Wetter. Kurz vor dem Kammertermin reicht die Medizinprodukte-Firma noch Schriftsätze ein. Dadurch verzögern sich die Entscheidungen bis in den Juli

Fünf langjährig beschäftigte Frauen, die im August vergangenen Jahres von der Firma „Nobamed“ in Wetter entlassen worden waren, wollten endlich Klarheit über ihre berufliche Zukunft. Deshalb sollte die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Hagen am Dienstagvormittag verhandeln und ein Urteil fällen. Doch der Medizinprodukte-Händler sorgte dafür, dass das Verfahren verzögert wurde.

Rechtliche Unklarheit

Erst am vergangenen Freitag, also vier Tage vor dem seit Monaten anberaumten Kammertermin, wurde von der Firmenvertreterin noch kurzfristig ein Schriftsatz eingereicht. Darauf wollte sich Rechtsanwalt Christian Edelmann (Gevelsberg), der allein vier entlassene Klägerinnen vertritt, aber nicht spontan einlassen. Er rügte die Verspätung und beantragte eine Stellungnahmefrist zur Erwiderung. Richterin Nicole Becker hat nun für den 8. Juli einen erneuten Verhandlungstermin angesetzt. Bis dahin herrscht rechtliche Unklarheit.

Es ist jetzt bereits die zweite Kündigungswelle in der „Paul Danz Aktiengesellschaft“, die seit 2015 unter dem Namen „Nobamed“ firmiert. Das Familien-Unternehmen mit Sitz in Wengern bezeichnet sich selbst als „leistungsstarker Medizinproduktehersteller in Deutschland“, ist in 19 Ländern vertreten und beschäftigt nach eigenen Angaben rund 100 Mitarbeiter. Zu einer ersten Massenentlassung kam es kurz vor Weihnachten 2023. Sie betraf ausschließlich ältere Frauen aus der sogenannten „Produktion“, die am Firmensitz in der Höltkenstraße antiseptische Wundauflagen abzupacken hatten. 13 ältere Mitarbeiterinnen, meist seit Jahrzehnten bei „Nobamed“ beschäftigt, mussten „betriebsbedingt“ gehen. Die gesamte Fertigung in Wetter sei eingestellt und nach Polen verlagert worden, hieß es.

Firmensitz in Wetter
Der Sitz von Nobamed, Ruhrtaler und Preciosa 1871 in Wengern. © WP | Klaus Görzel

Zweite Entlassungswelle

Die zweite Entlassungswelle bei „Nobamed“ erfolgte nur Monate später - am 8. September vergangenen Jahres. Diesmal traf es die Abteilung „Auftragserfassung und Auftragsbearbeitung“: Sechs langjährige Mitarbeiterinnen erhielten völlig überraschend eine fristgerechte Kündigung zum 28. Februar. Sie wurden umgehend unwiderruflich freigestellt. Die Begründung: Ihre Arbeitsplätze würden ab sofort durch den Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ (KI) entfallen. Sämtliche eingehenden telefonischen Bestellungen würden bei „Nobamed“ ab sofort von einer Maschine entgegengenommen. Auch das Erfassen von Daten, die bei Neukunden bis dahin noch händisch eingegeben werden mussten, würde das „Work-Programm“ völlig eigenständig ausführen. Mit anderen Worten: Menschliche Arbeitskraft sei nunmehr überflüssig geworden.

Es geht um mehr als den Arbeitsplatz

Der Anwalt der betroffenen Klägerinnen sieht das anders: Schließlich hätten die Frauen jahrelang viel mehr geleistet, als nur Bestellungen von Kunden am Telefon entgegenzunehmen. Sie hätten sich auch mit Rücksendungen falsch gelieferter Produkte, sogenannten „Retouren“ beschäftigt, über die umfangreiche Palette von Produkten beraten, Reklamationen ausgeführt und Gutschriften erstellt, „was künstliche Intelligenz gar nicht leisten kann“. Letztlich streiten sich die Parteien nicht nur um ihren ehemaligen Arbeitsplatz, sondern vielmehr auch um Geld. Der Verlust der Arbeitsplätze soll mit einer angemessenen Abfindung finanziell ausgeglichen werden und soziale Härten abfedern. Und da gehen die Parteien bislang noch von völlig unterschiedlichen Geldbeträgen aus.