Attendorn/Plettenberg. Rivius-Schüler Frederik Kieslich forscht mit nur 17 Jahren an der Uni Siegen. Sein Forschungsprojekt könnte vielen erkrankten Menschen helfen.
Der 17-jährige Frederik Kieslich hat sein Leben der Chemie verschrieben. Neben den Vorbereitungen auf sein Abitur im kommenden Jahr führt er ein eigenes Forschungsprojekt, bei dem eine Kohlenstoffverbindung namens Cuban untersucht und erforscht wird. Der Schüler des Attendorner Rivius-Gymnasiums hofft, mit der Erforschung heutige Medikamente zu verbessern. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät er, wie alles angefangen hat.
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Lieber Herr Kieslich, es ist wirklich bemerkenswert, was Sie in jungen Jahren schon alles auf die Beine gestellt haben. Wie haben Sie Ihre Faszination für die Chemie entdeckt?
Mein Vater ist Erfinder und schon ganz lange in der Kunststoff-Branche unterwegs. Er hat mir als kleines Kind gezeigt, wie Kristalle gezüchtet werden. Es ist schon ein paar Jahre her. Die ersten Versuche habe ich als Grundschüler mit meinem Vater gemacht– oft auch mit den typischen Experimentierkästen mit Farben. Ich habe dann teilweise Versuche in der Grundschule vor meiner Klasse vorgestellt. Ich würde aber sagen, dass es erst so richtig losging, als ich das Fach Chemie in der siebten Klasse dazu bekommen habe. Das Interesse ist weiter gewachsen und auch heute ist es noch so, dass ich in jede Stunde des Chemie-Leistungskurses mit viel Freude hereingehe, weil es immer noch interessant ist, Versuche durchzuführen oder anderen zu erklären, was da für eine Art von Mechanismus abläuft.
Viele Schüler haben sich durch Chemie-Kurse gequält, für Sie war der Schulstoff wahrscheinlich ganz einfach, oder?
Als das Interesse losging, hatte ich zwar auch schon Vorkenntnisse, die waren aber nicht so groß. Mittlerweile bin ich der Schulchemie ein ganzes Stück voraus, sonst könnte ich die ganzen Verbindungen hinter dem Cuban-Molekül gar nicht verstehen.
Kommt das auch bei der Schülerschaft an?
Ja tatsächlich. Ich werde oft Professor Kieslich genannt. Es ist einfach so eine Art Spitzname und kommt mittlerweile öfter vor, auch, dass ich mit Professor angesprochen werde. Für viele ist es gut, dass man einen zusätzlichen Ansprechpartner hat und man sich Hilfe holen kann. Mir persönlich ist es sehr wichtig, anderen Schülern und Freunden weiterzuhelfen. Entweder du liebst Chemie oder hasst Chemie, ein Zwischending gibt es da eigentlich nicht.
Sehen Sie sich eigentlich selbst als eine Art Wunderkind?
Viele Leute interessieren sich in meinem Alter nicht für das Themengebiet und verbringen ihre Zeit mit anderen Dingen. Das fängt ja schon mit den Sozialen Medien an. Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen die Möglichkeit haben, etwas Ähnliches zu schaffen.
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Sie beschäftigen sich schon lange mit der Naturwissenschaft. Was ist es, was Sie so sehr an der Arbeit fasziniert?
Es ist die Kombination aus unterschiedlichen Verbindungen. Es kommt immer über verschiedene Wege etwas anderes heraus. In komplexeren Themen durchzublicken und ein generelles Verständnis für die Naturwissenschaft zu entwickeln, finde ich sehr interessant. In Zukunft hat man das Potenzial, verschiedene Dinge im Alltag zu verbessern und so beispielsweise einen Beitrag für den Klimaschutz beizusteuern. Ich glaube, das bewegt sehr viele Leute dazu, sich in die Naturwissenschaften zu begeben. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken.
Gehen wir einmal zurück zu Ihrem aktuellen Forschungsprojekt. Sie erforschen die Kohlenstoffverbindung Cuban an der Uni Siegen. Wie ist es dazu gekommen?
Letztes Jahr im Juni habe ich die ersten Versuche in der Schule und im Hobbylabor gemacht. Unter den Chemikern war es ein bekanntes Molekül. Ich habe davon mitbekommen und fand das Molekül sehr interessant. Über meinen Lehrer habe ich den Kontakt zur Uni hergestellt und wenig später hatte ich mit dem Professor der Organischen Chemie Kontakt. Ich hatte erst gar nicht daran gedacht, dass ich das mit der Universität Siegen in Zusammenarbeit durchführen kann. Die Facharbeit ersetzt jetzt eine Klausur, die in dem zweiten Halbjahr der Q1 geschrieben werden musste.
Was macht das Molekül Cuban so interessant für die Forschung?
