Drolshagen. Vor 28 Jahren ist Jörg Stamm aus Drolshagen nach Kolumbien ausgewandert, weil er dort seine Frau kennenlernte. Was ihm aus seiner alten Heimat fehlt.

Jörg Stamm hat früh einen Bezug zu anderen Ländern und Sprachen aufgebaut. In seinem Elternhaus in Drolshagen leben auch die Großeltern, die mit ihrem Enkel auf Platt reden. Seine Eltern verreisen gerne: Schon als kleiner Junge erweitert sich sein Horizont bei Urlauben nach Holland oder zum Skifahren: „Ich begriff, dass die Welt größer als nur Drolshagen ist“, erzählt er. Wie viel größer, das sollte er im Laufe seines Lebens erfahren.

„Verschiedene Menschen und andere Denkweisen kennenzulernen, kann sehr lehrreich sein, um die eigenen Sorgen und Nöte zu relativieren.“

Jörg Stamm, Auswanderer aus Drolshagen

Nach seinem Zivildienst erhält er eine kleine Abfindung, mit der er seine erste große Reise nach Peru finanziert. Er schlägt sich in Lima zunächst ohne Spanischkenntnisse durch, lernt die Sprache aber schnell – und begeistert sich so sehr für Südamerika, dass er immer wiederkommt. Zurück in Deutschland, absolviert er eine Lehre als Schreiner in Altenhundem und Olpe. Doch besonders das Sauerländer Wetter empfindet er als unbequem: „Der Winter in Deutschland ist hart, gerade wenn man als Schreiner bei minus 20 Grad eine Tür einsetzen will, ist das schon herausfordernd“, erinnert er sich zurück. Er bleibt den Sommer und Herbst über in der Heimat, kurz nach Weihnachten geht es wieder raus in die Welt: Dahin, wo einst die Inkas lebten, wo es Kaffeeplantagen zu erkunden gibt oder auch in einen Slum in Brasilien. „Verschiedene Menschen und andere Denkweisen kennenzulernen, kann sehr lehrreich sein, um die eigenen Sorgen und Nöte zu relativieren“, ist Jörg Stamm überzeugt.

Bambus für die Welt

Als er seine zukünftige Frau in Kolumbien kennenlernt, trifft er die Entscheidung, seinen Lebensmittelpunkt endgültig von Drolshagen in die Kleinstadt Popayán im Südosten Kolumbiens zu verlegen. Er beginnt, für die UNO zu arbeiten und weltweit Entwicklungshilfe im Bereich Bambusbauten zu leisten. So bildet er in verschiedenen Ländern Handwerker dazu aus, den oft regional verfügbaren Rohstoff Bambus zum Bauen zu nutzen.

Diese Sporthalle an der Greenschool in Bali ist ein Werk von Jörg Stamm. Das Baumaterial: Bambus.
Diese Sporthalle an der Greenschool in Bali ist ein Werk von Jörg Stamm. Das Baumaterial: Bambus. © privat | Privat

Als 2004 in Indonesien ein Tsunami wütet und zahlreiche Gebäude zerstört, ist Jörg Stamm für den Wiederaufbau mit Bambus vor Ort. In Costa Rica baut er ein Meditationszentrum aus Bambus, auf der Insel Sumatra eine Bambusbrücke und in Bali eine Schulsporthalle mit Bambusüberdachung. „Ich war mit verschiedenen Projekten schon in über 80 Ländern und habe so fast die Hälfte der Welt bereist. Das Besondere an meiner Tätigkeit ist nicht nur das Reisen, sondern mit den Menschen vor Ort zu arbeiten“, sagt der heute 61-Jährige, der nach wie vor viel unterwegs ist.

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Heimat bleibt Drolshagen

Auch seine Garage Zuhause in Popayán hat Jörg Stamm aus Bambus gebaut.
Auch seine Garage Zuhause in Popayán hat Jörg Stamm aus Bambus gebaut. © privat | Privat

Auf die Frage, inwieweit sich die Menschen in Kolumbien von den Deutschen unterscheiden, hat Jörg Stamm eine klare Antwort: „Die Menschen sind eigentlich überall sehr ähnlich, es gibt natürlich kleinere kulturelle Unterschiede, aber im Grunde haben sie ähnliche Bedürfnisse und Wünsche im Leben, egal wo in der Welt. Die Kolumbianer sind aber auch als besonders freundliche und fröhliche Südamerikaner bekannt.“

„Drolshagen bleibt meine Heimat. Es ist jedes Mal wie eine warme Dusche an Heimatgefühlen, wenn ich zurückkomme.“

Jörg Stamm

Jörg Stamm hat sich mit Frau und Haus ein Leben in der Ferne aufgebaut. Er fühlt sich in Popayán sehr wohl, sieht sich aber nach all den Jahren immer noch als Migrant in Kolumbien. Er kehrt jedes Jahr nach Deutschland zurück, um Familie und Freunde zu besuchen. „Drolshagen bleibt meine Heimat. Es ist jedes Mal wie eine warme Dusche an Heimatgefühlen, wenn ich zurückkomme“, erzählt er. „Die Wälder um Drolshagen, ein Würstchen aus der heimischen Metzgerei und ein frisch gezapftes Pils – das geht mir in Kolumbien schon ab.“ Trotzdem kann er sich nicht vorstellen, wieder zurückzuziehen, er fühle sich in dem kleinen Ort zu eingeengt und genieße die Freiheit des Reisens zu sehr.

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