Elspe. Willi Kremer aus Elspe verhilft einem 22 Jahre alten Benziner zum E-Kennzeichen. Was den Lennestädter Maschinenbau-Ingenieur dazu brachte.
Wenn Willi Kremer in seinem sonnengelben Audi A2 rund um Elspe unterwegs ist, fällt zunächst nichts Besonderes auf. Und doch hat Kremers A2 eine Besonderheit. Denn die Zulassungsnummer endet mit einem E, und das ist ein Kennzeichen-Bestandteil, der für Elektroautos reserviert ist. Audi hat den A2, der von 1999 bis 2005 gebaut wurde, aber nur mit Benzin- oder Dieselmotoren ausgeliefert. „Das hat schonmal dazu geführt, dass die Polizei mir bis in die Garageneinfahrt gefolgt ist“, schmunzelt Willi Kremer: „Da war wohl ein Beamter im Einsatz, der sich auskennt und dachte, ich fahre mit einem falschen Nummernschild herum.“
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Doch der pensionierte Berufsschullehrer, der vor seiner Lehrtätigkeit viele Jahre lang in der Automobilindustrie als Entwickler gearbeitet hat, konnte rasch für Klarheit sorgen. Denn beim Öffnen der kleinen Serviceklappe, die beim Audi A2 normalerweise den Ölmessstab freigibt, wird bei Kremers Exemplar eine Ladesteckdose sichtbar, in die der berühmte „Mennekes-Stecker“ passt, jenes genormte Anschlussstück, das sich in Europa als Ladestecker für Elektroautos durchgesetzt hat. Willi Kremer hat seinen Audi A2 zum Elektroauto umgebaut.
Der Dipl.-Ingenieur der Sparte Maschinenbau hält viel von Nachhaltigkeit und wenig vom Wegwerfen: „Technisch sprechen wir vom Ausnutzen des Abnutzungsvorrats, also dem Verwenden von Maschinen, bis eine Reparatur wirklich nicht mehr lohnt.“ Und dann kam 2009 die vom Staat als „Umweltprämie“ schöngeredete Abwrackprämie: Deutschland gab Milliarden Euro dafür aus, Bestands-Kraftfahrzeuge zu verschrotten und durch neue zu ersetzen. „Das ist mir regelrecht zuwider, ein funktionsfähiges Auto in die Presse zu schieben, und schon damals kam in mir der Wunsch auf, alternativ einen Verbrenner auf Elektroantrieb umzubauen. Aber es fehlte die Zeit.“ Die kam dann mit dem Eintritt in den Ruhestand.
Als er sich mit der Materie näher auseinandersetzte, stieß er rasch auf den Audi, dessen Karosserie aus Aluminium besteht und dadurch leicht und korrosionsfrei ist. „Der bietet sich an zum Umbau. Denn hier hat Audi die Weiterentwicklung des Leiterrahmens eingesetzt, den Space-frame.“ Dieser technische Aufbau ermögliche es, ganze Felder im Auto freizuräumen, ohne dass die Stabilität leidet. „Ich fand diesen hier in Köln, und er war ideal. Der Wagen selbst im Topzustand, aber der Motor sauer. Er hat genau noch von Köln bis Elspe gehalten“, so der 67-Jährige. Kremer baute in seiner Werkstatt alles aus, was mit dem Verbrennungsantrieb zu tun hat: Motor, Tank, Abgasanlage. Danach nahm er Maß und suchte Komponenten zum Einbau.
„Ich habe das nicht alles allein erfunden“, so Kremer bescheiden. Es gibt eine kleine, aber rege Szene von Umbauern in Deutschland, und bei Heiko Fleck in Pfarrkirchen stieß er auf einen Gleichgesinnten, der alle nötigen Komponenten anbietet. Und so kaufte Kremer einen Motor, einen Akkusatz, die Steuerung und das passende Ladegerät und machte sich daran, alles in den A2 einzupassen.
„Für die allermeisten reichen 200 Kilometer fast immer.“
Die insgesamt 90 Akkuzellen sind zum Teil unterhalb des Kofferraums anstelle der Reserveradmulde verbaut, zum Teil neben dem Motor, um das Gewicht ausgeglichen zu verteilen. Sie kommen zusammen auf eine Spannung von 144 Volt und bringen rund 80 Kilowatt-Peak (kurzfristige Spitzenleistung) und eine Dauerleistung von 40 Kilowatt, im Volksmund 55 PS. Die Gesamtenergie des Batteriesatzes von rund 30 Kilowattstunden reicht bei dem A2 für ungefähr 220 Kilometer, abhängig von Fahrweise und Energieverbrauch etwa durch Heizung oder Licht. „Ich höre oft, dass Leute mehr Reichweite wollen. Aber wieviel fahren sie denn im Alltag? Für die allermeisten reichen 200 Kilometer fast immer“, so Kremer.
Auffälliger roter Knopf
Im Inneren des Audi ist fast alles unverändert – augenfällig nur der rote „Not-Aus“-Knopf, den jedes größere elektrisch betriebene Gerät in Deutschland haben muss. Schaltung und Pedalerie sind unverändert, auch wenn das Kupplungspedal fast überflüssig geworden ist. „Man kann eigentlich komplett im dritten Gang fahren, der Elektromotor hat genug Drehmoment.“
„Er ist so alltagstauglich wie jedes andere werksneue Elektroauto.“
Inzwischen hat Willi Kremer in seinem A2 in zwei Jahren gut 20.000 Kilometer abgespult, ohne ein einziges Problem. „Er ist so alltagstauglich wie jedes andere werksneue Elektroauto, dabei nachhaltig und hochwertig“, fasst Kremer zusammen. Gekostet hat ihn der Umbau rund 23.000 Euro: „Heute wäre das günstiger, weil die Batteriepakete billiger geworden sind.“ Dafür zahlt er zehn Jahre keine Steuern und fährt ein Auto, das wertbeständig ist. Kremer hat ein ausgeklügeltes Akku-Management-System gefunden: Er hat keine Bedenken, dass die versprochenen 3000 Ladezyklen erreicht werden.
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Für jeden bietet sich der Elektro-Umbau nicht an. „Aber wer an einem Auto hängt und es lange fahren will, der kann es so für die Zukunft fitmachen“, fasst er zusammen. Willi Kremer fährt das Elektroauto aus eigenem Umbau jeden Tag mit Freude, zumal er den Strom für die Antriebsakkus per Solarzellen auf dem Haus und dem Carport quasi selbst produziert. Er würde sich freuen, wenn er anderen helfen kann, die die gleiche Idee haben und aus einem Verbrenner, statt ihn zu verschrotten, ein topmodernes Elektrofahrzeug machen möchten. Auch wenn die Polizei schon mal misstrauisch wird...