Cuban ist ein sehr interessantes Molekül. Wir haben hier eine Würfelstruktur, das macht es zu einem besonderen Kohlenwasserstoff. Die Erforschung des Moleküls könnte Anwendungsmöglichkeiten für die Zukunft darstellen. Als Treibstoff oder als Ersatz für den sogenannten Benzolring, dessen Molekül in der Struktur von bekannten Medikamenten zu finden ist. Den Benzolring könnte man durch das Cuban-Molekül vollständig ersetzen. Der Abbau der Medikamente könnte so beim Menschen deutlich schneller ablaufen. Cuban wäre eine gute Alternative für andere Medikamente. Das Molekül selbst zeigt eine toxische Wirkung. Wir haben hier ein so kleines Molekül, dass es die Hirn-Blut-Schranke passieren und dadurch zu Schäden führen kann. Der Herstellungsweg ist deutlich schwieriger als beim Benzol-Molekül. In Medikamenten zeigen sich aber deutlich verbesserte Wirkungen.
Woran arbeiten Sie denn konkret in Ihrem Forschungsprojekt?
Es ist gar nicht so einfach zu erklären. Wir haben unterschiedliche Synthese-Wege, die man durchlaufen muss, um zum Cuban-Molekül zu kommen und so sind viele Schritte notwendig, um das Cuban-Molekül zu isolieren. Wir arbeiten daran, die einzelnen Stufen der Synthese möglichst effektiv durchführen zu können und versuchen die Verbindung zu erhalten, die wir auch wirklich wollen.
Über das Forschungsprojekt ist es dazu gekommen, dass Sie an der Uni Siegen forschen dürfen. Wie fühlt sich das für Sie an?
Es ist etwas ganz anderes als im Hobbylabor oder in der Schule. Die Auswahl an Chemikalien ist viel größer als bei mir – gleichzeitig haben wir ganz andere Analyse-Möglichkeiten, um Anwendungsfehler beheben zu können. Es sind einfach ganz andere Welten, ein ganz anderes Miteinander. Man ist direkt in Fachgespräche, unter anderem mit meinem ersten Ansprechpartner, Robin Schulte, eingebunden und unterhält sich ständig über die Projekte. Es ist beeindruckend und inspirierend, weil ich auch später in die Richtung gehen möchte. Es ist aber auch gleichzeitig ein komisches Gefühl. Ich fühle mich extrem jung an der Universität und es ist zu Beginn etwas total Ungewöhnliches gewesen. Ich dachte mir erst, wo bin ich denn jetzt gelandet. Erst dann habe ich realisiert, warum ich überhaupt dort bin.
Verspüren Sie eigentlich einen gewissen Erfolgsdruck?
Dadurch, dass hier schon viele Versuche gescheitert sind und nicht funktioniert haben, habe ich zwischenzeitlich schon gezweifelt, ob ich das noch hinkriege. Es gab auch schon einen Monat, wo ich drei Fehlreaktionen wegstecken musste. Es ist nicht die einfachste Situation. Wir stehen jetzt gerade kurz vor unserem ersten Ziel – einem richtigen Durchbruch. Wenn alles gut läuft, habe ich bald das erste fertige Produkt, genannt, Cuban-1,4-Dicarbonsäure. Wenn das funktioniert, wird der Druck natürlich etwas weniger werden.
Gibt es auch noch andere Interessen in Ihrem Leben?
Dadurch, dass ich seit drei Jahren ein Hobbylabor habe, beschäftigte ich mich auch in meiner Freizeit mit Experimenten und der Theorie. Ich gehe in mein Hobbylabor und probiere die Theorie in der Praxis aus. Es ist schon sehr chemielastig, was bei mir in der Freizeit abläuft. Ich interessiere mich aber auch sehr für die Politik. Hin und wieder bekomme ich Nachrichten mit, da diskutieren wir mit unseren Kumpels über das aktuelle politische Geschehen. Außerdem spiele ich auch hin und wieder Gesellschaftsspiele, bei denen man den Kopf einschalten muss.
Die meisten Schüler in Ihrem Alter denken wahrscheinlich schon an die nächste Party. Gehen Sie auch mal Feiern?
Ab und zu auf jeden Fall. Es kommt wahrscheinlich nicht ganz so oft vor, wie bei anderen. Aktuell gibt es schulisch bedingt nicht so viele Freizeitmöglichkeiten, aber ich nutze die Zeit schon, um mich mit meinen Kumpels zu treffen und auch hin und wieder Feiern zu gehen. Ab und zu zur Ablenkung muss das auch mal sein
Das Forschungsprojekt wird doch sicherlich nicht Ihr letztes Projekt gewesen sein. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Erst einmal möchte ich das Abitur im kommenden Jahr bestehen und später in Zukunft in die Chemie gehen, ein Studium beginnen. Es ist natürlich das große Ziel, meinen Spitznamen auch in die Realität umzusetzen. Ich möchte einen eigenen wissenschaftlichen Durchbruch erzielen. In letzter Zeit beschäftige ich mich öfter mit käfigartigen Molekülen, alle haben ganz besondere Eigenschaften, da möchte ich in Zukunft weiter in die Richtung forschen. Das große Ziel ist es aber erstmal das Cuban zu isolieren und wortwörtlich „in der Hand zu halten“.
Kurz und Knapp
Lieblingsessen: Gemüseeintopf mit Hackfleisch
Lieblingsfach neben Chemie: Politik
Lieblingshobby: Gesellschaftsspiele
Lieblingsmolekül: Cuban