Gerlingen. Versandriese Amazon hält trotz Protesten am Plan für ein Verteilzentrum in Wenden-Gerlingen fest. Wie ein Verkehrschaos verhindert werden soll.
Eine Halle von 9100 Quadratmetern, 170 Arbeitsplätze, 27 Lkw, die in der Nacht bis zu 60.000 Pakete anliefern und fast 400 Kleintransporter, die diese nach der Sortierung zu den Kunden im Umkreis von bis zu 70 Kilometer bringen. An einigen Spitzentagen im Weihnachtsgeschäft ist mit einem noch höherem Verkehrsaufkommen zu rechnen: Dann könnten bis zu 44 Lkw nachts zur Anlieferung kommen und 600 Lieferfahrzeuge im Einsatz sein. Das sind die Eckdaten für das Amazon-Verteilzentrum im Industriegebiet „Auf der Mark“ in Gerlingen.
In einer virtuellen Infoveranstaltung am Mittwochabend mit Wendener Verwaltung, Ratsmitgliedern und fast 200 Bürgerinnen und Bürgern stellten Jan Imfeld vom Projektentwickler Panattoni, der die Halle bauen will, und Thorsten Freers (Amazon) die Pläne auf dem ehemaligen Otto-Gelände vor. Dabei handelte es sich, wie Bürgermeister Bernd Clemens betonte, um eine Online-Video-Konferenz der Gemeinde Wenden, um über die Pläne zu informieren.
Drei-Schicht-Betrieb an sechs Tagen pro Woche
„Aufgrund des großen Wachstums werden zusätzliche Auslieferungskapazitäten benötigt“, sagte Thorsten Freers, bei Amazon verantwortlich für die Verteilzentren, die sogenannte „letzte Meile“. Dort würden die Pakete nach Postleitzahlen und Straßen sortiert und in große Versandtaschen für die Auslieferungsfahrer gepackt. Neben der Logistikhalle soll in Gerlingen ein Vier-Ebenen-Parkhaus für bis zu 600 Auslieferungsfahrzeuge gebaut werden. Zudem entstehen 147 Parkplätze sowie Warte- und Ladezonen für je 45 Fahrzeuge. Um das Gebäude gibt es einen Kreisverkehr. Die Anlieferung der Pakete erfolge von 22 bis 8 Uhr, die Auslieferung von 9 bis 14 Uhr. Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Betrieb an sechs Tagen in der Woche, außer sonn- und feiertags. Amazon werde das Objekt langfristig mieten, für zehn Jahre plus Option, so Freers, der einräumte: „Uns ist bewusst, dass das Thema Verkehr ein zentrales ist.“
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Im vom Verkehr ohnehin schon stark gebeutelten Gerlingen hat sich Widerstand gegen die Pläne formiert. 20.000 Fahrzeuge fahren jetzt schon täglich durch den Ort. Mit der Amazon-Ansiedlung würden es noch mehr. Ein Verkehrsgutachten habe ergeben, dass der Knotenpunkt L 512/Ludwig-Erhardt-Straße zum Industriegebiet jetzt schon überlastet sei, so Jan Imfeld. Mit einer Ampelanlage könne man die Situation auch bei einer Ansiedlung von Amazon gut in den Griff bekommen.
Ampelanlage am Knotenpunkt
Die Gemeinde interessiere aber vor allem die zusätzliche Verkehrsbelastung durch Gerlingen, betonte Markus Hohmann, Fachbereichsleiter Bauen und Stadtentwicklung. Mit der Amazon-Ansiedlung gebe es an normalen Tagen 3100 und an Spitzentagen 4200 Fahrzeuge mehr. Sylke Schwarz vom Büro IVV Aachen, das sich für die Gemeinde mit der Verkehrssituation befasst hatte, meinte, dass ein Großteil des Verkehrs von Amazon nicht in den Spitzenzeiten morgens und nachmittags unterwegs sei: „Es ist keine gravierende Verkehrsverschlechterung zu erwarten.“ Amazon sei bewusst, dass die Standortwahl nicht auf Gegenliebe in Gerlingen stoße, sagte Thorsten Freers. Man sei aber bereit, die Kosten für die Verbesserung am Knotenpunkt L 512/Ludwig-Erhardt-Straße mit einer Ampelanlage zu zahlen.
Trotz des massiven Widerstandes im Ort wird die Gemeinde das Vorhaben nicht stoppen können. „Planungsrechtlich ist das dort zulässig. Es gibt keinen rechtlichen Grund, das zu verhindern“, sagte Markus Hohmann. Die Abrissarbeiten der alten Lagerhalle laufen bereits. Hier hat es, wie von unserer Redaktion berichtet, von Panattoni eine ordnungsgemäße Anzeige der Beseitigung beim Kreis Olpe gegeben. Einwände wurden nicht erhoben.
Warten auf Baugenehmigung
Nun warte man auf die Baugenehmigung vom Kreis Olpe, so Jan Imfeld: „Wir rechnen damit in den nächsten Wochen.“ Im ersten Quartal dieses Jahres soll dann gebaut werden. Zur Frage eines Bürgers zum Kostenpunkt der Baumaßnahme in Gerlingen sagte Imfeld: „Wir reden nicht über Kosten, aber wir investieren hier allein in das Gebäude einen hohen zweistelligen Millionen-Betrag.“
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Bürgermeister Clemens blickte der Realität ins Auge: „Wenn wir es entscheiden könnten, überwiegen für mich die Nachteile. Ich würde dem Rat vorschlagen, das abzulehnen, aber wir haben nicht die Möglichkeit.“ Man müsse jetzt mit Amazon zusammenarbeiten, um eine bestmögliche Lösung hinzubekommen. Im öffentlichen Teil der nächsten Ratssitzung soll das Thema behandelt werden. „Sinn und Zweck der Veranstaltung heute war es zu informieren. Im nächsten Schritt hat jetzt der Rat zu entscheiden, wie wir die Verkehrssituation erträglicher gestalten können. Wir müssen Wege und Mittel finden“, sagte Bernd Clemens.