltung vorbereitet mitbringe. Denn sie gehen, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, unvorhergesehene Beziehungen untereinander ein, sie korrespondieren miteinander, sie spiegeln und erhellen sich gegenseitig. Dafür, für diese Spiegelungen, aber haben wir ja auch noch die Klassiker. Deshalb sind auch wieder Klassiker mit dabei, Thomas Mann, aus gegebenen Anlass, aber auch herrliche Um- und Überschreibungen, wie „Demon Copperfield“ von Barbara Kingsolver oder Percival Everetts Roman „James“.
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In welchen Zeiten spielen die Handlungen Ihrer ausgewählten Bücher dieses Mal?
In der römischen Antike und natürlich in der Gegenwart, im napoleonischen Frankreich und im heutigen Südkorea. Zudem ist auch der Krimi längst historisch, Martin Beckers und Tabea Soergels „Die Schatten von Prag“ erzählt von der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der rasende Reporter Egon Erwin Kisch ist hier die Hauptfigur. Ein weiterer Krimi erzählt von einer Klosterschule in New Orleans – Schwester Holiday, eine Nonne, die gerne Punkrock hört, ermittelt.