Hofolpe. Felix Plassmann aus Hofolpe verbringt ein Jahr in Brasilien. Was die Reise mit ihm macht und warum er einen solchen Trip wärmstens empfiehlt.
Presidente Prudente, wo ist denn das? Als Felix Plassmann erfuhr, wohin es ihn als Austauschschüler des Rotary-Clubs Olpe-Biggesee verschlagen wird, musste er sich erst einmal schlau machen: Presidente Prudente ist eine 225.000-Einwohner-Stadt, 560 Kilometer nordwestlich von Sao Paulo im ländlichen Süden Brasiliens. Das größte Land in Südamerika stand zunächst nur auf Platz 2 der Wunschliste, hinter der USA. Heute, nach drei Monaten fast 10.000 Kilometer fern der Heimat, sagt der 16-Jährige: „Ich bin froh, dass es Brasilien geworden ist. Hier ist alles neu und alles anders“. Dagegen sei die USA bestimmt langweilig, vermutet er.
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Dass sich der Hofolper trotz des brasilianischen Winters mit Temperaturen jenseits der 40 Grad-Marke dort so wohlfühlt, hat viel mit der südamerikanischen Mentalität und seinem Gast-Elternhaus zu tun. Am 23. Juli startete sein Non-Stop-Flug von Frankfurt nach Sao Paulo, um ein Jahr in Brasilien zu verbringen. Fast zeitgleich zog im Elternhaus in Hofolpe ein 16-jähriger Austauschschüler aus Mexico ein. So sieht es das Austauschprogramm vor. Jedes Jahr verbringen mehr als 650 Schülerinnen und Schüler aus Deutschland einen Jahresaustausch mit Rotary in einem von 30 Gastländern. Gleichzeitig nehmen die Familien in Deutschland Gastschüler aus anderen Ländern auf.
Als Felix Plassmann nach Flug und achtstündiger Busfahrt endlich in seiner Gastfamilie in Brasilien angekommen war, „da hat mich die ganze Familie begrüßt und umarmt, das waren ungefähr 20 Leute“, erinnert er sich an die erste, emotionale Begegnung mit seiner Gastfamilie. Für seine „neuen“ Eltern Fabiana Sato und Allan Sato sei er von Anfang an ein echtes Mitglied der Familie, sagt der Sauerländer, der schon jetzt, nach drei Monaten, fließend portugiesisch spricht. „Die Sprache hat große Ähnlichkeit mit Latein“, erklärt er. Latein steht am Städtischen Gymnasium Lennestadt auf seinem Stundenplan, aber dass ihm diese Sprache mal im Alltag helfen würde, das hätte er nie gedacht.
Keine Frage, Felix hat es gut angetroffen in Brasilien und fühlt sich dort pudelwohl. „Außer einem guten Frühstück wie Zuhause fehlt mir hier nichts“, sagt er. Aber Brasilianer frühstücken nicht, dafür speisen sie zwei Mal warm am Tag. Seine Gastfamilie gehört zu den privilegierten Bürgern im Land, betreibt eine Verleihfirma für elektronische Geräte und wohnt in einer „Gated Community“, einem geschlossenen und gesicherten Wohnkomplex mit allerlei Freizeit- und Sporteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten etc. „Es ist wie ein eigenes Dorf in der Stadt. Leider ist es so, dass Brasilien nicht zu den sichersten Ländern gehört“, erklärt Felix.
In Presidente Prudente besucht der 16-Jährige morgens das Colegio Atomo, eine Privatschule, vergleichbar mit einer High School. Nach der „Siesta“ während der Mittagshitze steht am Nachmittag Freizeit mit viel Sport oder Chillen mit Freunden auf dem Programm. „Meine älteste Gastschwester Tifany hat ein Baby, da muss ich manchmal auch Babysitten“, sagt Felix. An den Wochenenden macht die gesamte Familie oft mehrtägige Ausflüge. „Das ist toll und hier so üblich“, sagt er.
