Oberveischede. Das WP-Mobil zu Gast in Oberveischede: Das rege Dorfleben wird aber durch Sorgen vor Windrädern und einer gewaltigen Stromtrasse überschattet.
Die Menschen in Oberveischede sind stolz auf ihr Dorf. Das ist beim Besuch des WP-Mobils am Dienstagabend im Saal des Landhotels Sangermann deutlich geworden. Etwa 35 Bürger haben mit uns über ihre Anliegen gesprochen.
Viel Lob gebührt dem Einsatz der Vereine, dem nachbarschaftlichen und herzlichen Verhältnis untereinander und der Löschgruppe Oberveischede. „Alles in allem sind wir ein sehr dynamisches Dorf“, betont Ortsvorsteher Lothar Epe. Dennoch: Es ist nicht nur der gefürchtete Bau von Windkraftanlagen rundherum und der Amprion-Höchstspannungsleitung, was dem Oberveischeder derzeit Sorgen bereitet.
Windkraft
70 bis 80 Windräder könnten auf lange Sicht rund um Oberveischede entstehen, mindestens 20 bis 25 Anlagen seien konkret in der Planung, mutmaßt Lothar Sabisch. „Unser Ziel ist, dass möglichst wenige Anlagen tatsächlich entstehen.“ Dafür hat sich ein Arbeitskreis gebildet – der aber nicht wie eine Bürgerinitiative, sondern eher wie eine Lobby-Organisation wirken möchte.
Zwei Gründe waren für diese Ausrichtung maßgeblich: „Wir wollen den Ort nicht spalten“, setze man auf Fakten, statt auf Emotionen. Und noch wichtiger: „Auf der anderen Seite stehen Profis, die im dreistelligen Millionenbereich investieren. Wir müssen genauso arbeiten wie die.“ Lothar Sabisch ist zuversichtlich, dass die Strategie Erfolg haben wird: „Mittelfristig wird es eine andere Art der Energiepolitik geben.“
Höchstspannungsleitung
Jürgen Baumhoff lebt in Apollmicke, einer kleinen Siedlung bei Oberveischede mit rund zehn Einwohnern. Er hat eine Karte mitgebracht, sie zeigt den geplanten Ausbau der Höchstspannungsleitung durch das Apollmicketal. „Das Ding ist gigantisch“, sagt Baumhoff und deutet auf den 20 Meter breiten Masten auf der Skizze. „Schauen Sie sich das mal im Vergleich zu den jetzigen Strommasten an.“
Es ist die hohe Spannung (380-kV-Leitung) und die fehlenden Erfahrungswerte, die für Unruhe in Apollmicke sorgen. Denn Apollmicke nimmt im gesamten Trassenverlauf eine Sonderrolle ein. Nirgendwo sonst würden die Menschen so dicht unter dem Stromgiganten leben müssen.
„Die Menschen haben Existenzangst“, sagt Baumhoff und macht auf seine Privatpension und die Bio-Landwirtschaft aufmerksam. „Wir kämpfen um jeden Meter, den die neue Leitung vom Haus abrückt.“ Jannik Fischbach ergänzt: „Alles wird über unsere Köpfe hinweg entschieden, soll möglichst einfach und günstig sein“, sagt er. „Uns geht es darum, einen Kompromiss zu finden.“
Straßenbau
Einige Straßen in Oberveischede sind marode. So auch die Franzenstraße, der Verbindungsweg von der B 517 von Quermke (zwischen Benolpe und Welschen Ennest) zur B 55 unterhalb von Oberveischede. Seit Jahren ist die Sanierung Thema bei der Stadt Olpe, Lennestadt und der Gemeinde Kirchhundem. In Oberveischede wird eine schnelle Erneuerung gefordert. „Der Radweg darauf ist lebensgefährlich“, sagt Jürgen Baumhoff. „Wer da drüber fährt, braucht Federn am Rad.“
Eine weitere Baustelle ist der Tecklinghauser Weg. Die Straße wurde bislang noch nicht regulär erschlossen, es gibt keine Bürgersteige und keine befestigten Parkplätze. „Das ist schon seit ewigen Jahren ein Thema“, sagt Mechthild Sangermann. „Obwohl das ein Wohngebiet ist, wo viele Leute wohnen, tut sich da nichts.“ Ortsvorsteher Lothar Epe betont, dass der Ausbau seitens der Anlieger mit bezahlt werden müsste, da die Straße eben noch nicht erschlossen ist. Die Stadt Olpe hat für 2023 erstmals einen Betrag für den Ausbau in den Haushalt eingestellt.