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Eintauchen in eine fremde Kultur, den eigenen Horizont erweitern, internationale Freundschaften schließen, die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln, eine neue Sprache erlernen, das und mehr ist Sinn und Zweck des einjährigen Austausches. Die Rechnung geht offenbar auf. „Ich bin für brasilianische Verhältnisse ein eher ruhiger Typ, aber wenn man drei Monate unter Brasilianern lebt, die mit dem gesamten Körper reden und ganz viel aus dem Bauch heraus machen, dann nimmt man davon etwas an“, hat Felix festgestellt.
Gut möglich, dass die Familie daheim demnächst einen etwas anderen Sohn zurückbekommt. Dass die Familie und die Freunde zuhause zu kurz kommen, tut ihm leid. „Aber ich lebe jetzt in einer ganz anderen Welt und da denkt man einfach nicht oft an Zuhause“, wirbt er um Verständnis. Seine Gastfamilie hat ihm ein Armband geschenkt. Darauf steht: Ich bin ein halber Brasilianer. „Ich trage es immer, ich finde das lustig“, sagt er, aber ein gute Portion Stolz ist ebenfalls mit dabei.
In einer Woche heißt es für den deutschen Austauschschüler zum ersten Mal Abschied nehmen, dann geht es weiter zur zweiten Familie, die in der gleichen Stadt wohnt. „Ich habe sie schon besucht, das wird wieder eine neue Erfahrung werden“, sagt der Hofolper. Zwei weitere Familien werden dann noch folgen, bevor es Ende Juli 2025 wieder nach Hause geht.
Austauschschüler müssen neugierig sein
Das Austauschjahr für Felix Plassmann kam über den Rotary Club Olpe-Biggesee zustande. Der Club ist an die weltweite Rotary-Community angeschlossen. Die ehrenamtliche Organisation betreibt mehrere Austauschprogramme für Jugendliche. Neben den Eltern muss auch die Schule dem einjährigen Schüleraustausch zustimmen. Die Schüler müssen zwischen 15 und 18 Jahre alt, neugierig und aufgeschlossen für Neues sein. Sie sollten einen guten Notenschnitt haben. Steht das Reiseziel fest, werden die Schüler in mehreren Treffen auf die Reise vorbereitet.
Der finanzielle Aufwand für eine Teilnahme ist im Vergleich zu kommerziellen Austauschorganisationen vergleichsweise gering und gilt als Teilstipendium. Die Höhe der Aufwendungen ist stark vom Reiseziel abhängig. Weitere Informationen: www.rotary-austausch.de.
Das ist noch ein langer Weg. Ob sich nicht doch irgendwann das Heimweh-Gefühl einschleichen wird, vielleicht an Weihnachten? „Es wird ein anderes Weihnachten werden, wir werden über Weihnachten und Silvester an den Strand fahren und dort Geburtstag feiern“, weiß der 16-Jährige schon. Am 27. Dezember wird er 17 Jahre alt. Im nächsten Dreivierteljahr stehen von Rotary organisierte größere Reisen unter anderem nach Rio de Janeiro und in das Amazonas-Gebiet im Norden auf dem Programm. „Das wird toll werden“, sagt Felix. Sein Bruder, der vor zehn Jahren Erfahrungen als Austauschschüler sammelte, habe es ihm dringend empfohlen.
Für Jugendliche, die mit einem Austauschjahr liebäugeln und noch unsicher sind, hat der „Hofolper Brasilianer“ einen klaren Rat: „Auf jeden Fall machen, absolut, es ist eine unfassbare Erfahrung, die man hier für relativ wenig Geld haben kann. Man lebt hier normal, man ist kein Tourist. Was man mitbringen sollte, ist Mut. Es bringt nichts, nur im Haus zu hocken. Man muss die Leute ansprechen und keine Angst haben, denn Brasilianer sind die nettesten Leute, die ich je getroffen habe.“