Radwege
Während das Dorf für den Straßenverkehr durch die B 55 gut an die größeren Orte in der Umgebung angebunden sei, müsse das Radwegenetz noch wachsen, wünschen sich viele Oberveischeder – zum Beispiel in Richtung Olpe. „Man kommt bis zum Kreisel bei Hufnagel, aber dann nicht weiter“, weiß Karl-Otto Springmann. Dabei sei ein Weg vorhanden, er müsse nur asphaltiert werden. Ähnlich schlecht sei die Anbindung in Richtung Repetal.
ÖPNV
Es gibt aktuell keinen Bus, der zwischen Oberveischede und Attendorn fährt. Und das schon seit mehr als zehn Jahren. Für einige Bürger ist das ein großes Ärgernis. „Mein Sohn fängt im August in Attendorn eine Lehre an“, erzählt Astrid Baumhoff. „Die Lösung suchen wir jetzt noch. Wir wohnen in Apollmicke, das ist nochmal zusätzlich schwierig.“ Auch Matthias Grüber kennt das Problem. „Wenn man mit dem Bus nach Attendorn will, muss man erst nach Olpe fahren. Das ist eine Weltreise durch den Kreis“, sagt er.
Wasserbeschaffungsverband
Gut aufgestellt sieht sich der Wasserbeschaffungsverband für Oberveischede, der 225 Haushalte mit dem wichtigsten aller Lebensmittel versorgt. „Das ist echte Arbeit“, sagt Vorsitzender Meinhard Remberg, „und hat eine andere Dimension als in Vereinen.“ Herausforderungen ergeben sich aber durch das stetige Wachstum des Ortes. „Neue Baugebiete brauchen Wasserleitungen – und die müssen wir bezahlen“, erklärt Remberg. Dem kleinen Verband würden durch eine Neubausiedlung eine immense Investition drohen. „Irgendwann sind wir mal blank.“ Zuschüsse von staatlicher Stelle seien nicht zu erwarten. Und den – deutlich unterdurchschnittlichen – Wasserpreis erhöhen? Davon hält der Vorsitzende nichts. „Dann wäre das Ehrenamt tot.“
Soziales
Die Kath. Grundschule Rhode ist voll belegt. Das hat erstmals zur Folge, dass zwei Kinder aus Oberveischede dort nicht eingeschult werden können. Da das erste Kriterium, das in solchen Fällen greift, die Konfession ist, trifft es zwei Kinder, die nicht katholisch sind. Die Entscheidung der Schulleitung, die Kinder aus Platzmangel abzuweisen, ist schulrechtlich korrekt, aber: „Kinder können das natürlich nicht verstehen“, sagt Mechthild Sangermann. „Auch aus pädagogischer Sicht ist das schlecht. Wir brauchen eine zusätzliche Klasse.“
Noch ein Problem: Oberveischede braucht einen neuen Osterfeuerplatz. Der alte Platz befindet sich in Privatbesitz und steht aufgrund von Eigenbedarf nicht mehr zur Verfügung. „Das ist gar nicht so leicht, einen passenden zu finden“, sagt Jan Weiskirch, Pressebeauftragter beim Löschzug Oberveischede und amtierender Schützenkönig. „Wir freuen uns über jedes Angebot.“
Ehrenamt
Jan Weiskirch freut sich über den großen Rückhalt, den der Löschzug im Ort hat. Dessen „First Responder“-Projekt ist einmalig im Kreis: Eine Gruppe von Feuerwehrmännern aus dem Dorf mit spezieller Zusatzausbildung werden bei Notfällen von der Rettungsleitstelle informiert und sind zumeist vor dem Notarzt an der Einsatzstelle. „Wir freuen uns sehr, dass dieses Projekt in unserem Dorf umgesetzt worden ist“, sagt Lothar Epe, „und wir begleiten die ehrenamtliche Tätigkeit der First Responder mit Dankbarkeit.“
Ebenfalls fest im Dorf verwurzelt ist der Sportverein mit rund 350 Mitgliedern. „Aber Leute für das Ehrenamt zu finden, wird immer schwieriger“, beklagt sich Mike Wurm aus dem Vorstandsteam. Der Posten des 1. Vorsitzenden ist bereits vakant. In zwei Monaten hört auch der Kassierer auf – und ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Hat er Hoffnung, dass sich bis zur Jahreshauptversammlung noch jemand findet? „Wir haben immer jemanden gefunden. Das ist das, was mir Hoffnung macht.“
Am 20. Januar findet um 19.30 Uhr eine öffentliche CDU-Versammlung im Landhotel Sangermann statt. Im Mai wird es seitens der Dorfgemeinschaft erstmalig eine „Dorfkonferenz“ geben, in der es um die Weiterentwicklung des Ortes geht.